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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Dänemark vorstellig gemacht habe, zumal man aus desfallsigen Unter-
handlungen merkwürdige Dinge erzählt von der historischen und geo¬
graphischen Unkunde mit dem Herzogthum Schleswig, besonders Sei-
tens des französischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten des
Herrn Guizot. Wenn in", auch England und Fraukreich, wo es,
wie hier, auf die Schwächung Deutschlands ankommt, mit Nußland
übereinstimmen mögen, so darf Deutschland, dürfen die deutschen
Mächte, doch nimmer ihr gutes Recht aufgeben, müssen deutsche Für¬
sten und Volk um so wachsamer sein, je größer die Gefahr ist. Deutsch¬
land aber hat ein Recht auf Schleswig, denn Schleswig gehörte ehe¬
mals zum deutschen Reiche, Schleswig ist unzertrennlich mit dem deut¬
schen Bundcslcmde Holstein vereint, gehört dem jedesmaligen Herzog
von Holstein. Deutschland würde es hoffentlich nicht dulden, wenn
Nußland Ostpreußen, das gleichfalls nicht Bundesland ist, an sich
reißen wollte; ebenso wenig aber darf Deutschland es dulden, daß
Dänemark Schleswig an sich reißen will und Nußland, England und
Frankreich es ihm schenken wollen.

In dem offnen. Briefe ist noch davon die Rede, daß mit Rücksicht
auf einzelne Theile des Herzogthums Holstein Verhältnisse obwalten,
welche annoch die Feststellung des dänischen Erbrechts auch in diesen
Theilen verhindern. Damit sind keine andern Theile gemeint als die¬
jenigen, welche früher Herzoglich-Gottorfisch waren und später gegen
Oldenburg ausgetauscht worden sind. Da verhält es sich nun unge¬
fähr so, wie mit der Verzichtleistung Rußlands auf Schleswig) aber
hier möchte Nußland wohl nicht so bereitwillig Verzicht leisten, denn
es bietet sich hier Gelegenheit für Nußland dar, Mitglied des deut¬
schen Bundes zu werden, also auf directe Weife Deutschlands Geschick
mit zu bestimmen, worauf es indirect leider schon zu viel Einfluß übt.
Die Einwohner dieser Theile Holsteins hätten also die Aussicht russisch
zu werden, und Dentschland hätte die Aussicht Rußland zum Bun¬
desmitglied zu erhalten, wein: nicht die Bevölkerung Holsteins bei
Zeiten sich dagegen zu verwahren sucht und Deutschland ihr ernstliche
Hilfe leistet. Die Bevölkerung Holsteins nicht allein, sondern ganz
Schleswig-Holsteins ist bereits wach, sucht bereits alle Angriffe von
Norden, Osten und Westen abzuwehreni möge ihr denn nur bald die
mächtige Hilfe sämmtlicher deutscher Fürsten und Völker werden!
Man ficht aber aus dem Dargestellten, daß es in der That ein
Kampf ist der drei deutschen Herzogthümer Schleswig, Holstein und
Lauenburg, nicht blos gegen Dänemark allein, sondern, wie nur in der


Dänemark vorstellig gemacht habe, zumal man aus desfallsigen Unter-
handlungen merkwürdige Dinge erzählt von der historischen und geo¬
graphischen Unkunde mit dem Herzogthum Schleswig, besonders Sei-
tens des französischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten des
Herrn Guizot. Wenn in», auch England und Fraukreich, wo es,
wie hier, auf die Schwächung Deutschlands ankommt, mit Nußland
übereinstimmen mögen, so darf Deutschland, dürfen die deutschen
Mächte, doch nimmer ihr gutes Recht aufgeben, müssen deutsche Für¬
sten und Volk um so wachsamer sein, je größer die Gefahr ist. Deutsch¬
land aber hat ein Recht auf Schleswig, denn Schleswig gehörte ehe¬
mals zum deutschen Reiche, Schleswig ist unzertrennlich mit dem deut¬
schen Bundcslcmde Holstein vereint, gehört dem jedesmaligen Herzog
von Holstein. Deutschland würde es hoffentlich nicht dulden, wenn
Nußland Ostpreußen, das gleichfalls nicht Bundesland ist, an sich
reißen wollte; ebenso wenig aber darf Deutschland es dulden, daß
Dänemark Schleswig an sich reißen will und Nußland, England und
Frankreich es ihm schenken wollen.

In dem offnen. Briefe ist noch davon die Rede, daß mit Rücksicht
auf einzelne Theile des Herzogthums Holstein Verhältnisse obwalten,
welche annoch die Feststellung des dänischen Erbrechts auch in diesen
Theilen verhindern. Damit sind keine andern Theile gemeint als die¬
jenigen, welche früher Herzoglich-Gottorfisch waren und später gegen
Oldenburg ausgetauscht worden sind. Da verhält es sich nun unge¬
fähr so, wie mit der Verzichtleistung Rußlands auf Schleswig) aber
hier möchte Nußland wohl nicht so bereitwillig Verzicht leisten, denn
es bietet sich hier Gelegenheit für Nußland dar, Mitglied des deut¬
schen Bundes zu werden, also auf directe Weife Deutschlands Geschick
mit zu bestimmen, worauf es indirect leider schon zu viel Einfluß übt.
Die Einwohner dieser Theile Holsteins hätten also die Aussicht russisch
zu werden, und Dentschland hätte die Aussicht Rußland zum Bun¬
desmitglied zu erhalten, wein: nicht die Bevölkerung Holsteins bei
Zeiten sich dagegen zu verwahren sucht und Deutschland ihr ernstliche
Hilfe leistet. Die Bevölkerung Holsteins nicht allein, sondern ganz
Schleswig-Holsteins ist bereits wach, sucht bereits alle Angriffe von
Norden, Osten und Westen abzuwehreni möge ihr denn nur bald die
mächtige Hilfe sämmtlicher deutscher Fürsten und Völker werden!
Man ficht aber aus dem Dargestellten, daß es in der That ein
Kampf ist der drei deutschen Herzogthümer Schleswig, Holstein und
Lauenburg, nicht blos gegen Dänemark allein, sondern, wie nur in der


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[0216] Dänemark vorstellig gemacht habe, zumal man aus desfallsigen Unter- handlungen merkwürdige Dinge erzählt von der historischen und geo¬ graphischen Unkunde mit dem Herzogthum Schleswig, besonders Sei- tens des französischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten des Herrn Guizot. Wenn in», auch England und Fraukreich, wo es, wie hier, auf die Schwächung Deutschlands ankommt, mit Nußland übereinstimmen mögen, so darf Deutschland, dürfen die deutschen Mächte, doch nimmer ihr gutes Recht aufgeben, müssen deutsche Für¬ sten und Volk um so wachsamer sein, je größer die Gefahr ist. Deutsch¬ land aber hat ein Recht auf Schleswig, denn Schleswig gehörte ehe¬ mals zum deutschen Reiche, Schleswig ist unzertrennlich mit dem deut¬ schen Bundcslcmde Holstein vereint, gehört dem jedesmaligen Herzog von Holstein. Deutschland würde es hoffentlich nicht dulden, wenn Nußland Ostpreußen, das gleichfalls nicht Bundesland ist, an sich reißen wollte; ebenso wenig aber darf Deutschland es dulden, daß Dänemark Schleswig an sich reißen will und Nußland, England und Frankreich es ihm schenken wollen. In dem offnen. Briefe ist noch davon die Rede, daß mit Rücksicht auf einzelne Theile des Herzogthums Holstein Verhältnisse obwalten, welche annoch die Feststellung des dänischen Erbrechts auch in diesen Theilen verhindern. Damit sind keine andern Theile gemeint als die¬ jenigen, welche früher Herzoglich-Gottorfisch waren und später gegen Oldenburg ausgetauscht worden sind. Da verhält es sich nun unge¬ fähr so, wie mit der Verzichtleistung Rußlands auf Schleswig) aber hier möchte Nußland wohl nicht so bereitwillig Verzicht leisten, denn es bietet sich hier Gelegenheit für Nußland dar, Mitglied des deut¬ schen Bundes zu werden, also auf directe Weife Deutschlands Geschick mit zu bestimmen, worauf es indirect leider schon zu viel Einfluß übt. Die Einwohner dieser Theile Holsteins hätten also die Aussicht russisch zu werden, und Dentschland hätte die Aussicht Rußland zum Bun¬ desmitglied zu erhalten, wein: nicht die Bevölkerung Holsteins bei Zeiten sich dagegen zu verwahren sucht und Deutschland ihr ernstliche Hilfe leistet. Die Bevölkerung Holsteins nicht allein, sondern ganz Schleswig-Holsteins ist bereits wach, sucht bereits alle Angriffe von Norden, Osten und Westen abzuwehreni möge ihr denn nur bald die mächtige Hilfe sämmtlicher deutscher Fürsten und Völker werden! Man ficht aber aus dem Dargestellten, daß es in der That ein Kampf ist der drei deutschen Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, nicht blos gegen Dänemark allein, sondern, wie nur in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/216>, abgerufen am 24.07.2024.