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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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In Cöln findet am 3. August (auch der Tag stimmt mit dem des
Berliner Tumults von 1835 überein) eine Kirmes statt, bei der man
zu schießen und zu feuerwerken pflegt, was allerdings auf Straßen und
Platzen einer starkbewvhnten Stadt ein gefährlicher Unfug ist, den man
mit Recht in engere Grenzen zurückweise", oder besser, dem man ganz
und gar steuern wollte. Zu diesem Zwecke stellte man am betreffenden
Tage, in den betreffenden Straßen Polizei und Gcnsd'armerie auf. Wir
nehmen an, daß diese Sicherheitswache in verstandigster Form ihre Pflicht
that, denn in einer amtlichen Proclamation vom 5,. August heißt es:
"Die Beamten, welche zur Handhabung der Ordnung aufgestellt wiiren,
wurden ohne jeden zureichenden Grund insultirt;" allein hat¬
ten sie insultirt werden können, wenn man sie an diefem Tage, der schon
früher ahnliche Vorgänge herbeigeführt, gar nicht aufgestellt hätte? Da
es erfahrungsmäßig war, daß an diesem bestimmten Tage unverständige
und gesetzwidrige Dinge vorkamen, die bereits früher zwischen Unisor-
mirten und dem Kirmcspublicum zu unangenehmen Reibungen geführt,
so wäre es gewiß praktisch gewesen, der Bürgerschaft die Aufrechthaltung
der Ruhe für diesen speciellen Fall direct zu übertragen. Schießen und
Feuerwerken in den Mauern einer bewohnten Stadt ist eine Aeußerung
des Unverstandes, der man durch Verstand begegnen muß. Nun
aber ist das Volk in allen civilisirten Staaten geneigt anzunehmen, daß
der Verstand und der Sinn für Ordnung und Recht nicht ausschließlich
in den Bajonnetten, Gewehrläufen, Flintenkolben und Pallaschen sitzt, son¬
dern daß Bürger, die mit Umsicht und Fleiß sich, ihre Familien und auch
die Beamten ernähren, ebenfalls sehr gegründete Ansprüche auf Verstand,
Sinn für Ordnung und Recht besitzen. Außerdem aber hat auch Nie¬
mand ein größeres Interesse Ruhe und Ordnung in einer Stadt erhalten
zu sehen, als grade der Bürger, weil eben darauf der Schutz seines Ei¬
genthums und seiner Familie basirt ist.

Warum sind in England ein paar Dutzend Constablers im Stande,
bei Volksversammlungen vieler Tausend Menschen die Ordnung zu hand¬
haben; warum sind ein paar Universitätspeoelle hinreichend ein paar Hun¬
dert Studenten in den Schranken des akademischen Gesetzes zu lenken-!
Weil jeder Engländer und jeder deutsche Student weiß, daß er sich durch
thatsächliches Auflehnen gegen das Gesetz, welches ihn in seinen eigen¬
thümlichen Standesrechten gegen das Eingreifen einer äußerlichen, übermäch¬
tigen Gewalt, -- gegen Säbelhiebe und Kugeln, - - schützt, einer ernsten
Gefahr anheimgibt. Für einen so civilisirten, intelligenten Staat, wie
Preußen, dürfte es daher wohl zeitgemäß scheinen, den Bürgern selbst die
Aufrechthaltung der bürgerlichen Ordnung anzuvertrauen, und nur dann
die Gewalt der Waffen anzuwenden, wenn die Gewalt der Bürger ent¬
schieden unzureichend erscheint.


In Cöln findet am 3. August (auch der Tag stimmt mit dem des
Berliner Tumults von 1835 überein) eine Kirmes statt, bei der man
zu schießen und zu feuerwerken pflegt, was allerdings auf Straßen und
Platzen einer starkbewvhnten Stadt ein gefährlicher Unfug ist, den man
mit Recht in engere Grenzen zurückweise», oder besser, dem man ganz
und gar steuern wollte. Zu diesem Zwecke stellte man am betreffenden
Tage, in den betreffenden Straßen Polizei und Gcnsd'armerie auf. Wir
nehmen an, daß diese Sicherheitswache in verstandigster Form ihre Pflicht
that, denn in einer amtlichen Proclamation vom 5,. August heißt es:
„Die Beamten, welche zur Handhabung der Ordnung aufgestellt wiiren,
wurden ohne jeden zureichenden Grund insultirt;" allein hat¬
ten sie insultirt werden können, wenn man sie an diefem Tage, der schon
früher ahnliche Vorgänge herbeigeführt, gar nicht aufgestellt hätte? Da
es erfahrungsmäßig war, daß an diesem bestimmten Tage unverständige
und gesetzwidrige Dinge vorkamen, die bereits früher zwischen Unisor-
mirten und dem Kirmcspublicum zu unangenehmen Reibungen geführt,
so wäre es gewiß praktisch gewesen, der Bürgerschaft die Aufrechthaltung
der Ruhe für diesen speciellen Fall direct zu übertragen. Schießen und
Feuerwerken in den Mauern einer bewohnten Stadt ist eine Aeußerung
des Unverstandes, der man durch Verstand begegnen muß. Nun
aber ist das Volk in allen civilisirten Staaten geneigt anzunehmen, daß
der Verstand und der Sinn für Ordnung und Recht nicht ausschließlich
in den Bajonnetten, Gewehrläufen, Flintenkolben und Pallaschen sitzt, son¬
dern daß Bürger, die mit Umsicht und Fleiß sich, ihre Familien und auch
die Beamten ernähren, ebenfalls sehr gegründete Ansprüche auf Verstand,
Sinn für Ordnung und Recht besitzen. Außerdem aber hat auch Nie¬
mand ein größeres Interesse Ruhe und Ordnung in einer Stadt erhalten
zu sehen, als grade der Bürger, weil eben darauf der Schutz seines Ei¬
genthums und seiner Familie basirt ist.

Warum sind in England ein paar Dutzend Constablers im Stande,
bei Volksversammlungen vieler Tausend Menschen die Ordnung zu hand¬
haben; warum sind ein paar Universitätspeoelle hinreichend ein paar Hun¬
dert Studenten in den Schranken des akademischen Gesetzes zu lenken-!
Weil jeder Engländer und jeder deutsche Student weiß, daß er sich durch
thatsächliches Auflehnen gegen das Gesetz, welches ihn in seinen eigen¬
thümlichen Standesrechten gegen das Eingreifen einer äußerlichen, übermäch¬
tigen Gewalt, — gegen Säbelhiebe und Kugeln, - - schützt, einer ernsten
Gefahr anheimgibt. Für einen so civilisirten, intelligenten Staat, wie
Preußen, dürfte es daher wohl zeitgemäß scheinen, den Bürgern selbst die
Aufrechthaltung der bürgerlichen Ordnung anzuvertrauen, und nur dann
die Gewalt der Waffen anzuwenden, wenn die Gewalt der Bürger ent¬
schieden unzureichend erscheint.


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[0317] In Cöln findet am 3. August (auch der Tag stimmt mit dem des Berliner Tumults von 1835 überein) eine Kirmes statt, bei der man zu schießen und zu feuerwerken pflegt, was allerdings auf Straßen und Platzen einer starkbewvhnten Stadt ein gefährlicher Unfug ist, den man mit Recht in engere Grenzen zurückweise», oder besser, dem man ganz und gar steuern wollte. Zu diesem Zwecke stellte man am betreffenden Tage, in den betreffenden Straßen Polizei und Gcnsd'armerie auf. Wir nehmen an, daß diese Sicherheitswache in verstandigster Form ihre Pflicht that, denn in einer amtlichen Proclamation vom 5,. August heißt es: „Die Beamten, welche zur Handhabung der Ordnung aufgestellt wiiren, wurden ohne jeden zureichenden Grund insultirt;" allein hat¬ ten sie insultirt werden können, wenn man sie an diefem Tage, der schon früher ahnliche Vorgänge herbeigeführt, gar nicht aufgestellt hätte? Da es erfahrungsmäßig war, daß an diesem bestimmten Tage unverständige und gesetzwidrige Dinge vorkamen, die bereits früher zwischen Unisor- mirten und dem Kirmcspublicum zu unangenehmen Reibungen geführt, so wäre es gewiß praktisch gewesen, der Bürgerschaft die Aufrechthaltung der Ruhe für diesen speciellen Fall direct zu übertragen. Schießen und Feuerwerken in den Mauern einer bewohnten Stadt ist eine Aeußerung des Unverstandes, der man durch Verstand begegnen muß. Nun aber ist das Volk in allen civilisirten Staaten geneigt anzunehmen, daß der Verstand und der Sinn für Ordnung und Recht nicht ausschließlich in den Bajonnetten, Gewehrläufen, Flintenkolben und Pallaschen sitzt, son¬ dern daß Bürger, die mit Umsicht und Fleiß sich, ihre Familien und auch die Beamten ernähren, ebenfalls sehr gegründete Ansprüche auf Verstand, Sinn für Ordnung und Recht besitzen. Außerdem aber hat auch Nie¬ mand ein größeres Interesse Ruhe und Ordnung in einer Stadt erhalten zu sehen, als grade der Bürger, weil eben darauf der Schutz seines Ei¬ genthums und seiner Familie basirt ist. Warum sind in England ein paar Dutzend Constablers im Stande, bei Volksversammlungen vieler Tausend Menschen die Ordnung zu hand¬ haben; warum sind ein paar Universitätspeoelle hinreichend ein paar Hun¬ dert Studenten in den Schranken des akademischen Gesetzes zu lenken-! Weil jeder Engländer und jeder deutsche Student weiß, daß er sich durch thatsächliches Auflehnen gegen das Gesetz, welches ihn in seinen eigen¬ thümlichen Standesrechten gegen das Eingreifen einer äußerlichen, übermäch¬ tigen Gewalt, — gegen Säbelhiebe und Kugeln, - - schützt, einer ernsten Gefahr anheimgibt. Für einen so civilisirten, intelligenten Staat, wie Preußen, dürfte es daher wohl zeitgemäß scheinen, den Bürgern selbst die Aufrechthaltung der bürgerlichen Ordnung anzuvertrauen, und nur dann die Gewalt der Waffen anzuwenden, wenn die Gewalt der Bürger ent¬ schieden unzureichend erscheint.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/317>, abgerufen am 04.07.2024.