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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Als daß im dess'ren Raum ihr mit mir wäret, Buben!
Die ihr uns alle wollt in einem Grab begraben.


Frejend.

Beweinst Du uns? Hast Du wen zu bedauern?

Doch mich nicht, welchen Nutzen bringt mein Leben?
Im Kriege noch, hab' ein Talent zu schlagen;
Den Rücken spickt' ich etlichen vom Don.
Allein im Frieden -- was hundert Jahre leben,
Daß ich den Nüssen fluch' und starb' -- und schwinde.
Frei war' ich hundert Jahr ein schlechter Wicht,
Wie Pulver, Wein von mittelmaß'ger Art; --
Ist er gepfropft, schlug man 'nen Stopfen auf das Pulver,
Da gelt' ich wie 'ne Flasche, eine Ladung.
Schal würd' ich, wie der Wein in offner Kanne,
Verpufft wie Pulver auf der offnen Pfanne;
Doch schickt man mich in Ketten nach Sibirien,
Sehn mich in Litthau'n an die Brüder, denken:
So edles Blut, so schlagt man unsre Jugend!
Ich, Thomas, hatte gleich mich hängen lassen.
Daß länger Du gelebt 'nen Augenblick:
Dem Vaterland bien' ich nur durch den Tod,
Und zehnmal sturb' ich, zu erwecken Dich; --
Dich, oder den Schwermuth'gen Dichter Konrad,
Der uns die Zukunft sagt, wie ein Zigeuner --

(zu Konrad)

Ich glaub's, denn Thomas sagt's, Du sei'se ein großer Sänger
Ich liebe Dich, weil Du auch gleichst der Flasche:
Gesang' ergießest Du, und athmest Gluth
Wir trinken, fühlen, doch Du schwindest -- und versiegst.

(Er nimmt Konrads Hand und trocknet sich die Thränen.)
(Zu Thomas und Konrad.)

Ihr wißt, ich lieb' Euch, lieben dürfen wir.
Nicht weinen. Brüder, trocknet Eure Thränen,
Denn faßt mich Wehmuth, fang' ich an zu schluchzen,
So mach' ich keinen Thee, und 'ö Fen'r erlischt.

(Er macht Thee.)
(Ein Augenblick des Schweigens.)

Pr. Lwowicz.

Wahr ist's, der Ankömmling wird schlecht empfangen,

(aus Zegota zeigend)
'--

Ein schlechtes Zeichen ist's, beim Einziehn weinen
Tags schweigt man lang genug! -- He! welche Stille.


Jacob.

Nichts Neues?

Neuigkeiten?


Alle.

Gibt's nichts Neues?


Pr. Lwowicz.
Adolf.

Johann halt' Untersuchung heut, war aus 'ne Stunde,
Doch schweigt er düster, --- seine Miene sagt,
Er mag nicht reden.


Grmzhyten. III. !S4". 3Z

Als daß im dess'ren Raum ihr mit mir wäret, Buben!
Die ihr uns alle wollt in einem Grab begraben.


Frejend.

Beweinst Du uns? Hast Du wen zu bedauern?

Doch mich nicht, welchen Nutzen bringt mein Leben?
Im Kriege noch, hab' ein Talent zu schlagen;
Den Rücken spickt' ich etlichen vom Don.
Allein im Frieden — was hundert Jahre leben,
Daß ich den Nüssen fluch' und starb' — und schwinde.
Frei war' ich hundert Jahr ein schlechter Wicht,
Wie Pulver, Wein von mittelmaß'ger Art; —
Ist er gepfropft, schlug man 'nen Stopfen auf das Pulver,
Da gelt' ich wie 'ne Flasche, eine Ladung.
Schal würd' ich, wie der Wein in offner Kanne,
Verpufft wie Pulver auf der offnen Pfanne;
Doch schickt man mich in Ketten nach Sibirien,
Sehn mich in Litthau'n an die Brüder, denken:
So edles Blut, so schlagt man unsre Jugend!
Ich, Thomas, hatte gleich mich hängen lassen.
Daß länger Du gelebt 'nen Augenblick:
Dem Vaterland bien' ich nur durch den Tod,
Und zehnmal sturb' ich, zu erwecken Dich; —
Dich, oder den Schwermuth'gen Dichter Konrad,
Der uns die Zukunft sagt, wie ein Zigeuner —

(zu Konrad)

Ich glaub's, denn Thomas sagt's, Du sei'se ein großer Sänger
Ich liebe Dich, weil Du auch gleichst der Flasche:
Gesang' ergießest Du, und athmest Gluth
Wir trinken, fühlen, doch Du schwindest — und versiegst.

(Er nimmt Konrads Hand und trocknet sich die Thränen.)
(Zu Thomas und Konrad.)

Ihr wißt, ich lieb' Euch, lieben dürfen wir.
Nicht weinen. Brüder, trocknet Eure Thränen,
Denn faßt mich Wehmuth, fang' ich an zu schluchzen,
So mach' ich keinen Thee, und 'ö Fen'r erlischt.

(Er macht Thee.)
(Ein Augenblick des Schweigens.)

Pr. Lwowicz.

Wahr ist's, der Ankömmling wird schlecht empfangen,

(aus Zegota zeigend)
'—

Ein schlechtes Zeichen ist's, beim Einziehn weinen
Tags schweigt man lang genug! — He! welche Stille.


Jacob.

Nichts Neues?

Neuigkeiten?


Alle.

Gibt's nichts Neues?


Pr. Lwowicz.
Adolf.

Johann halt' Untersuchung heut, war aus 'ne Stunde,
Doch schweigt er düster, —- seine Miene sagt,
Er mag nicht reden.


Grmzhyten. III. !S4«. 3Z
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/255>, abgerufen am 05.07.2024.