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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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schon im Vorhinein in einer schiefen, doppelt untergeordneten Stellung
der Regierung steht, fehlt ihm einerseits der Muth in vielen Fällen sein
gutes Recht energisch durchzuführen, andrerseits weiß er auch, daß in so
vielen Fällen der Beamte von dem Grundsätze ausgeht: "der Jude kann
zahlen, warum soll er nicht zahlen." Dadurch hat sich nun einerseits
der Jude gewöhnt, jedes Recht durch Geld zu erkaufen, anderseits der
Beamte den Juden als guten Kunden anzusehen, und so lag es nun im
Interesse des Beamten selbst, den Juden nicht aus seiner abgesonderten,
schmachvollen Stellung heraustreten zu lassen, er hätte dadurch nicht
allein eine Revenue, sondern in vielen Fallen auch einen -- Sündenbock
verloren. Eins der festesten Bande, welches den Juden in solcher Stel¬
lung hielt, war die unter verschiedenen Namen in den Provinzen erho¬
bene Judensteuer, Summen, welche der Jude für die Erlaubniß zahlte,
in Oesterreich, Ungarn, Böhmen u. f. w. wohnen zu dürfen. Die un¬
garischen Juden waren die ersten, welche sich von dieser Steuer los zu
machen suchten, indem die Toleranzsteuer, die erst jedes Jahr eingezahlt
werden konnte, bis auf eine enorme Schuldsumme anwuchs, und als
endlich die Regierung auf eine Eintreibung derselben drang, sie theil¬
weise für eine nicht in der Constitution begründete und dem Zeitgeiste
widerstrebende Maßregel erklärten. Dazu kam auch, daß auf dem Land¬
tage bei Verhandlung der Judenfrage, dieser Steuer ebenfalls als einer
nicht mehr zu erhebenden gedacht wurde, und so wuchs die Schuld im¬
mer größer und größer an, der Art, daß sie jetzt schon über drei Millionen
Gulden beträgt, eine Summe, welche, wenn sie dem ohnehin geringen
Vaarvermögen Ungarns entnommen werden sollte, von sehr verderblichen
Wirkungen für seinen aufblühenden Handel werden müßte. Und so ge¬
schah es, daß jetzt, nach langem Unterhandeln, das Patent ausgefertigt
wurde, die "Toleranzsteuer" habe in Ungarn aufzuhören, und die Summe
von mehr als über drei Millionen, welche die Schuldrcste betragen, sind
auf sehr wenig herabgesetzt, nach dessen Abzahlung die Steuer für immer
aufzuhören hat. Die ungarische Opposition wird dieses Patent natürlich
wieder für sich ausbeuten, und es eine der Regierung abgezwungene Con¬
cession nennen.

Wichtiger und als einen freien Schritt der Regierung muß man
die Aufhebung der Judensteuer in Böhmen ansehen, eine der drückendsten
Steuern, welche je von der Armuth bezahlt wurde, indem die Erhebung der
Steuer nicht von der Regierung selbst ausging, sondern in Bausch und Bogen
an eine Gesellschaft Juden verpachtet war, welche nun die Steuern selbst
erhoben. Nun bestanden die Pachter oder Mitglieder dieser Gesellschaft
selbst aus den reichsten Juden und wenn auch wackere Männer sich dar¬
unter befanden, fo war es doch keineswegs der Fall, daß sie sich selbst
und ihr Vermögen in demselben Verhältnisse besteuerten, wie es mit dem
Armen geschah. Zudem war diese Steuer nicht allein eine der drückend¬
sten, indem sie doppelt erhoben wurde, als directe Steuer von fast 25 H
des Vermögens, wo man zum Vermögen nicht allein das im Handel
und Wandel steckende Capital, sondern auch die unbeweglichen Güter, als


schon im Vorhinein in einer schiefen, doppelt untergeordneten Stellung
der Regierung steht, fehlt ihm einerseits der Muth in vielen Fällen sein
gutes Recht energisch durchzuführen, andrerseits weiß er auch, daß in so
vielen Fällen der Beamte von dem Grundsätze ausgeht: „der Jude kann
zahlen, warum soll er nicht zahlen." Dadurch hat sich nun einerseits
der Jude gewöhnt, jedes Recht durch Geld zu erkaufen, anderseits der
Beamte den Juden als guten Kunden anzusehen, und so lag es nun im
Interesse des Beamten selbst, den Juden nicht aus seiner abgesonderten,
schmachvollen Stellung heraustreten zu lassen, er hätte dadurch nicht
allein eine Revenue, sondern in vielen Fallen auch einen — Sündenbock
verloren. Eins der festesten Bande, welches den Juden in solcher Stel¬
lung hielt, war die unter verschiedenen Namen in den Provinzen erho¬
bene Judensteuer, Summen, welche der Jude für die Erlaubniß zahlte,
in Oesterreich, Ungarn, Böhmen u. f. w. wohnen zu dürfen. Die un¬
garischen Juden waren die ersten, welche sich von dieser Steuer los zu
machen suchten, indem die Toleranzsteuer, die erst jedes Jahr eingezahlt
werden konnte, bis auf eine enorme Schuldsumme anwuchs, und als
endlich die Regierung auf eine Eintreibung derselben drang, sie theil¬
weise für eine nicht in der Constitution begründete und dem Zeitgeiste
widerstrebende Maßregel erklärten. Dazu kam auch, daß auf dem Land¬
tage bei Verhandlung der Judenfrage, dieser Steuer ebenfalls als einer
nicht mehr zu erhebenden gedacht wurde, und so wuchs die Schuld im¬
mer größer und größer an, der Art, daß sie jetzt schon über drei Millionen
Gulden beträgt, eine Summe, welche, wenn sie dem ohnehin geringen
Vaarvermögen Ungarns entnommen werden sollte, von sehr verderblichen
Wirkungen für seinen aufblühenden Handel werden müßte. Und so ge¬
schah es, daß jetzt, nach langem Unterhandeln, das Patent ausgefertigt
wurde, die „Toleranzsteuer" habe in Ungarn aufzuhören, und die Summe
von mehr als über drei Millionen, welche die Schuldrcste betragen, sind
auf sehr wenig herabgesetzt, nach dessen Abzahlung die Steuer für immer
aufzuhören hat. Die ungarische Opposition wird dieses Patent natürlich
wieder für sich ausbeuten, und es eine der Regierung abgezwungene Con¬
cession nennen.

Wichtiger und als einen freien Schritt der Regierung muß man
die Aufhebung der Judensteuer in Böhmen ansehen, eine der drückendsten
Steuern, welche je von der Armuth bezahlt wurde, indem die Erhebung der
Steuer nicht von der Regierung selbst ausging, sondern in Bausch und Bogen
an eine Gesellschaft Juden verpachtet war, welche nun die Steuern selbst
erhoben. Nun bestanden die Pachter oder Mitglieder dieser Gesellschaft
selbst aus den reichsten Juden und wenn auch wackere Männer sich dar¬
unter befanden, fo war es doch keineswegs der Fall, daß sie sich selbst
und ihr Vermögen in demselben Verhältnisse besteuerten, wie es mit dem
Armen geschah. Zudem war diese Steuer nicht allein eine der drückend¬
sten, indem sie doppelt erhoben wurde, als directe Steuer von fast 25 H
des Vermögens, wo man zum Vermögen nicht allein das im Handel
und Wandel steckende Capital, sondern auch die unbeweglichen Güter, als


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[0230] schon im Vorhinein in einer schiefen, doppelt untergeordneten Stellung der Regierung steht, fehlt ihm einerseits der Muth in vielen Fällen sein gutes Recht energisch durchzuführen, andrerseits weiß er auch, daß in so vielen Fällen der Beamte von dem Grundsätze ausgeht: „der Jude kann zahlen, warum soll er nicht zahlen." Dadurch hat sich nun einerseits der Jude gewöhnt, jedes Recht durch Geld zu erkaufen, anderseits der Beamte den Juden als guten Kunden anzusehen, und so lag es nun im Interesse des Beamten selbst, den Juden nicht aus seiner abgesonderten, schmachvollen Stellung heraustreten zu lassen, er hätte dadurch nicht allein eine Revenue, sondern in vielen Fallen auch einen — Sündenbock verloren. Eins der festesten Bande, welches den Juden in solcher Stel¬ lung hielt, war die unter verschiedenen Namen in den Provinzen erho¬ bene Judensteuer, Summen, welche der Jude für die Erlaubniß zahlte, in Oesterreich, Ungarn, Böhmen u. f. w. wohnen zu dürfen. Die un¬ garischen Juden waren die ersten, welche sich von dieser Steuer los zu machen suchten, indem die Toleranzsteuer, die erst jedes Jahr eingezahlt werden konnte, bis auf eine enorme Schuldsumme anwuchs, und als endlich die Regierung auf eine Eintreibung derselben drang, sie theil¬ weise für eine nicht in der Constitution begründete und dem Zeitgeiste widerstrebende Maßregel erklärten. Dazu kam auch, daß auf dem Land¬ tage bei Verhandlung der Judenfrage, dieser Steuer ebenfalls als einer nicht mehr zu erhebenden gedacht wurde, und so wuchs die Schuld im¬ mer größer und größer an, der Art, daß sie jetzt schon über drei Millionen Gulden beträgt, eine Summe, welche, wenn sie dem ohnehin geringen Vaarvermögen Ungarns entnommen werden sollte, von sehr verderblichen Wirkungen für seinen aufblühenden Handel werden müßte. Und so ge¬ schah es, daß jetzt, nach langem Unterhandeln, das Patent ausgefertigt wurde, die „Toleranzsteuer" habe in Ungarn aufzuhören, und die Summe von mehr als über drei Millionen, welche die Schuldrcste betragen, sind auf sehr wenig herabgesetzt, nach dessen Abzahlung die Steuer für immer aufzuhören hat. Die ungarische Opposition wird dieses Patent natürlich wieder für sich ausbeuten, und es eine der Regierung abgezwungene Con¬ cession nennen. Wichtiger und als einen freien Schritt der Regierung muß man die Aufhebung der Judensteuer in Böhmen ansehen, eine der drückendsten Steuern, welche je von der Armuth bezahlt wurde, indem die Erhebung der Steuer nicht von der Regierung selbst ausging, sondern in Bausch und Bogen an eine Gesellschaft Juden verpachtet war, welche nun die Steuern selbst erhoben. Nun bestanden die Pachter oder Mitglieder dieser Gesellschaft selbst aus den reichsten Juden und wenn auch wackere Männer sich dar¬ unter befanden, fo war es doch keineswegs der Fall, daß sie sich selbst und ihr Vermögen in demselben Verhältnisse besteuerten, wie es mit dem Armen geschah. Zudem war diese Steuer nicht allein eine der drückend¬ sten, indem sie doppelt erhoben wurde, als directe Steuer von fast 25 H des Vermögens, wo man zum Vermögen nicht allein das im Handel und Wandel steckende Capital, sondern auch die unbeweglichen Güter, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/230>, abgerufen am 24.07.2024.