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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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In neuerer Zeit ist neben dem historischen Elemente anch noch ein
christliches Element auf dem preußischen Rechtsgebiete zum Vorschein
gekommen. Die Reaction dagegen ist nicht ausgeblieben und hat sich
sowohl in der Presse, als anderswo vielfach und sehr lebendig aus¬
gesprochen.

Einen sehr großen Einfluß und eine vielseitige Verbreitung hat
in Berlin überhaupt das büreaukratische Element. Es ist jedoch in
letzterer Zeit manchen Anfechtungen ausgesetzt worden. In der bür¬
gerlichen Welt und in der Presse glaubte der Liberalismus sich ganz
besonders gegen die Beamtenbevormnndung erklären zu müssen. Von
oben reagirte das System des Königs, ver Wille seiner Persönlichkeit
mannichfach gegen den kalten, preußischen Beamtenstaat. Von dem
Liberalismus pflegt die preußische Bureaukratie als eine Kaste darge¬
stellt zu werden, die den Willen des Königs hemmt, die dem Volke
feindlich gegenübersteht und die unablässig bemüht ist, jede freie Ent¬
wickelung freier Zustände zurückzuhalten. Der Beamtenregierung ge¬
genüber wird dann mit einem fremden Ausdrucke "oll-Anveiuomvut
gefordert und dabei vielfach auf England verwiesen, ohne daß man
zu bemerken scheint, wie das Beamtenwesen sich bei uns, den ursprüng¬
lichen Freiheiten der Nation gegenüber, immer ausgedehnter entwickelt.
Wenn die preußische Bureaukratie aber auch keine ganz abgeschlossene
Kaste ist, da sie sich aus der ganzen Nation emporhebt, so hat sie sich
doch eine ganz eigenthümliche Sphäre geschaffen, in der sie allerdings
mannichfach als ein Gegensatz des Volkes erscheint, während sie sich
bemüht, dasselbe zu repräsentiren. Das Volk selber drängt und strebt
fortwährend der bureaukratischen Sphäre entgegen und sucht in die¬
selbe einzutreten und so kommt es denn, daß die preußische Bureau¬
kratie die verschiedensten Grade von Talent, wissenschaftlicher Bildung,
Erfahrung und Intelligenz in sich vereinigt. In Berlin, als der Re¬
sidenz, als dem Centralpunkte des ganzen Staates, ist dieses natürlich,
vor allen andern Orten, der Fall und in den bureaukratischen Kreisen
Berlin's findet die berliner Intelligenz nach allen Richtungen hin
ihre bedeutsamsten Repräsentanten. Da die Bureaukratie aus dem
Volke hervorgeht, so findet man sie auch von all den verschiedenen
Wünschen, Vorurtheilen, Leidenschaften und Ansprüchen durchdrungen,
welche sich in den verschiedenen Volksklassen geltend machen und welche
eben die Bewegung des Volkes veranlassen, aber trotzdem schließt sich
das büreaukratische Element als etwas Besonderes zusammen und
kann auf diese Weise den Kampf, der in seinem eigenen Innern vor-


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In neuerer Zeit ist neben dem historischen Elemente anch noch ein
christliches Element auf dem preußischen Rechtsgebiete zum Vorschein
gekommen. Die Reaction dagegen ist nicht ausgeblieben und hat sich
sowohl in der Presse, als anderswo vielfach und sehr lebendig aus¬
gesprochen.

Einen sehr großen Einfluß und eine vielseitige Verbreitung hat
in Berlin überhaupt das büreaukratische Element. Es ist jedoch in
letzterer Zeit manchen Anfechtungen ausgesetzt worden. In der bür¬
gerlichen Welt und in der Presse glaubte der Liberalismus sich ganz
besonders gegen die Beamtenbevormnndung erklären zu müssen. Von
oben reagirte das System des Königs, ver Wille seiner Persönlichkeit
mannichfach gegen den kalten, preußischen Beamtenstaat. Von dem
Liberalismus pflegt die preußische Bureaukratie als eine Kaste darge¬
stellt zu werden, die den Willen des Königs hemmt, die dem Volke
feindlich gegenübersteht und die unablässig bemüht ist, jede freie Ent¬
wickelung freier Zustände zurückzuhalten. Der Beamtenregierung ge¬
genüber wird dann mit einem fremden Ausdrucke «oll-Anveiuomvut
gefordert und dabei vielfach auf England verwiesen, ohne daß man
zu bemerken scheint, wie das Beamtenwesen sich bei uns, den ursprüng¬
lichen Freiheiten der Nation gegenüber, immer ausgedehnter entwickelt.
Wenn die preußische Bureaukratie aber auch keine ganz abgeschlossene
Kaste ist, da sie sich aus der ganzen Nation emporhebt, so hat sie sich
doch eine ganz eigenthümliche Sphäre geschaffen, in der sie allerdings
mannichfach als ein Gegensatz des Volkes erscheint, während sie sich
bemüht, dasselbe zu repräsentiren. Das Volk selber drängt und strebt
fortwährend der bureaukratischen Sphäre entgegen und sucht in die¬
selbe einzutreten und so kommt es denn, daß die preußische Bureau¬
kratie die verschiedensten Grade von Talent, wissenschaftlicher Bildung,
Erfahrung und Intelligenz in sich vereinigt. In Berlin, als der Re¬
sidenz, als dem Centralpunkte des ganzen Staates, ist dieses natürlich,
vor allen andern Orten, der Fall und in den bureaukratischen Kreisen
Berlin's findet die berliner Intelligenz nach allen Richtungen hin
ihre bedeutsamsten Repräsentanten. Da die Bureaukratie aus dem
Volke hervorgeht, so findet man sie auch von all den verschiedenen
Wünschen, Vorurtheilen, Leidenschaften und Ansprüchen durchdrungen,
welche sich in den verschiedenen Volksklassen geltend machen und welche
eben die Bewegung des Volkes veranlassen, aber trotzdem schließt sich
das büreaukratische Element als etwas Besonderes zusammen und
kann auf diese Weise den Kampf, der in seinem eigenen Innern vor-


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[0203] In neuerer Zeit ist neben dem historischen Elemente anch noch ein christliches Element auf dem preußischen Rechtsgebiete zum Vorschein gekommen. Die Reaction dagegen ist nicht ausgeblieben und hat sich sowohl in der Presse, als anderswo vielfach und sehr lebendig aus¬ gesprochen. Einen sehr großen Einfluß und eine vielseitige Verbreitung hat in Berlin überhaupt das büreaukratische Element. Es ist jedoch in letzterer Zeit manchen Anfechtungen ausgesetzt worden. In der bür¬ gerlichen Welt und in der Presse glaubte der Liberalismus sich ganz besonders gegen die Beamtenbevormnndung erklären zu müssen. Von oben reagirte das System des Königs, ver Wille seiner Persönlichkeit mannichfach gegen den kalten, preußischen Beamtenstaat. Von dem Liberalismus pflegt die preußische Bureaukratie als eine Kaste darge¬ stellt zu werden, die den Willen des Königs hemmt, die dem Volke feindlich gegenübersteht und die unablässig bemüht ist, jede freie Ent¬ wickelung freier Zustände zurückzuhalten. Der Beamtenregierung ge¬ genüber wird dann mit einem fremden Ausdrucke «oll-Anveiuomvut gefordert und dabei vielfach auf England verwiesen, ohne daß man zu bemerken scheint, wie das Beamtenwesen sich bei uns, den ursprüng¬ lichen Freiheiten der Nation gegenüber, immer ausgedehnter entwickelt. Wenn die preußische Bureaukratie aber auch keine ganz abgeschlossene Kaste ist, da sie sich aus der ganzen Nation emporhebt, so hat sie sich doch eine ganz eigenthümliche Sphäre geschaffen, in der sie allerdings mannichfach als ein Gegensatz des Volkes erscheint, während sie sich bemüht, dasselbe zu repräsentiren. Das Volk selber drängt und strebt fortwährend der bureaukratischen Sphäre entgegen und sucht in die¬ selbe einzutreten und so kommt es denn, daß die preußische Bureau¬ kratie die verschiedensten Grade von Talent, wissenschaftlicher Bildung, Erfahrung und Intelligenz in sich vereinigt. In Berlin, als der Re¬ sidenz, als dem Centralpunkte des ganzen Staates, ist dieses natürlich, vor allen andern Orten, der Fall und in den bureaukratischen Kreisen Berlin's findet die berliner Intelligenz nach allen Richtungen hin ihre bedeutsamsten Repräsentanten. Da die Bureaukratie aus dem Volke hervorgeht, so findet man sie auch von all den verschiedenen Wünschen, Vorurtheilen, Leidenschaften und Ansprüchen durchdrungen, welche sich in den verschiedenen Volksklassen geltend machen und welche eben die Bewegung des Volkes veranlassen, aber trotzdem schließt sich das büreaukratische Element als etwas Besonderes zusammen und kann auf diese Weise den Kampf, der in seinem eigenen Innern vor- ,V«nMm. M. !Sit-. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/203>, abgerufen am 24.07.2024.