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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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So gerade blieb er, wie er lag am Boden,
So starr als wär' vom Kreuz er abgenommen.
Sein Arm ruht auf der Schulter des Soldaten;
Weiß war sein Aug', es stierte furchtbar, weit,
Und rings die Menge starrt mit offnem Mund.
Ein Seufzer hört man, all' der Tausende,
Als ob die Tiefen seufzten unterirdisch.
Als ob der Kirche Gräber sich gerührt.
Doch das Commando und die Trommel klangen,
Achtung, -- und Marsch! -- und mitten durch die Gasse
Flog' die KibitLe wie ein Blitz davon.
's war eine leer, -- man sah nicht den Gesang'nen,
Durch's Stroh nur streckt' er zitternd seine Hand,
Blau, leichenhaft, die schüttelt' er zum Abschied;
-Man fuhr in das Getümmel. Eh' die Peitsch' es trennt.
Drange man zur Kirch', und g'rad' in dem Moment
Hört' ich die Klingel, man trug her 'ne Leiche.
Leer war die Kirch', ich sah' des Priesters Hand,
Aufheben den gebenedeiten Leib,
Und sprach: O Herr, der durch Pilatus Spruch
Schuldlos sein Blut vergoß, die Welt zu sühnen,
Empfang' von dem Gericht dies Knaben-Opfer,
So groß nicht, nicht so heilig, aber schuldlos.

(Langes Schweigen.)

Joseph.

Von Kriegen sagt man wohl in alten Zeiten,
Die man so wild geführt und so abscheulich,
Daß man des Baums im Walde nicht geschont,
Und das Getreide auf dem Halm verbrannt.
Uns nimmt die Saat man grausam und erstickt sie.

(Ein Augenblick des Schwoigens.)

Pr. Lwow.

Vielleicht lebt der Gefang'ne noch, ihr Brüder,

Gott weiß es nur, und wird es einst enthüllen.
Als Priester werd' ich beten, und ich rath' Euch
Thut für des Märtyrers Ruhe es mit mir.
Wer weiß, was morgen unser Aller harrt.


Adolf.

So sag' uns ein Gebet auch für Xaver,
Der sich erschossen, ehe man ihn sing.


Frej end.

Brav. Erst hat er mit uns getheilt die Feste,
'

Und nuns die Noth gilt, geht er aus der Welt.


Pr. Lwowicz.

Doch laßt für diesen Bruder auch uns beten.

Hör', Priester, ja, ich Spotte Deinem Glauben:


Jankowski.

Was ist's? Und war' ich schlimmer als Tartaren,
Ein Türe', ein Dieb, ein Räuber, ein Spion,
Ich würde nicht des Himmels Strafe fürchten.


So gerade blieb er, wie er lag am Boden,
So starr als wär' vom Kreuz er abgenommen.
Sein Arm ruht auf der Schulter des Soldaten;
Weiß war sein Aug', es stierte furchtbar, weit,
Und rings die Menge starrt mit offnem Mund.
Ein Seufzer hört man, all' der Tausende,
Als ob die Tiefen seufzten unterirdisch.
Als ob der Kirche Gräber sich gerührt.
Doch das Commando und die Trommel klangen,
Achtung, — und Marsch! — und mitten durch die Gasse
Flog' die KibitLe wie ein Blitz davon.
's war eine leer, — man sah nicht den Gesang'nen,
Durch's Stroh nur streckt' er zitternd seine Hand,
Blau, leichenhaft, die schüttelt' er zum Abschied;
-Man fuhr in das Getümmel. Eh' die Peitsch' es trennt.
Drange man zur Kirch', und g'rad' in dem Moment
Hört' ich die Klingel, man trug her 'ne Leiche.
Leer war die Kirch', ich sah' des Priesters Hand,
Aufheben den gebenedeiten Leib,
Und sprach: O Herr, der durch Pilatus Spruch
Schuldlos sein Blut vergoß, die Welt zu sühnen,
Empfang' von dem Gericht dies Knaben-Opfer,
So groß nicht, nicht so heilig, aber schuldlos.

(Langes Schweigen.)

Joseph.

Von Kriegen sagt man wohl in alten Zeiten,
Die man so wild geführt und so abscheulich,
Daß man des Baums im Walde nicht geschont,
Und das Getreide auf dem Halm verbrannt.
Uns nimmt die Saat man grausam und erstickt sie.

(Ein Augenblick des Schwoigens.)

Pr. Lwow.

Vielleicht lebt der Gefang'ne noch, ihr Brüder,

Gott weiß es nur, und wird es einst enthüllen.
Als Priester werd' ich beten, und ich rath' Euch
Thut für des Märtyrers Ruhe es mit mir.
Wer weiß, was morgen unser Aller harrt.


Adolf.

So sag' uns ein Gebet auch für Xaver,
Der sich erschossen, ehe man ihn sing.


Frej end.

Brav. Erst hat er mit uns getheilt die Feste,
'

Und nuns die Noth gilt, geht er aus der Welt.


Pr. Lwowicz.

Doch laßt für diesen Bruder auch uns beten.

Hör', Priester, ja, ich Spotte Deinem Glauben:


Jankowski.

Was ist's? Und war' ich schlimmer als Tartaren,
Ein Türe', ein Dieb, ein Räuber, ein Spion,
Ich würde nicht des Himmels Strafe fürchten.


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[0258] So gerade blieb er, wie er lag am Boden, So starr als wär' vom Kreuz er abgenommen. Sein Arm ruht auf der Schulter des Soldaten; Weiß war sein Aug', es stierte furchtbar, weit, Und rings die Menge starrt mit offnem Mund. Ein Seufzer hört man, all' der Tausende, Als ob die Tiefen seufzten unterirdisch. Als ob der Kirche Gräber sich gerührt. Doch das Commando und die Trommel klangen, Achtung, — und Marsch! — und mitten durch die Gasse Flog' die KibitLe wie ein Blitz davon. 's war eine leer, — man sah nicht den Gesang'nen, Durch's Stroh nur streckt' er zitternd seine Hand, Blau, leichenhaft, die schüttelt' er zum Abschied; -Man fuhr in das Getümmel. Eh' die Peitsch' es trennt. Drange man zur Kirch', und g'rad' in dem Moment Hört' ich die Klingel, man trug her 'ne Leiche. Leer war die Kirch', ich sah' des Priesters Hand, Aufheben den gebenedeiten Leib, Und sprach: O Herr, der durch Pilatus Spruch Schuldlos sein Blut vergoß, die Welt zu sühnen, Empfang' von dem Gericht dies Knaben-Opfer, So groß nicht, nicht so heilig, aber schuldlos. (Langes Schweigen.) Joseph. Von Kriegen sagt man wohl in alten Zeiten, Die man so wild geführt und so abscheulich, Daß man des Baums im Walde nicht geschont, Und das Getreide auf dem Halm verbrannt. Uns nimmt die Saat man grausam und erstickt sie. (Ein Augenblick des Schwoigens.) Pr. Lwow. Vielleicht lebt der Gefang'ne noch, ihr Brüder, Gott weiß es nur, und wird es einst enthüllen. Als Priester werd' ich beten, und ich rath' Euch Thut für des Märtyrers Ruhe es mit mir. Wer weiß, was morgen unser Aller harrt. Adolf. So sag' uns ein Gebet auch für Xaver, Der sich erschossen, ehe man ihn sing. Frej end. Brav. Erst hat er mit uns getheilt die Feste, ' Und nuns die Noth gilt, geht er aus der Welt. Pr. Lwowicz. Doch laßt für diesen Bruder auch uns beten. Hör', Priester, ja, ich Spotte Deinem Glauben: Jankowski. Was ist's? Und war' ich schlimmer als Tartaren, Ein Türe', ein Dieb, ein Räuber, ein Spion, Ich würde nicht des Himmels Strafe fürchten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/258>, abgerufen am 05.07.2024.