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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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geht, einer allzugroßen Oeffentlichkeit entziehen. Vergleicht man das
Beamtcnelement anderer Staaten mit dem preußischen, so wird man
gestehen müssen, daß sich in dem letztern jedenfalls die größte Thätig¬
keit zeigt und daß es der großen Verantwortlichkeit, welche es auf sich
genommen und welcher es, ohne Mitwirkung der Nation, in der be¬
sondern Sphäre nachzukommen sucht, eben in soweit zu erfüllen bemüht
ist, wie es dieselbe erfüllen kann. Die Bureaukratie setzt es als ihr
Recht voraus, das Volk zu vertreten und zu regieren, der Liberalis¬
mus greift diese Voraussetzung der preußischen Bureaukratie mit mehr
oder minder richtigen Grundsätzen an; läßt man aber einmal diese
Voraussetzung auf sich beruhen und betrachtet alsdann die Thätigkeit
der preußischen Bureaukratie, dann wird sich in ihr noch manches
Tüchtige entdecken lassen. In den bureaukratischen Kreisen an der
Berechtigung der Bureaukratie zweifeln, sich gegen ihre Autorität er¬
klären, das Volk nicht als einen Stoff betrachten, der durch den Be¬
amten gestaltet werden muß, heißt dort ebenso viel, als die Monar¬
chie angreifen; dem: in der Bureaukratie ist es eine traditionelle
Ueberlieferung, daß eben durch das Beamtenthum der Staat so groß
und so mächtig geworden. Die hohem Kreisen der Bureaukratie wer¬
den durch den Adel erfüllt. Allerdings hat er kein ausschließliches
Recht auf die hohen Sraatöchargen und es ist auch den Beamten
bürgerlichen Herkommens der Weg zu ihnen nicht versperrt, sie wer¬
den dann aber nur sehr häufig geadelt oder auf andere Weise mit
dem Interesse der Aristokratie verbunden. Wenn das Beamtenthum
oben eine aristokratische Färbung nimmt, so ist es nach unten durch¬
aus bürgerlich, ohne sich aber mit dem Volke als Eins und dasselbe zu
fühlen. In der Bourgeoisie Berlins läßt sich hier und da eine liberale
Reaction gegen die Macht der Bureaukratie erkennen, die Masse verhält
sich zu derselben ganz willenlos und gläubig, zuweilen brutal-wider¬
setzlich. Ein sehr strenges Urtheil über die Wirksamkeit der Beamten
wurde vor einigen Jahren in der "Leipz. Mg. Ztg.", in den "Ein-
And Zwanzig Bogen", in der "Rhein. Ztg." gefällt. ES mag hier aber
immer noch einen Platz verdienen: "Als das erste Grundprincip sei¬
ner Amtsthätigkeit betrachtet der Beamte zunächst sein eigenes Wohl,
d. h. seine Beförderung. Auf dieses Ziel, das er unverrückt im Auge
behält, ist sein ganzes Streben gerichtet. Er hält diese Tendenz so¬
gar für die erste seiner Pflichten, wenn er sie von oben herab sanctio-
mrt steht. Insofern nun aber diese Beförderung, sowie überhaupt das
ganze zeitliche Wohl eines jeden Beamten nur allein in der Hand


geht, einer allzugroßen Oeffentlichkeit entziehen. Vergleicht man das
Beamtcnelement anderer Staaten mit dem preußischen, so wird man
gestehen müssen, daß sich in dem letztern jedenfalls die größte Thätig¬
keit zeigt und daß es der großen Verantwortlichkeit, welche es auf sich
genommen und welcher es, ohne Mitwirkung der Nation, in der be¬
sondern Sphäre nachzukommen sucht, eben in soweit zu erfüllen bemüht
ist, wie es dieselbe erfüllen kann. Die Bureaukratie setzt es als ihr
Recht voraus, das Volk zu vertreten und zu regieren, der Liberalis¬
mus greift diese Voraussetzung der preußischen Bureaukratie mit mehr
oder minder richtigen Grundsätzen an; läßt man aber einmal diese
Voraussetzung auf sich beruhen und betrachtet alsdann die Thätigkeit
der preußischen Bureaukratie, dann wird sich in ihr noch manches
Tüchtige entdecken lassen. In den bureaukratischen Kreisen an der
Berechtigung der Bureaukratie zweifeln, sich gegen ihre Autorität er¬
klären, das Volk nicht als einen Stoff betrachten, der durch den Be¬
amten gestaltet werden muß, heißt dort ebenso viel, als die Monar¬
chie angreifen; dem: in der Bureaukratie ist es eine traditionelle
Ueberlieferung, daß eben durch das Beamtenthum der Staat so groß
und so mächtig geworden. Die hohem Kreisen der Bureaukratie wer¬
den durch den Adel erfüllt. Allerdings hat er kein ausschließliches
Recht auf die hohen Sraatöchargen und es ist auch den Beamten
bürgerlichen Herkommens der Weg zu ihnen nicht versperrt, sie wer¬
den dann aber nur sehr häufig geadelt oder auf andere Weise mit
dem Interesse der Aristokratie verbunden. Wenn das Beamtenthum
oben eine aristokratische Färbung nimmt, so ist es nach unten durch¬
aus bürgerlich, ohne sich aber mit dem Volke als Eins und dasselbe zu
fühlen. In der Bourgeoisie Berlins läßt sich hier und da eine liberale
Reaction gegen die Macht der Bureaukratie erkennen, die Masse verhält
sich zu derselben ganz willenlos und gläubig, zuweilen brutal-wider¬
setzlich. Ein sehr strenges Urtheil über die Wirksamkeit der Beamten
wurde vor einigen Jahren in der „Leipz. Mg. Ztg.", in den „Ein-
And Zwanzig Bogen", in der „Rhein. Ztg." gefällt. ES mag hier aber
immer noch einen Platz verdienen: „Als das erste Grundprincip sei¬
ner Amtsthätigkeit betrachtet der Beamte zunächst sein eigenes Wohl,
d. h. seine Beförderung. Auf dieses Ziel, das er unverrückt im Auge
behält, ist sein ganzes Streben gerichtet. Er hält diese Tendenz so¬
gar für die erste seiner Pflichten, wenn er sie von oben herab sanctio-
mrt steht. Insofern nun aber diese Beförderung, sowie überhaupt das
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[0204] geht, einer allzugroßen Oeffentlichkeit entziehen. Vergleicht man das Beamtcnelement anderer Staaten mit dem preußischen, so wird man gestehen müssen, daß sich in dem letztern jedenfalls die größte Thätig¬ keit zeigt und daß es der großen Verantwortlichkeit, welche es auf sich genommen und welcher es, ohne Mitwirkung der Nation, in der be¬ sondern Sphäre nachzukommen sucht, eben in soweit zu erfüllen bemüht ist, wie es dieselbe erfüllen kann. Die Bureaukratie setzt es als ihr Recht voraus, das Volk zu vertreten und zu regieren, der Liberalis¬ mus greift diese Voraussetzung der preußischen Bureaukratie mit mehr oder minder richtigen Grundsätzen an; läßt man aber einmal diese Voraussetzung auf sich beruhen und betrachtet alsdann die Thätigkeit der preußischen Bureaukratie, dann wird sich in ihr noch manches Tüchtige entdecken lassen. In den bureaukratischen Kreisen an der Berechtigung der Bureaukratie zweifeln, sich gegen ihre Autorität er¬ klären, das Volk nicht als einen Stoff betrachten, der durch den Be¬ amten gestaltet werden muß, heißt dort ebenso viel, als die Monar¬ chie angreifen; dem: in der Bureaukratie ist es eine traditionelle Ueberlieferung, daß eben durch das Beamtenthum der Staat so groß und so mächtig geworden. Die hohem Kreisen der Bureaukratie wer¬ den durch den Adel erfüllt. Allerdings hat er kein ausschließliches Recht auf die hohen Sraatöchargen und es ist auch den Beamten bürgerlichen Herkommens der Weg zu ihnen nicht versperrt, sie wer¬ den dann aber nur sehr häufig geadelt oder auf andere Weise mit dem Interesse der Aristokratie verbunden. Wenn das Beamtenthum oben eine aristokratische Färbung nimmt, so ist es nach unten durch¬ aus bürgerlich, ohne sich aber mit dem Volke als Eins und dasselbe zu fühlen. In der Bourgeoisie Berlins läßt sich hier und da eine liberale Reaction gegen die Macht der Bureaukratie erkennen, die Masse verhält sich zu derselben ganz willenlos und gläubig, zuweilen brutal-wider¬ setzlich. Ein sehr strenges Urtheil über die Wirksamkeit der Beamten wurde vor einigen Jahren in der „Leipz. Mg. Ztg.", in den „Ein- And Zwanzig Bogen", in der „Rhein. Ztg." gefällt. ES mag hier aber immer noch einen Platz verdienen: „Als das erste Grundprincip sei¬ ner Amtsthätigkeit betrachtet der Beamte zunächst sein eigenes Wohl, d. h. seine Beförderung. Auf dieses Ziel, das er unverrückt im Auge behält, ist sein ganzes Streben gerichtet. Er hält diese Tendenz so¬ gar für die erste seiner Pflichten, wenn er sie von oben herab sanctio- mrt steht. Insofern nun aber diese Beförderung, sowie überhaupt das ganze zeitliche Wohl eines jeden Beamten nur allein in der Hand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/204>, abgerufen am 24.07.2024.