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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Rasch jagten die Postillone dahin; ginge Alles in Oesterreich so
rasch vorwärts wie seine Postillone, bald wäre das übrige Deutsch¬
land weit dahinten der Svnnenwirbel war im Rücken, wir durch¬
eilten schöne fruchtbare Gefilde und fuhren in dem freundlich metier
Karlsbad ein, das mir Heilung bringen sollte.

Das tiesversteckte nette Städtchen, das sich beinahe wie ein be¬
scheidenes Veilchen in tiefem Thale verbirgt, und glücklicher als man¬
cher Bescheidene, so viel, so emsig gesucht wird, macht unbeschreiblich
tröstlichen, lieblichen Eindruck, -- Vom Stadtthürme trompetlich be¬
willkomm", von freundlichen netten Mädchen empfangen, die uns am
Wagenfchlage Wohnung anboten, gings über den Markt der Wiese
zu, wo ich mich in dem niedlichen, holländisch blanken Hause in mei¬
ner kleinen, doch ganz komfortablen Wohnung so ganz behaglich, bei¬
nahe heimisch angewehet zu fühlen begann, und beinahe vergaß, ich
sei in dem gefürchteten katholisch düstern Oesterreich.

Auch ist Karlsbad gewissermaßen vull ittoriiloiüill, ein Freihafen
des Gedankens, des Jdeentausches, man fühlt sich gar nicht österrei¬
chisch angewehet, findet man doch fo buntes Gemisch aller Hcimath-
lichkeiten in kleinen Gruppen gesellig vereint, so daß das eigent¬
liche Banat-Heimathliche, sogar die österreichische Polizei sich bescheiden
im Hintergrunde hält, und das will viel sagen, kann auch nur durch
curpolizeiliche Rücksichten geboten und erklärlich sein, welche hier als
oberstes Gesetz über Allem walten; was konnte anch der Leber und
Galle hemmender sein im Genesungöprocesse, als polizeiliches Vorlaut-
sein; darum ist es Sanitätögrundsatz zu Karlsbad, so wenig Polizei
merken zu lassen als möglich. Allerdings gibt anch vie Gesellschaft
gar wenig Veranlassung zu polizeilicher Thätigkeit; österreichische Ba¬
degäste sind an sich wohlgeschulte Polizeikinder, die man wohl auf ei¬
nige Wochen vom Laufbande losbinden kann, sie laufen doch nicht
weiter, als die Länge des gewohnten Laufbandes reicht, und fremde
Besucher -- die Russen ausgenommen, die tragen das Polizeischloß
festgenagelt am Munde - schienen alle den Ort mit derselben Bäng¬
lichkeit betreten zu haben, die mich beim Eintritt".' beseelte, darum gehet
es so stille und geräuschlos, so gemüthlich manierlich zu, darum bil¬
den sich nur kleine Geselligkeitskreise, die von einander wenig Notiz
nehmen, darum fehlt es an einem Vereinigungspunkte gemeinsamer
Geselligkeit, dessen Abgang Herr Laube in seinem Badebenchte in der
Allgemeinen der Commune Karlsbad mit Unrecht zum Vorwurfe
macht. --


Rasch jagten die Postillone dahin; ginge Alles in Oesterreich so
rasch vorwärts wie seine Postillone, bald wäre das übrige Deutsch¬
land weit dahinten der Svnnenwirbel war im Rücken, wir durch¬
eilten schöne fruchtbare Gefilde und fuhren in dem freundlich metier
Karlsbad ein, das mir Heilung bringen sollte.

Das tiesversteckte nette Städtchen, das sich beinahe wie ein be¬
scheidenes Veilchen in tiefem Thale verbirgt, und glücklicher als man¬
cher Bescheidene, so viel, so emsig gesucht wird, macht unbeschreiblich
tröstlichen, lieblichen Eindruck, — Vom Stadtthürme trompetlich be¬
willkomm«, von freundlichen netten Mädchen empfangen, die uns am
Wagenfchlage Wohnung anboten, gings über den Markt der Wiese
zu, wo ich mich in dem niedlichen, holländisch blanken Hause in mei¬
ner kleinen, doch ganz komfortablen Wohnung so ganz behaglich, bei¬
nahe heimisch angewehet zu fühlen begann, und beinahe vergaß, ich
sei in dem gefürchteten katholisch düstern Oesterreich.

Auch ist Karlsbad gewissermaßen vull ittoriiloiüill, ein Freihafen
des Gedankens, des Jdeentausches, man fühlt sich gar nicht österrei¬
chisch angewehet, findet man doch fo buntes Gemisch aller Hcimath-
lichkeiten in kleinen Gruppen gesellig vereint, so daß das eigent¬
liche Banat-Heimathliche, sogar die österreichische Polizei sich bescheiden
im Hintergrunde hält, und das will viel sagen, kann auch nur durch
curpolizeiliche Rücksichten geboten und erklärlich sein, welche hier als
oberstes Gesetz über Allem walten; was konnte anch der Leber und
Galle hemmender sein im Genesungöprocesse, als polizeiliches Vorlaut-
sein; darum ist es Sanitätögrundsatz zu Karlsbad, so wenig Polizei
merken zu lassen als möglich. Allerdings gibt anch vie Gesellschaft
gar wenig Veranlassung zu polizeilicher Thätigkeit; österreichische Ba¬
degäste sind an sich wohlgeschulte Polizeikinder, die man wohl auf ei¬
nige Wochen vom Laufbande losbinden kann, sie laufen doch nicht
weiter, als die Länge des gewohnten Laufbandes reicht, und fremde
Besucher — die Russen ausgenommen, die tragen das Polizeischloß
festgenagelt am Munde - schienen alle den Ort mit derselben Bäng¬
lichkeit betreten zu haben, die mich beim Eintritt«.' beseelte, darum gehet
es so stille und geräuschlos, so gemüthlich manierlich zu, darum bil¬
den sich nur kleine Geselligkeitskreise, die von einander wenig Notiz
nehmen, darum fehlt es an einem Vereinigungspunkte gemeinsamer
Geselligkeit, dessen Abgang Herr Laube in seinem Badebenchte in der
Allgemeinen der Commune Karlsbad mit Unrecht zum Vorwurfe
macht. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/223>, abgerufen am 24.07.2024.