Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Segen dieser langdärmigen Weisheit gedauert hat, hätten nur wir den
Schaden nicht hinweg! Sie hatten die ausgebrochenen Zahne des
RevolutionSdrachcnS, hoffend, sie so auf immer unfruchtbar zu machen,
möglichst geschwind in Ein großes Loch geschüttet ! und siehe da, die
Saat war unter der Erde gelaufen, das alte Ungethüm quikte und
auappelte bald da bald dort lästig aus dem Boden hervor, und noch
jetzt versengen sich die Geisterbeschworer an den unvergänglichen Flam-
men allaugenblicklich die Finger. Das letzte Fieber, von welchem sicher¬
lich jede nur Halbweg verständige und eine Cultur zu verlieren habende
Nation sich ergreifen läßt, ist sicherlich das Revolutionssieber; und
ehe dieselbe im Concerte des Staatslebens ein Finale spielt, wie die
Franzosen im Jahre 1789, muß sie der Kapellmeister greulich aus dem
Takte gebracht und ihr den Fidelbogen um die Ohren geschlagen
haben.

Aber dies Helgoland war ja Dänisch, nicht Deutsch, und wurde
an England, nicht an Frankreich abgetreten: was declamirst Du uns
alte Jeremiaden gegen den wiener Eongreß her ? Wer weiß denn nicht, wie
eS eigentlich war! Die Engländer wünschten zu dem großen Roastbeef,
Norwegen, ihrem Bundesgenossen Schtveden als bereits geplatzte Kastanie
mit diplomatischer Katzenpfote aus dem Feuer gelangt, für ihre Mühe eine
kleine Fleischerzulage, dies Jnselchen Helgoland, das ihnen durch seinen
Hummer-uildSeekrabbcnsegen in die Nase stach ; und das brutatsteStück
von eingefleischtem Hochtorysmus, der hagere, klapperdürre, spindel-
beinige, lächerlich langgesichtige, wie ein verschluckter Ladestock aus¬
sehende Mylord Eaftlereagh, an dessen continentalen Defercnzen und
damit denn zur Noth auch an der gegen uns von dem eiskalten Ari¬
stokraten tief verachteten Deutschen geübten Untreue lind Malvcillance
späterhin die Nemesis mit dem eignen Rasirmesser in selbstmörderischer
Kehle Rache nahm, pikirtc sich darauf, bei seinen diplomatischen Diners
den Krebsgang der von den Völkern geträumten Segenöhoffnungen
mit Krebspasteten aus englischem Gebiete zu verherrlichen. Er ncgo-
ciirte darum (in seinen Allgen deutsches Kupfer-- gegen dänisches Sil¬
bergeld wechselnd) einen Tausch deS Lauenburgischen an Preußen, das
sogleich wieder in Aftertansch gegen schwedisch-Pommern jenen kleinen
Landstrich nebst einem Trinkgelde in Waaren an Dänemark abgab.
So wurden die Dänen wohl oder übel für Norwegen und Helgoland
entschädigt. Was das Letztere betrifft, so gehörte es ihnen nicht als
Dänen, sondern als Besitzern von Schleswig-Holstein; denn Helgo¬
land ist deutsches Land und Deutschland mußte hier abermals die ihm


Segen dieser langdärmigen Weisheit gedauert hat, hätten nur wir den
Schaden nicht hinweg! Sie hatten die ausgebrochenen Zahne des
RevolutionSdrachcnS, hoffend, sie so auf immer unfruchtbar zu machen,
möglichst geschwind in Ein großes Loch geschüttet ! und siehe da, die
Saat war unter der Erde gelaufen, das alte Ungethüm quikte und
auappelte bald da bald dort lästig aus dem Boden hervor, und noch
jetzt versengen sich die Geisterbeschworer an den unvergänglichen Flam-
men allaugenblicklich die Finger. Das letzte Fieber, von welchem sicher¬
lich jede nur Halbweg verständige und eine Cultur zu verlieren habende
Nation sich ergreifen läßt, ist sicherlich das Revolutionssieber; und
ehe dieselbe im Concerte des Staatslebens ein Finale spielt, wie die
Franzosen im Jahre 1789, muß sie der Kapellmeister greulich aus dem
Takte gebracht und ihr den Fidelbogen um die Ohren geschlagen
haben.

Aber dies Helgoland war ja Dänisch, nicht Deutsch, und wurde
an England, nicht an Frankreich abgetreten: was declamirst Du uns
alte Jeremiaden gegen den wiener Eongreß her ? Wer weiß denn nicht, wie
eS eigentlich war! Die Engländer wünschten zu dem großen Roastbeef,
Norwegen, ihrem Bundesgenossen Schtveden als bereits geplatzte Kastanie
mit diplomatischer Katzenpfote aus dem Feuer gelangt, für ihre Mühe eine
kleine Fleischerzulage, dies Jnselchen Helgoland, das ihnen durch seinen
Hummer-uildSeekrabbcnsegen in die Nase stach ; und das brutatsteStück
von eingefleischtem Hochtorysmus, der hagere, klapperdürre, spindel-
beinige, lächerlich langgesichtige, wie ein verschluckter Ladestock aus¬
sehende Mylord Eaftlereagh, an dessen continentalen Defercnzen und
damit denn zur Noth auch an der gegen uns von dem eiskalten Ari¬
stokraten tief verachteten Deutschen geübten Untreue lind Malvcillance
späterhin die Nemesis mit dem eignen Rasirmesser in selbstmörderischer
Kehle Rache nahm, pikirtc sich darauf, bei seinen diplomatischen Diners
den Krebsgang der von den Völkern geträumten Segenöhoffnungen
mit Krebspasteten aus englischem Gebiete zu verherrlichen. Er ncgo-
ciirte darum (in seinen Allgen deutsches Kupfer-- gegen dänisches Sil¬
bergeld wechselnd) einen Tausch deS Lauenburgischen an Preußen, das
sogleich wieder in Aftertansch gegen schwedisch-Pommern jenen kleinen
Landstrich nebst einem Trinkgelde in Waaren an Dänemark abgab.
So wurden die Dänen wohl oder übel für Norwegen und Helgoland
entschädigt. Was das Letztere betrifft, so gehörte es ihnen nicht als
Dänen, sondern als Besitzern von Schleswig-Holstein; denn Helgo¬
land ist deutsches Land und Deutschland mußte hier abermals die ihm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183043"/>
            <p xml:id="ID_25" prev="#ID_24"> Segen dieser langdärmigen Weisheit gedauert hat, hätten nur wir den<lb/>
Schaden nicht hinweg! Sie hatten die ausgebrochenen Zahne des<lb/>
RevolutionSdrachcnS, hoffend, sie so auf immer unfruchtbar zu machen,<lb/>
möglichst geschwind in Ein großes Loch geschüttet ! und siehe da, die<lb/>
Saat war unter der Erde gelaufen, das alte Ungethüm quikte und<lb/>
auappelte bald da bald dort lästig aus dem Boden hervor, und noch<lb/>
jetzt versengen sich die Geisterbeschworer an den unvergänglichen Flam-<lb/>
men allaugenblicklich die Finger. Das letzte Fieber, von welchem sicher¬<lb/>
lich jede nur Halbweg verständige und eine Cultur zu verlieren habende<lb/>
Nation sich ergreifen läßt, ist sicherlich das Revolutionssieber; und<lb/>
ehe dieselbe im Concerte des Staatslebens ein Finale spielt, wie die<lb/>
Franzosen im Jahre 1789, muß sie der Kapellmeister greulich aus dem<lb/>
Takte gebracht und ihr den Fidelbogen um die Ohren geschlagen<lb/>
haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_26" next="#ID_27"> Aber dies Helgoland war ja Dänisch, nicht Deutsch, und wurde<lb/>
an England, nicht an Frankreich abgetreten: was declamirst Du uns<lb/>
alte Jeremiaden gegen den wiener Eongreß her ? Wer weiß denn nicht, wie<lb/>
eS eigentlich war! Die Engländer wünschten zu dem großen Roastbeef,<lb/>
Norwegen, ihrem Bundesgenossen Schtveden als bereits geplatzte Kastanie<lb/>
mit diplomatischer Katzenpfote aus dem Feuer gelangt, für ihre Mühe eine<lb/>
kleine Fleischerzulage, dies Jnselchen Helgoland, das ihnen durch seinen<lb/>
Hummer-uildSeekrabbcnsegen in die Nase stach ; und das brutatsteStück<lb/>
von eingefleischtem Hochtorysmus, der hagere, klapperdürre, spindel-<lb/>
beinige, lächerlich langgesichtige, wie ein verschluckter Ladestock aus¬<lb/>
sehende Mylord Eaftlereagh, an dessen continentalen Defercnzen und<lb/>
damit denn zur Noth auch an der gegen uns von dem eiskalten Ari¬<lb/>
stokraten tief verachteten Deutschen geübten Untreue lind Malvcillance<lb/>
späterhin die Nemesis mit dem eignen Rasirmesser in selbstmörderischer<lb/>
Kehle Rache nahm, pikirtc sich darauf, bei seinen diplomatischen Diners<lb/>
den Krebsgang der von den Völkern geträumten Segenöhoffnungen<lb/>
mit Krebspasteten aus englischem Gebiete zu verherrlichen. Er ncgo-<lb/>
ciirte darum (in seinen Allgen deutsches Kupfer-- gegen dänisches Sil¬<lb/>
bergeld wechselnd) einen Tausch deS Lauenburgischen an Preußen, das<lb/>
sogleich wieder in Aftertansch gegen schwedisch-Pommern jenen kleinen<lb/>
Landstrich nebst einem Trinkgelde in Waaren an Dänemark abgab.<lb/>
So wurden die Dänen wohl oder übel für Norwegen und Helgoland<lb/>
entschädigt. Was das Letztere betrifft, so gehörte es ihnen nicht als<lb/>
Dänen, sondern als Besitzern von Schleswig-Holstein; denn Helgo¬<lb/>
land ist deutsches Land und Deutschland mußte hier abermals die ihm</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] Segen dieser langdärmigen Weisheit gedauert hat, hätten nur wir den Schaden nicht hinweg! Sie hatten die ausgebrochenen Zahne des RevolutionSdrachcnS, hoffend, sie so auf immer unfruchtbar zu machen, möglichst geschwind in Ein großes Loch geschüttet ! und siehe da, die Saat war unter der Erde gelaufen, das alte Ungethüm quikte und auappelte bald da bald dort lästig aus dem Boden hervor, und noch jetzt versengen sich die Geisterbeschworer an den unvergänglichen Flam- men allaugenblicklich die Finger. Das letzte Fieber, von welchem sicher¬ lich jede nur Halbweg verständige und eine Cultur zu verlieren habende Nation sich ergreifen läßt, ist sicherlich das Revolutionssieber; und ehe dieselbe im Concerte des Staatslebens ein Finale spielt, wie die Franzosen im Jahre 1789, muß sie der Kapellmeister greulich aus dem Takte gebracht und ihr den Fidelbogen um die Ohren geschlagen haben. Aber dies Helgoland war ja Dänisch, nicht Deutsch, und wurde an England, nicht an Frankreich abgetreten: was declamirst Du uns alte Jeremiaden gegen den wiener Eongreß her ? Wer weiß denn nicht, wie eS eigentlich war! Die Engländer wünschten zu dem großen Roastbeef, Norwegen, ihrem Bundesgenossen Schtveden als bereits geplatzte Kastanie mit diplomatischer Katzenpfote aus dem Feuer gelangt, für ihre Mühe eine kleine Fleischerzulage, dies Jnselchen Helgoland, das ihnen durch seinen Hummer-uildSeekrabbcnsegen in die Nase stach ; und das brutatsteStück von eingefleischtem Hochtorysmus, der hagere, klapperdürre, spindel- beinige, lächerlich langgesichtige, wie ein verschluckter Ladestock aus¬ sehende Mylord Eaftlereagh, an dessen continentalen Defercnzen und damit denn zur Noth auch an der gegen uns von dem eiskalten Ari¬ stokraten tief verachteten Deutschen geübten Untreue lind Malvcillance späterhin die Nemesis mit dem eignen Rasirmesser in selbstmörderischer Kehle Rache nahm, pikirtc sich darauf, bei seinen diplomatischen Diners den Krebsgang der von den Völkern geträumten Segenöhoffnungen mit Krebspasteten aus englischem Gebiete zu verherrlichen. Er ncgo- ciirte darum (in seinen Allgen deutsches Kupfer-- gegen dänisches Sil¬ bergeld wechselnd) einen Tausch deS Lauenburgischen an Preußen, das sogleich wieder in Aftertansch gegen schwedisch-Pommern jenen kleinen Landstrich nebst einem Trinkgelde in Waaren an Dänemark abgab. So wurden die Dänen wohl oder übel für Norwegen und Helgoland entschädigt. Was das Letztere betrifft, so gehörte es ihnen nicht als Dänen, sondern als Besitzern von Schleswig-Holstein; denn Helgo¬ land ist deutsches Land und Deutschland mußte hier abermals die ihm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/22>, abgerufen am 24.07.2024.