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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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die Entwicklung des Princips der freien Concurrenz ist ih>n nicht deut-
lich geworden, da er es immer nur ökonomisch oder politisch, nie so¬
cial betrachtet. Die Entwicklung dieses Princips aufhalten, das
konnte, das durfte seinem eignen Wesen zu Folge der Liberalis¬
mus nicht, und da er demgemäß das Princip der freien Concur-
renz hemmen und stürzen weder kann noch mag, so blieb ihm weiter
nichts übrig, als dieses Princip als Voraussetzung anzunehmen und
unter dieser Voraussetzung wirken zu wollen. Da nun eben dieCon-
currenz eS ist, welche die Noth der arbeitenden Classen hervorruft, so
muß er die Grundursache dieser Noth auf sich bestehen lassen und
doch, sagt er, null er gegen diese Noth wirken. Auf diesem Boden
stehen unsere liberalen Bürger, unsere liberalen Geldaristokraten, unsere
liberalen Industriellen mit ihren Spar- und Prämiencassenvorschlägen
u. s. w. Es wird diese Unfähigkeit, die Inconsequenz dieses Stand¬
punktes deutlich genug bezeichnet worden sein.

Wie sich denn nun in Frankreich, im Gegensatze zum Liberalis¬
mus und überhaupt zu jeder politischen Partei, eine Bewegung aus¬
gebildet hat, welche man allgemein als "Communismus" an die
Wand malt, so hat sie natürlich auch immer mehr, je wichtiger die
sociale Frage sowohl dem Praktikern, als den Theoretikern wurde, sich
in Deutschland ausbreiten und namentlich in Berlin ihre Vertheidiger
und Apostel finden müssen. Ihr rohster Ausdruck ist jedenfalls der,
welchen schon Shakespeare's Bastard Faulconbridge sehr treffend und
humoristisch in folgenden Worten bezeichnet:


Gut, weil ich noch ein Bettler, will ich schelten
Und sagen, Reichthum sei die einz'ge Sünde;
Und bin ich reich, spricht meine Zugend frei:
Kein Laster geb' es außer Bettelei.

Dies ist der Standpunkt unseres täglichen Lebens, dies ist das
Element in unserer Masse. Aber die kommunistischen Elemente, welche
Berlin aufzuweisen hat, stehen, obwohl sie für das Recht der Masse
streiten, doch außer aller Verbindung mit der Masse selbst, sie stehen
im Durschschnitt auf dem abstrakten, philosophischen Boden und ha¬
ben, im Verhältnisse zu unserer übrigen Welt, immer nur noch eine
kleine Position. Darin, daß sie sich nicht praktisch, sondern rein kritisch
zu der Gesellschaft verhalten wollen, liegt ihre einzige Stärke. Der
Commuttismtts kam: jetzt nichts Anderes thun als die Welt kritisiren,
als die Unzulänglichkeit der bestehenden Zustände nachweisen. Wo er
praktisch werden wollte, gab er sich immer auf, wo er Religion


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die Entwicklung des Princips der freien Concurrenz ist ih>n nicht deut-
lich geworden, da er es immer nur ökonomisch oder politisch, nie so¬
cial betrachtet. Die Entwicklung dieses Princips aufhalten, das
konnte, das durfte seinem eignen Wesen zu Folge der Liberalis¬
mus nicht, und da er demgemäß das Princip der freien Concur-
renz hemmen und stürzen weder kann noch mag, so blieb ihm weiter
nichts übrig, als dieses Princip als Voraussetzung anzunehmen und
unter dieser Voraussetzung wirken zu wollen. Da nun eben dieCon-
currenz eS ist, welche die Noth der arbeitenden Classen hervorruft, so
muß er die Grundursache dieser Noth auf sich bestehen lassen und
doch, sagt er, null er gegen diese Noth wirken. Auf diesem Boden
stehen unsere liberalen Bürger, unsere liberalen Geldaristokraten, unsere
liberalen Industriellen mit ihren Spar- und Prämiencassenvorschlägen
u. s. w. Es wird diese Unfähigkeit, die Inconsequenz dieses Stand¬
punktes deutlich genug bezeichnet worden sein.

Wie sich denn nun in Frankreich, im Gegensatze zum Liberalis¬
mus und überhaupt zu jeder politischen Partei, eine Bewegung aus¬
gebildet hat, welche man allgemein als „Communismus" an die
Wand malt, so hat sie natürlich auch immer mehr, je wichtiger die
sociale Frage sowohl dem Praktikern, als den Theoretikern wurde, sich
in Deutschland ausbreiten und namentlich in Berlin ihre Vertheidiger
und Apostel finden müssen. Ihr rohster Ausdruck ist jedenfalls der,
welchen schon Shakespeare's Bastard Faulconbridge sehr treffend und
humoristisch in folgenden Worten bezeichnet:


Gut, weil ich noch ein Bettler, will ich schelten
Und sagen, Reichthum sei die einz'ge Sünde;
Und bin ich reich, spricht meine Zugend frei:
Kein Laster geb' es außer Bettelei.

Dies ist der Standpunkt unseres täglichen Lebens, dies ist das
Element in unserer Masse. Aber die kommunistischen Elemente, welche
Berlin aufzuweisen hat, stehen, obwohl sie für das Recht der Masse
streiten, doch außer aller Verbindung mit der Masse selbst, sie stehen
im Durschschnitt auf dem abstrakten, philosophischen Boden und ha¬
ben, im Verhältnisse zu unserer übrigen Welt, immer nur noch eine
kleine Position. Darin, daß sie sich nicht praktisch, sondern rein kritisch
zu der Gesellschaft verhalten wollen, liegt ihre einzige Stärke. Der
Commuttismtts kam: jetzt nichts Anderes thun als die Welt kritisiren,
als die Unzulänglichkeit der bestehenden Zustände nachweisen. Wo er
praktisch werden wollte, gab er sich immer auf, wo er Religion


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[0291] die Entwicklung des Princips der freien Concurrenz ist ih>n nicht deut- lich geworden, da er es immer nur ökonomisch oder politisch, nie so¬ cial betrachtet. Die Entwicklung dieses Princips aufhalten, das konnte, das durfte seinem eignen Wesen zu Folge der Liberalis¬ mus nicht, und da er demgemäß das Princip der freien Concur- renz hemmen und stürzen weder kann noch mag, so blieb ihm weiter nichts übrig, als dieses Princip als Voraussetzung anzunehmen und unter dieser Voraussetzung wirken zu wollen. Da nun eben dieCon- currenz eS ist, welche die Noth der arbeitenden Classen hervorruft, so muß er die Grundursache dieser Noth auf sich bestehen lassen und doch, sagt er, null er gegen diese Noth wirken. Auf diesem Boden stehen unsere liberalen Bürger, unsere liberalen Geldaristokraten, unsere liberalen Industriellen mit ihren Spar- und Prämiencassenvorschlägen u. s. w. Es wird diese Unfähigkeit, die Inconsequenz dieses Stand¬ punktes deutlich genug bezeichnet worden sein. Wie sich denn nun in Frankreich, im Gegensatze zum Liberalis¬ mus und überhaupt zu jeder politischen Partei, eine Bewegung aus¬ gebildet hat, welche man allgemein als „Communismus" an die Wand malt, so hat sie natürlich auch immer mehr, je wichtiger die sociale Frage sowohl dem Praktikern, als den Theoretikern wurde, sich in Deutschland ausbreiten und namentlich in Berlin ihre Vertheidiger und Apostel finden müssen. Ihr rohster Ausdruck ist jedenfalls der, welchen schon Shakespeare's Bastard Faulconbridge sehr treffend und humoristisch in folgenden Worten bezeichnet: Gut, weil ich noch ein Bettler, will ich schelten Und sagen, Reichthum sei die einz'ge Sünde; Und bin ich reich, spricht meine Zugend frei: Kein Laster geb' es außer Bettelei. Dies ist der Standpunkt unseres täglichen Lebens, dies ist das Element in unserer Masse. Aber die kommunistischen Elemente, welche Berlin aufzuweisen hat, stehen, obwohl sie für das Recht der Masse streiten, doch außer aller Verbindung mit der Masse selbst, sie stehen im Durschschnitt auf dem abstrakten, philosophischen Boden und ha¬ ben, im Verhältnisse zu unserer übrigen Welt, immer nur noch eine kleine Position. Darin, daß sie sich nicht praktisch, sondern rein kritisch zu der Gesellschaft verhalten wollen, liegt ihre einzige Stärke. Der Commuttismtts kam: jetzt nichts Anderes thun als die Welt kritisiren, als die Unzulänglichkeit der bestehenden Zustände nachweisen. Wo er praktisch werden wollte, gab er sich immer auf, wo er Religion 38-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/291>, abgerufen am 24.07.2024.