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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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wurde und ein communistisches Gebäude dogmatisch construirte,
wie vielfach in Frankreich, da wurde er abgeschmackt. Damit
wollen wir nicht gesagt haben, dass es dem wachsenden Pauperismus
gegenüber genug sei, die Hände in den Schooß zu legen und die be¬
kannten Schlagworte: "Abschaffung des Geldes, Gütergemeinschaft,
Organisation der Arbeit, absolute Gleichheit" auszustoßen und sich in
eine blinde Ideologie zu verrennen, im Gegentheil der Communismus
kann eben darin eine höhere Praxis beweisen, daß er in steter Bezie¬
hung auf daS Princip, welches er bekämpft, mit kritischer Schärfe die
alten Hütten los't, welche die Gesellschaft beengen und dem Wachs¬
thum der neuen Fruchtknoten behilflich ist, welche sich ansetzen wollen.
So kann er z. B. dadurch, daß er im Innern den Trieb der Associa¬
tion steigert und nach Außen die Kolonisation begünstigt, eine Art von
Praris beweisen^) und dadurch zeigen, daß er sich ebenso weit von phan¬
tastischer Träumerei, wie von abstracter Systemmacherei freihalten und
den Boden des Lebens suchen wolle. Aber wir leugnen es nicht, daß
dieser höhere praktische Trieb, welcher allein, so lange das Princip
der Concurrenz die europäische Welt beherrscht, noch zu etwas nützen
und überhaupt fördern kann, nur eine Seltenheit unter unsern Com-
munisten ist. Ueber Berlin hinausblickend, wüßten wir nur Weitling
zu nennen, der in seinen "Garantiern" den Versuch wagte, den Com¬
munismus zu organistren, aber doch weiter nichts that, als daß er
von allen politischen und religiösen Systemen einige Lappen entlehnte.
Unsere meisten Communisten sind entweder Pessimisten oder Ideologen
und weder diese noch jene können dem mächtig geschlossenen Principe,
welches ihnen gegenübersteht, die Zähne zerbrechen, noch überhaupt
die innere Entwicklung des Communismus fördern. Ehe der Com¬
munismus die Welt organistren kann, muß er sich erst selbst zu orga¬
nistren wissen und wenn dieses bis jetzt noch nicht geschehen, so muß
allerdings bedacht werden, daß diese Bewegung noch viel zu neu
ist, als daß man eine vollständige Krystallisation von ihr mit Recht
erwarten konnte. Der Communismus, wie er sich in Deutschland, so¬
wohl am Rhein, wie er Berlin entwickelt, hat an Klarheit und Kritik
Vieles vor derselben Bewegung in Frankreich voraus. Er ist nicht wie
diese, pessimistisch oder ideologisch-religiös, er construirt nicht, er prüft
sich vielmehr an der Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse oder er
sammelt den factischen Bestand derselben, er radotirt nicht, wie Blanc,



D. Red.
Bedarf um, dazu des ComMNiMus'j'.

wurde und ein communistisches Gebäude dogmatisch construirte,
wie vielfach in Frankreich, da wurde er abgeschmackt. Damit
wollen wir nicht gesagt haben, dass es dem wachsenden Pauperismus
gegenüber genug sei, die Hände in den Schooß zu legen und die be¬
kannten Schlagworte: „Abschaffung des Geldes, Gütergemeinschaft,
Organisation der Arbeit, absolute Gleichheit" auszustoßen und sich in
eine blinde Ideologie zu verrennen, im Gegentheil der Communismus
kann eben darin eine höhere Praxis beweisen, daß er in steter Bezie¬
hung auf daS Princip, welches er bekämpft, mit kritischer Schärfe die
alten Hütten los't, welche die Gesellschaft beengen und dem Wachs¬
thum der neuen Fruchtknoten behilflich ist, welche sich ansetzen wollen.
So kann er z. B. dadurch, daß er im Innern den Trieb der Associa¬
tion steigert und nach Außen die Kolonisation begünstigt, eine Art von
Praris beweisen^) und dadurch zeigen, daß er sich ebenso weit von phan¬
tastischer Träumerei, wie von abstracter Systemmacherei freihalten und
den Boden des Lebens suchen wolle. Aber wir leugnen es nicht, daß
dieser höhere praktische Trieb, welcher allein, so lange das Princip
der Concurrenz die europäische Welt beherrscht, noch zu etwas nützen
und überhaupt fördern kann, nur eine Seltenheit unter unsern Com-
munisten ist. Ueber Berlin hinausblickend, wüßten wir nur Weitling
zu nennen, der in seinen „Garantiern" den Versuch wagte, den Com¬
munismus zu organistren, aber doch weiter nichts that, als daß er
von allen politischen und religiösen Systemen einige Lappen entlehnte.
Unsere meisten Communisten sind entweder Pessimisten oder Ideologen
und weder diese noch jene können dem mächtig geschlossenen Principe,
welches ihnen gegenübersteht, die Zähne zerbrechen, noch überhaupt
die innere Entwicklung des Communismus fördern. Ehe der Com¬
munismus die Welt organistren kann, muß er sich erst selbst zu orga¬
nistren wissen und wenn dieses bis jetzt noch nicht geschehen, so muß
allerdings bedacht werden, daß diese Bewegung noch viel zu neu
ist, als daß man eine vollständige Krystallisation von ihr mit Recht
erwarten konnte. Der Communismus, wie er sich in Deutschland, so¬
wohl am Rhein, wie er Berlin entwickelt, hat an Klarheit und Kritik
Vieles vor derselben Bewegung in Frankreich voraus. Er ist nicht wie
diese, pessimistisch oder ideologisch-religiös, er construirt nicht, er prüft
sich vielmehr an der Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse oder er
sammelt den factischen Bestand derselben, er radotirt nicht, wie Blanc,



D. Red.
Bedarf um, dazu des ComMNiMus'j'.
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[0292] wurde und ein communistisches Gebäude dogmatisch construirte, wie vielfach in Frankreich, da wurde er abgeschmackt. Damit wollen wir nicht gesagt haben, dass es dem wachsenden Pauperismus gegenüber genug sei, die Hände in den Schooß zu legen und die be¬ kannten Schlagworte: „Abschaffung des Geldes, Gütergemeinschaft, Organisation der Arbeit, absolute Gleichheit" auszustoßen und sich in eine blinde Ideologie zu verrennen, im Gegentheil der Communismus kann eben darin eine höhere Praxis beweisen, daß er in steter Bezie¬ hung auf daS Princip, welches er bekämpft, mit kritischer Schärfe die alten Hütten los't, welche die Gesellschaft beengen und dem Wachs¬ thum der neuen Fruchtknoten behilflich ist, welche sich ansetzen wollen. So kann er z. B. dadurch, daß er im Innern den Trieb der Associa¬ tion steigert und nach Außen die Kolonisation begünstigt, eine Art von Praris beweisen^) und dadurch zeigen, daß er sich ebenso weit von phan¬ tastischer Träumerei, wie von abstracter Systemmacherei freihalten und den Boden des Lebens suchen wolle. Aber wir leugnen es nicht, daß dieser höhere praktische Trieb, welcher allein, so lange das Princip der Concurrenz die europäische Welt beherrscht, noch zu etwas nützen und überhaupt fördern kann, nur eine Seltenheit unter unsern Com- munisten ist. Ueber Berlin hinausblickend, wüßten wir nur Weitling zu nennen, der in seinen „Garantiern" den Versuch wagte, den Com¬ munismus zu organistren, aber doch weiter nichts that, als daß er von allen politischen und religiösen Systemen einige Lappen entlehnte. Unsere meisten Communisten sind entweder Pessimisten oder Ideologen und weder diese noch jene können dem mächtig geschlossenen Principe, welches ihnen gegenübersteht, die Zähne zerbrechen, noch überhaupt die innere Entwicklung des Communismus fördern. Ehe der Com¬ munismus die Welt organistren kann, muß er sich erst selbst zu orga¬ nistren wissen und wenn dieses bis jetzt noch nicht geschehen, so muß allerdings bedacht werden, daß diese Bewegung noch viel zu neu ist, als daß man eine vollständige Krystallisation von ihr mit Recht erwarten konnte. Der Communismus, wie er sich in Deutschland, so¬ wohl am Rhein, wie er Berlin entwickelt, hat an Klarheit und Kritik Vieles vor derselben Bewegung in Frankreich voraus. Er ist nicht wie diese, pessimistisch oder ideologisch-religiös, er construirt nicht, er prüft sich vielmehr an der Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse oder er sammelt den factischen Bestand derselben, er radotirt nicht, wie Blanc, D. Red. Bedarf um, dazu des ComMNiMus'j'.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/292>, abgerufen am 24.07.2024.