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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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zu prosperiren denken, einen wesentlichen Dienst wenn sie solche Man^
gel ohne Rückhalt besprechen j die Toleranz unseres Jahrhunderts darf
sich, weder in öffentlichen noch im Privatleben, auf keinen Gegenstand
erstrecken, wo der Mensch sein Geld zahlen muß, ohne den Geldes¬
werth zu erlangen.

Auf ein hundert und einigen achtzig breiten, bequemen, eine Mehr
zohl neben einander hin und her Wandernder aus's Merwünschens-
wertheste durchlassenden und an den durch die Gestaltung des Felsens
von selbst gebotenen Absätzen erfreuliche Punkte zum Ausruhen und
Umsehen gewährenden Stufen steigt man aus dem Unterlandc in's
Oberland, das Plateau des Hocheilandes und die eigentliche Stadt
desselben, empor. Diese mit Eisen in den Boden gefügte und an einem
vollständig schützenden Eisengeländer sich schneckenförmig zwischen Fels¬
wänden aufwindende, aus starken Eisenbohlen bestehende Treppe, welche,
aus's Jnteressanteste an ähnliche romantische Steiggelegenheiten in
Thros, Südfrankretch und Piemont erinnert, ist von den Engländern
angelegt, welche bekanntlich die den Dänen in den napoleomschen
Kriegszeiten I8V8 abgenommene Insel im kieler Frieden von 1814
behalten haben. Dieser Besitz, an sich voll keinem außerordentlichen
Belange, ist gleichwohl unter die Unbilden zu rechnen, welche deut-
sches Volk und Gefild in jener Werdezeit der europäischen Verhält-
nisse durch den Leichtsinn und die epikureische Zufallstheorie der deut¬
schen Diplomatik erlitten haben. Ist auch Helgoland kein Gibraltar,
so muß man doch diese Einnistung der Engländer am Ausflusse der
Eyder für die Seefahrt wichtigsten Ströme Deutschlands eine gleiche
Schmach nennen, als sie mit Wegnahme jenes südlichen Felsenhorstes
den: Nationalgefühle der Spanier angethan worden. Aber wie hätte
deutsches Nationalgefühl sich auf die diplomatischen Tanzböden der
Jahre 1814 und 1815 verirren sollen! Die Fciglingsangst vor
dem doch grade durch Niemand energischer al'6 durch Napoleon ab¬
gethanen Revolutionsgeiste und der pommadirte Dünkel, solchen un^
ebenbürtigen Erdensohn, der ihnen gleichwohl noch einen höchst
verhängnißvollen Kehraus ausspielen sollte, aus der Reihe der
sublimen und Legitimen losgeworden zu sein, bethörte die kurz¬
sichtigen, lediglich mit Privilegienstaub und Rechnungszählen ausge¬
fütterten Kanzleigehirne, daß sie unbesehen das Köstlichste des Vater¬
landes, geschweige denn solch eine Lappalie, wie jenes Jnselchen war,
in die Ritzen stopften, ans welchen sie die Revolutionsfluth immer
neu hervorbrechen zu sehen fürchteten. Wir wissen alle, wie kurz der


zu prosperiren denken, einen wesentlichen Dienst wenn sie solche Man^
gel ohne Rückhalt besprechen j die Toleranz unseres Jahrhunderts darf
sich, weder in öffentlichen noch im Privatleben, auf keinen Gegenstand
erstrecken, wo der Mensch sein Geld zahlen muß, ohne den Geldes¬
werth zu erlangen.

Auf ein hundert und einigen achtzig breiten, bequemen, eine Mehr
zohl neben einander hin und her Wandernder aus's Merwünschens-
wertheste durchlassenden und an den durch die Gestaltung des Felsens
von selbst gebotenen Absätzen erfreuliche Punkte zum Ausruhen und
Umsehen gewährenden Stufen steigt man aus dem Unterlandc in's
Oberland, das Plateau des Hocheilandes und die eigentliche Stadt
desselben, empor. Diese mit Eisen in den Boden gefügte und an einem
vollständig schützenden Eisengeländer sich schneckenförmig zwischen Fels¬
wänden aufwindende, aus starken Eisenbohlen bestehende Treppe, welche,
aus's Jnteressanteste an ähnliche romantische Steiggelegenheiten in
Thros, Südfrankretch und Piemont erinnert, ist von den Engländern
angelegt, welche bekanntlich die den Dänen in den napoleomschen
Kriegszeiten I8V8 abgenommene Insel im kieler Frieden von 1814
behalten haben. Dieser Besitz, an sich voll keinem außerordentlichen
Belange, ist gleichwohl unter die Unbilden zu rechnen, welche deut-
sches Volk und Gefild in jener Werdezeit der europäischen Verhält-
nisse durch den Leichtsinn und die epikureische Zufallstheorie der deut¬
schen Diplomatik erlitten haben. Ist auch Helgoland kein Gibraltar,
so muß man doch diese Einnistung der Engländer am Ausflusse der
Eyder für die Seefahrt wichtigsten Ströme Deutschlands eine gleiche
Schmach nennen, als sie mit Wegnahme jenes südlichen Felsenhorstes
den: Nationalgefühle der Spanier angethan worden. Aber wie hätte
deutsches Nationalgefühl sich auf die diplomatischen Tanzböden der
Jahre 1814 und 1815 verirren sollen! Die Fciglingsangst vor
dem doch grade durch Niemand energischer al'6 durch Napoleon ab¬
gethanen Revolutionsgeiste und der pommadirte Dünkel, solchen un^
ebenbürtigen Erdensohn, der ihnen gleichwohl noch einen höchst
verhängnißvollen Kehraus ausspielen sollte, aus der Reihe der
sublimen und Legitimen losgeworden zu sein, bethörte die kurz¬
sichtigen, lediglich mit Privilegienstaub und Rechnungszählen ausge¬
fütterten Kanzleigehirne, daß sie unbesehen das Köstlichste des Vater¬
landes, geschweige denn solch eine Lappalie, wie jenes Jnselchen war,
in die Ritzen stopften, ans welchen sie die Revolutionsfluth immer
neu hervorbrechen zu sehen fürchteten. Wir wissen alle, wie kurz der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/21>, abgerufen am 24.07.2024.