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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Land el" Recht gehabt und ausgeübt, i" zweifelhaften Fällen mitzu¬
sprechen, ja selbst die Thronfolge zu bestimmen, wie wir das beson¬
ders nachzuweisen gedenken. Nimmermehr aber wird die holsteinische
Ständeversammlung so wenig als die Schlcöwigsche sich das Recht
beschränken lassen, über alle Angelegenheiten des Landes, bei allen In¬
teressen des Volkes mitzusprechen und ihre Stimme protestirend oder
begehrend zu erheben. Davon werden wir in einem zweiten Artikel
den Beweis liefern können, indem wir hier nur noch den Beweis bei¬
bringen, daß das Volk bereits handelt. In einer großen Landesver-
sammlung. wozu Tausende ansässiger, mündiger Männer aus allen
Gegenden Schleswig-Holsteins, erschienen waren, und welche am 20.
Juli zu Neumünster auf offnem Markt gehalten wurde, beschloß und
unterschrieb man nachstehende Adresse, die sofort eine Deputation, be¬
stehend aus 12 Männern, den verschiedenen Gegenden des Landes an¬
gehörend, nach Itzehoe brachte und die nachgehends noch in Abschriften
in den verschiedenen Städten und Districten circulirt und unterzeich¬
net wird:

"An die hohe Ständeversammlung des Herzogthums Holstein.
Der königl. offene Brief über die Erbfolge in den Herzogtümern vom
8. Juli d. I. sowie die allerhöchste Eröffnung an die gegenwärtig
versammelte holsteinsche Ständeversammlung haben den gesammten
Rechtszustand des Landes in Frage gestellt und bei allen redlich ge¬
sinnten Einwohnern des Herzogthums die lebhafteste Besorgniß für
die Zukunft des Landes, die tiefste Aufregung hervorgerufen.

Die staatsrechtliche Selbstständigkeit der Herzogthümer ist soweit
erhaben über den Willen des Landesherrn, daß die Anerkennung der¬
selben eine Grundbedingung der landesherrlichen Gewalt ist. Die
Erbfolge in den Herzogthümern kann nicht einseitig von dem Landes-
herrn geändert werden, und die Unterthanen sind, wenn der Erdfall
eintritt, verpflichtet, dem rechtmäßigen Regierungsnachfolger zu huldi¬
gen, und nicht einem auf die Erbfolgeordnung des dänischen Königs¬
gesetzes seine Ansprüche gründenden Fürsten. Wenn der königl. offene
Brief die Erbfolge des dänischen Königsgesetzes in das Herzogthum
Schleswig einführen will, wenn er dasselbe Schicksal für das Her¬
zogthum Holstein in Allssicht stellt, wenn die allerhöchste Eröffnung
an die holsteinsche Ständeversammlung, die von dieser behauptete Ver¬
bindung der Herzogthümer nicht anerkennt, so kann diesen einseitigen
Meinungsäußerungen der fürstlichen Gewalt im Staate keine recht¬
liche Wirkung beigelegt werden. Ebenso wenig kann durch einen


Grcnzvotcn. III. l8i".

Land el» Recht gehabt und ausgeübt, i» zweifelhaften Fällen mitzu¬
sprechen, ja selbst die Thronfolge zu bestimmen, wie wir das beson¬
ders nachzuweisen gedenken. Nimmermehr aber wird die holsteinische
Ständeversammlung so wenig als die Schlcöwigsche sich das Recht
beschränken lassen, über alle Angelegenheiten des Landes, bei allen In¬
teressen des Volkes mitzusprechen und ihre Stimme protestirend oder
begehrend zu erheben. Davon werden wir in einem zweiten Artikel
den Beweis liefern können, indem wir hier nur noch den Beweis bei¬
bringen, daß das Volk bereits handelt. In einer großen Landesver-
sammlung. wozu Tausende ansässiger, mündiger Männer aus allen
Gegenden Schleswig-Holsteins, erschienen waren, und welche am 20.
Juli zu Neumünster auf offnem Markt gehalten wurde, beschloß und
unterschrieb man nachstehende Adresse, die sofort eine Deputation, be¬
stehend aus 12 Männern, den verschiedenen Gegenden des Landes an¬
gehörend, nach Itzehoe brachte und die nachgehends noch in Abschriften
in den verschiedenen Städten und Districten circulirt und unterzeich¬
net wird:

„An die hohe Ständeversammlung des Herzogthums Holstein.
Der königl. offene Brief über die Erbfolge in den Herzogtümern vom
8. Juli d. I. sowie die allerhöchste Eröffnung an die gegenwärtig
versammelte holsteinsche Ständeversammlung haben den gesammten
Rechtszustand des Landes in Frage gestellt und bei allen redlich ge¬
sinnten Einwohnern des Herzogthums die lebhafteste Besorgniß für
die Zukunft des Landes, die tiefste Aufregung hervorgerufen.

Die staatsrechtliche Selbstständigkeit der Herzogthümer ist soweit
erhaben über den Willen des Landesherrn, daß die Anerkennung der¬
selben eine Grundbedingung der landesherrlichen Gewalt ist. Die
Erbfolge in den Herzogthümern kann nicht einseitig von dem Landes-
herrn geändert werden, und die Unterthanen sind, wenn der Erdfall
eintritt, verpflichtet, dem rechtmäßigen Regierungsnachfolger zu huldi¬
gen, und nicht einem auf die Erbfolgeordnung des dänischen Königs¬
gesetzes seine Ansprüche gründenden Fürsten. Wenn der königl. offene
Brief die Erbfolge des dänischen Königsgesetzes in das Herzogthum
Schleswig einführen will, wenn er dasselbe Schicksal für das Her¬
zogthum Holstein in Allssicht stellt, wenn die allerhöchste Eröffnung
an die holsteinsche Ständeversammlung, die von dieser behauptete Ver¬
bindung der Herzogthümer nicht anerkennt, so kann diesen einseitigen
Meinungsäußerungen der fürstlichen Gewalt im Staate keine recht¬
liche Wirkung beigelegt werden. Ebenso wenig kann durch einen


Grcnzvotcn. III. l8i«.
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[0219] Land el» Recht gehabt und ausgeübt, i» zweifelhaften Fällen mitzu¬ sprechen, ja selbst die Thronfolge zu bestimmen, wie wir das beson¬ ders nachzuweisen gedenken. Nimmermehr aber wird die holsteinische Ständeversammlung so wenig als die Schlcöwigsche sich das Recht beschränken lassen, über alle Angelegenheiten des Landes, bei allen In¬ teressen des Volkes mitzusprechen und ihre Stimme protestirend oder begehrend zu erheben. Davon werden wir in einem zweiten Artikel den Beweis liefern können, indem wir hier nur noch den Beweis bei¬ bringen, daß das Volk bereits handelt. In einer großen Landesver- sammlung. wozu Tausende ansässiger, mündiger Männer aus allen Gegenden Schleswig-Holsteins, erschienen waren, und welche am 20. Juli zu Neumünster auf offnem Markt gehalten wurde, beschloß und unterschrieb man nachstehende Adresse, die sofort eine Deputation, be¬ stehend aus 12 Männern, den verschiedenen Gegenden des Landes an¬ gehörend, nach Itzehoe brachte und die nachgehends noch in Abschriften in den verschiedenen Städten und Districten circulirt und unterzeich¬ net wird: „An die hohe Ständeversammlung des Herzogthums Holstein. Der königl. offene Brief über die Erbfolge in den Herzogtümern vom 8. Juli d. I. sowie die allerhöchste Eröffnung an die gegenwärtig versammelte holsteinsche Ständeversammlung haben den gesammten Rechtszustand des Landes in Frage gestellt und bei allen redlich ge¬ sinnten Einwohnern des Herzogthums die lebhafteste Besorgniß für die Zukunft des Landes, die tiefste Aufregung hervorgerufen. Die staatsrechtliche Selbstständigkeit der Herzogthümer ist soweit erhaben über den Willen des Landesherrn, daß die Anerkennung der¬ selben eine Grundbedingung der landesherrlichen Gewalt ist. Die Erbfolge in den Herzogthümern kann nicht einseitig von dem Landes- herrn geändert werden, und die Unterthanen sind, wenn der Erdfall eintritt, verpflichtet, dem rechtmäßigen Regierungsnachfolger zu huldi¬ gen, und nicht einem auf die Erbfolgeordnung des dänischen Königs¬ gesetzes seine Ansprüche gründenden Fürsten. Wenn der königl. offene Brief die Erbfolge des dänischen Königsgesetzes in das Herzogthum Schleswig einführen will, wenn er dasselbe Schicksal für das Her¬ zogthum Holstein in Allssicht stellt, wenn die allerhöchste Eröffnung an die holsteinsche Ständeversammlung, die von dieser behauptete Ver¬ bindung der Herzogthümer nicht anerkennt, so kann diesen einseitigen Meinungsäußerungen der fürstlichen Gewalt im Staate keine recht¬ liche Wirkung beigelegt werden. Ebenso wenig kann durch einen Grcnzvotcn. III. l8i«.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/219>, abgerufen am 24.07.2024.