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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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"Wie, meinte Gans, Gegensätze? Bei uns ist, so viel ich glaube,
dieses Wort gar nicht anzuwenden."

"Ich habe, erwiderte Siehvs, die stärksten daselbst vorgefunden;
breite, zum Theil wohlgebaute Straßen und das ärgste Pflaster, das
man in einer großen Stadt zu finden vermöchte: Jacobiner, die bet
uns Alles recht fanden, was Robespierre, Couthon, Marat Schreck¬
liches vollführten und in ihrem eignen Lande zugleich die zahmsten
und titelsüchtigften Narren waren, die man antreffen konnte, die tief¬
gelehrtesten Menschen, die so ungeschickt sich geberdeten, wenn es galt,
nicht etwas Politisches zu thun, sondern nur Etwas zu begreifen, was
gethan war, Aufgewecktheit für die Ereignisse der Weltgeschichte und
zugleich einen Schellenstolz für die Narrheiten der eignen Stadt. Sind
das nicht Gegensätze?"

Seit Sieves dieses Wort über Berlin sprach, sind wieder zwanzig
Jahre verflossen und wenigstens der Gegensatz zwischen wohlgebauten
Straßen und einem schlechten Pflaster ist ausgeglichen. Ist aber Ber¬
lin noch die Stadt der Gegensätze? Ist sie es nicht erst im Laufe
ihrer Entwickelung geworden? Eine Antwort darauf möge der vor"
liegende Aufsatz sein.


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„Wie, meinte Gans, Gegensätze? Bei uns ist, so viel ich glaube,
dieses Wort gar nicht anzuwenden."

„Ich habe, erwiderte Siehvs, die stärksten daselbst vorgefunden;
breite, zum Theil wohlgebaute Straßen und das ärgste Pflaster, das
man in einer großen Stadt zu finden vermöchte: Jacobiner, die bet
uns Alles recht fanden, was Robespierre, Couthon, Marat Schreck¬
liches vollführten und in ihrem eignen Lande zugleich die zahmsten
und titelsüchtigften Narren waren, die man antreffen konnte, die tief¬
gelehrtesten Menschen, die so ungeschickt sich geberdeten, wenn es galt,
nicht etwas Politisches zu thun, sondern nur Etwas zu begreifen, was
gethan war, Aufgewecktheit für die Ereignisse der Weltgeschichte und
zugleich einen Schellenstolz für die Narrheiten der eignen Stadt. Sind
das nicht Gegensätze?"

Seit Sieves dieses Wort über Berlin sprach, sind wieder zwanzig
Jahre verflossen und wenigstens der Gegensatz zwischen wohlgebauten
Straßen und einem schlechten Pflaster ist ausgeglichen. Ist aber Ber¬
lin noch die Stadt der Gegensätze? Ist sie es nicht erst im Laufe
ihrer Entwickelung geworden? Eine Antwort darauf möge der vor«
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[0299] „Wie, meinte Gans, Gegensätze? Bei uns ist, so viel ich glaube, dieses Wort gar nicht anzuwenden." „Ich habe, erwiderte Siehvs, die stärksten daselbst vorgefunden; breite, zum Theil wohlgebaute Straßen und das ärgste Pflaster, das man in einer großen Stadt zu finden vermöchte: Jacobiner, die bet uns Alles recht fanden, was Robespierre, Couthon, Marat Schreck¬ liches vollführten und in ihrem eignen Lande zugleich die zahmsten und titelsüchtigften Narren waren, die man antreffen konnte, die tief¬ gelehrtesten Menschen, die so ungeschickt sich geberdeten, wenn es galt, nicht etwas Politisches zu thun, sondern nur Etwas zu begreifen, was gethan war, Aufgewecktheit für die Ereignisse der Weltgeschichte und zugleich einen Schellenstolz für die Narrheiten der eignen Stadt. Sind das nicht Gegensätze?" Seit Sieves dieses Wort über Berlin sprach, sind wieder zwanzig Jahre verflossen und wenigstens der Gegensatz zwischen wohlgebauten Straßen und einem schlechten Pflaster ist ausgeglichen. Ist aber Ber¬ lin noch die Stadt der Gegensätze? Ist sie es nicht erst im Laufe ihrer Entwickelung geworden? Eine Antwort darauf möge der vor« liegende Aufsatz sein. ?5 «« » ,»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/299>, abgerufen am 24.07.2024.