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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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sich, auf den höheren Stufen des Lebens, im Kampfe der Parteien
und Principien geltend macht. Diese Elektricität verpufft sich noch
immer mehr in besondern Sphären, als daß sie den ganzen Volkszu¬
stand belebend durchströmte. Es hemmen hier nicht blos die innern
Schwächen unserer Parteien, es hemmen hier noch mehr die polizeili¬
chen Maßregeln. Wo eine Partei nicht durch ihre innere Schwäche,
durch ihren sie selbstvcrnichtenden Egoismus von der Masse abge¬
schnitten wird, da wird sie es sicher durch die politischen, durch die
polizeilichen Mächte und was auch geschieht, die Klust zwischen oben
und unten, selbst zwischen dem Unten und der Mitte auszufüllen, sie
läßt sich, allen Bemühungen ungeachtet, immer wieder erkennen.

Von einer strengmonarchisch gesinnten Partei, wie es ja zuweilen
in der Tagespresse geschieht, kann in Preußen, speciell in Berlin ei¬
gentlich gar nicht geredet werden. Die Macht des monarchischen Prin¬
cipes beruht nicht in einer Partei, sondern in dem ganzen historischen,
factischen und rechtlichen Zustande der Dinge. In allen Institu¬
tionen des Staates findet es seinen Ausdruck und seine Stützen, orga-
nisirt wird es durch die bureaukratischen und militärischen Kräfte von
oben nach unten zu, hier wird es durch die Sympathien, dort durch
den politischen Jndifferentismus des Volkes befestigt. Diejenige Ge¬
staltung des monarchischen Princips, welche namentlich in Friedrich
Wilhelm IV. ihren Repräsentanten gefunden, wird mit Recht als das
System des christlich germanischen Staates bezeichnet. Um es voll¬
ständig zu begreifen, muß man auch diejenige Richtung, welche sich
als die Entwickelung des freien Geistes im Kampfe gegen das Chri¬
stenthum darstellte, in Betrachtung ziehen, so wie auch den Andrang
des politisch liberalen Elementes gegen den absolut monarchischen
Charakter des preußischen Staates. Das System deö Königs steht
auf der scharfen Grenzscheide zwischen dem alten historischen Preu¬
ßen und einem neuen Preußen. Es versucht sich an der Vermittlung
der Gegensätze. Nirgends in Europa wird das monarchische Regie-
rungsprincip innerlich so tief bewegt, wie in Preußen und nirgends
hat es deshalb auch eine so scharfe Kritik e> fahren.

Den Angriffen, welchen die herrschende Macht der preußischen
Politik sich fortwährend ausgesetzt sieht, stehen die Stützen un dVerthei-
diger derselben gegenüber und nur mit einer Charakteristik dieser Ver¬
theidiger, nicht mit einer Charakteristik der politischen Macht und ihrer
Motive und Zwecke selber, können wir es hier zu thun haben. So
hat sich denn in Berlin noch ein ganz tüchtiges Stück der haller'sehen


sich, auf den höheren Stufen des Lebens, im Kampfe der Parteien
und Principien geltend macht. Diese Elektricität verpufft sich noch
immer mehr in besondern Sphären, als daß sie den ganzen Volkszu¬
stand belebend durchströmte. Es hemmen hier nicht blos die innern
Schwächen unserer Parteien, es hemmen hier noch mehr die polizeili¬
chen Maßregeln. Wo eine Partei nicht durch ihre innere Schwäche,
durch ihren sie selbstvcrnichtenden Egoismus von der Masse abge¬
schnitten wird, da wird sie es sicher durch die politischen, durch die
polizeilichen Mächte und was auch geschieht, die Klust zwischen oben
und unten, selbst zwischen dem Unten und der Mitte auszufüllen, sie
läßt sich, allen Bemühungen ungeachtet, immer wieder erkennen.

Von einer strengmonarchisch gesinnten Partei, wie es ja zuweilen
in der Tagespresse geschieht, kann in Preußen, speciell in Berlin ei¬
gentlich gar nicht geredet werden. Die Macht des monarchischen Prin¬
cipes beruht nicht in einer Partei, sondern in dem ganzen historischen,
factischen und rechtlichen Zustande der Dinge. In allen Institu¬
tionen des Staates findet es seinen Ausdruck und seine Stützen, orga-
nisirt wird es durch die bureaukratischen und militärischen Kräfte von
oben nach unten zu, hier wird es durch die Sympathien, dort durch
den politischen Jndifferentismus des Volkes befestigt. Diejenige Ge¬
staltung des monarchischen Princips, welche namentlich in Friedrich
Wilhelm IV. ihren Repräsentanten gefunden, wird mit Recht als das
System des christlich germanischen Staates bezeichnet. Um es voll¬
ständig zu begreifen, muß man auch diejenige Richtung, welche sich
als die Entwickelung des freien Geistes im Kampfe gegen das Chri¬
stenthum darstellte, in Betrachtung ziehen, so wie auch den Andrang
des politisch liberalen Elementes gegen den absolut monarchischen
Charakter des preußischen Staates. Das System deö Königs steht
auf der scharfen Grenzscheide zwischen dem alten historischen Preu¬
ßen und einem neuen Preußen. Es versucht sich an der Vermittlung
der Gegensätze. Nirgends in Europa wird das monarchische Regie-
rungsprincip innerlich so tief bewegt, wie in Preußen und nirgends
hat es deshalb auch eine so scharfe Kritik e> fahren.

Den Angriffen, welchen die herrschende Macht der preußischen
Politik sich fortwährend ausgesetzt sieht, stehen die Stützen un dVerthei-
diger derselben gegenüber und nur mit einer Charakteristik dieser Ver¬
theidiger, nicht mit einer Charakteristik der politischen Macht und ihrer
Motive und Zwecke selber, können wir es hier zu thun haben. So
hat sich denn in Berlin noch ein ganz tüchtiges Stück der haller'sehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/200>, abgerufen am 24.07.2024.