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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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sobald sie sich umdrehen,, der national": Rothrock in alter Form zum
Vorschein kommt. Sie stellen daher ganz eigentlich eine doppelte Ge¬
stalt, eine Janus- oder Vertumnnsnatnr vor, die nach geistreicher
Anlage des Geschlechtes mit einiger Schalkheit benutzt, zu anmuthigen
yui i>i-c> <i"l>'s und humoristischem Bersteckspiel dienen, freilich aber
auch eine gewisse Doppelzüngigkeit und Doppelsinnigkeit der morali¬
schen Haltung herbeiführen kann. I" Strumpf- und Fußwerk richten
sie sich ebenfalls nach der eleganter" Mode der kontinentalen Städte¬
rinnen.

Die Frauen und Töchter Helgolands stehen den Männern in
ihrem sauren Lebcnsgeschäfte mit hingebender Treue bei: sie ganz allein
versorgen das Hauswesen, die freilich wenig ausgedehnte Feld- und
Gartenarbeit.: sie tragen die Utensilien, zum täglichen Leben und Ver¬
kehr, sowohl, als zu außerordentlichem Bedarf, z. B. bei Baugelegen¬
heiten, den steilen Berg, den die Insel bildet, empor; und während
die Männer, sobald sie nicht, sei eS zum Fischfang oder zu Lootfcn-
Hilfe, auf See sind, durchaus ruhen und ihre Tage müßig verbringen,
(was einen unverhälmißmäßig großen Theil ihrer Lebenszeit auslräzt),
sind sie unablässig beschäftigt, mit Kleidermachen, mit Netzestricken,
Mit Reinigung der Gefäße, mit der Kinderzucht, die zum großem Theile
ihr Werk ist, mit Besorgung der Küche, mit Pflege des Mannes. Daß
ihre Kinderzucht, wenn auch sehr einfache, doch höchst gesunde Grund¬
sätze haben muß, dafür zeugt außer der Tüchtigkeit und Genügsam¬
keit der helgolandischen Männer, als deren unverkennbarer Frucht der
Geist der Kinderwelt, soweit wir ihn bemerkten. Die Jungen rangen
und schlugen sich zum Zeitvertreib haufenweise tüchtig herum: es gab
aber ebenso wenig Wehgeheul und Zetergeschrei, als Tücke und bos¬
hafte Erbitterung der Unterliegenden. Alles ging in eigentlichst kame¬
radschaftlichen Sinne mit gutem Humor und schließlichcr Verträglich¬
keit ab. Ein fleißiger Zuruf an die Fremden ist: "Einen Schilling
in'S Gerappel," d. h. in die Rappusc, damit sie sich nämlich darum
raufen. Wird ihnen dieser kleine Siegespreis gewährt, so geht ohne
Turnmeister eine gründliche Leibesübung los, bei der es einzelne recht¬
schaffene Püffe absetzt, immer jedoch der Vorsatz, eS leine" allzuherben
Ernst werden zu lasse", sie durchblickt und mit mannhafter Consequenz
behauptet wird. Diese junge Knabenbrut treibt eine unschuldige In¬
dustrie mit den im Sande des Ufers aufgelesenen artigen Müschelchen,
Schneckchen und Steinchen, wird aber damit nicht überlästig und läßt
sich eine trockene Abweisung ohne Zudringlichkeit gefallen. Die Mad-


sobald sie sich umdrehen,, der national»: Rothrock in alter Form zum
Vorschein kommt. Sie stellen daher ganz eigentlich eine doppelte Ge¬
stalt, eine Janus- oder Vertumnnsnatnr vor, die nach geistreicher
Anlage des Geschlechtes mit einiger Schalkheit benutzt, zu anmuthigen
yui i>i-c> <i»l>'s und humoristischem Bersteckspiel dienen, freilich aber
auch eine gewisse Doppelzüngigkeit und Doppelsinnigkeit der morali¬
schen Haltung herbeiführen kann. I» Strumpf- und Fußwerk richten
sie sich ebenfalls nach der eleganter» Mode der kontinentalen Städte¬
rinnen.

Die Frauen und Töchter Helgolands stehen den Männern in
ihrem sauren Lebcnsgeschäfte mit hingebender Treue bei: sie ganz allein
versorgen das Hauswesen, die freilich wenig ausgedehnte Feld- und
Gartenarbeit.: sie tragen die Utensilien, zum täglichen Leben und Ver¬
kehr, sowohl, als zu außerordentlichem Bedarf, z. B. bei Baugelegen¬
heiten, den steilen Berg, den die Insel bildet, empor; und während
die Männer, sobald sie nicht, sei eS zum Fischfang oder zu Lootfcn-
Hilfe, auf See sind, durchaus ruhen und ihre Tage müßig verbringen,
(was einen unverhälmißmäßig großen Theil ihrer Lebenszeit auslräzt),
sind sie unablässig beschäftigt, mit Kleidermachen, mit Netzestricken,
Mit Reinigung der Gefäße, mit der Kinderzucht, die zum großem Theile
ihr Werk ist, mit Besorgung der Küche, mit Pflege des Mannes. Daß
ihre Kinderzucht, wenn auch sehr einfache, doch höchst gesunde Grund¬
sätze haben muß, dafür zeugt außer der Tüchtigkeit und Genügsam¬
keit der helgolandischen Männer, als deren unverkennbarer Frucht der
Geist der Kinderwelt, soweit wir ihn bemerkten. Die Jungen rangen
und schlugen sich zum Zeitvertreib haufenweise tüchtig herum: es gab
aber ebenso wenig Wehgeheul und Zetergeschrei, als Tücke und bos¬
hafte Erbitterung der Unterliegenden. Alles ging in eigentlichst kame¬
radschaftlichen Sinne mit gutem Humor und schließlichcr Verträglich¬
keit ab. Ein fleißiger Zuruf an die Fremden ist: „Einen Schilling
in'S Gerappel," d. h. in die Rappusc, damit sie sich nämlich darum
raufen. Wird ihnen dieser kleine Siegespreis gewährt, so geht ohne
Turnmeister eine gründliche Leibesübung los, bei der es einzelne recht¬
schaffene Püffe absetzt, immer jedoch der Vorsatz, eS leine» allzuherben
Ernst werden zu lasse», sie durchblickt und mit mannhafter Consequenz
behauptet wird. Diese junge Knabenbrut treibt eine unschuldige In¬
dustrie mit den im Sande des Ufers aufgelesenen artigen Müschelchen,
Schneckchen und Steinchen, wird aber damit nicht überlästig und läßt
sich eine trockene Abweisung ohne Zudringlichkeit gefallen. Die Mad-


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[0019] sobald sie sich umdrehen,, der national»: Rothrock in alter Form zum Vorschein kommt. Sie stellen daher ganz eigentlich eine doppelte Ge¬ stalt, eine Janus- oder Vertumnnsnatnr vor, die nach geistreicher Anlage des Geschlechtes mit einiger Schalkheit benutzt, zu anmuthigen yui i>i-c> <i»l>'s und humoristischem Bersteckspiel dienen, freilich aber auch eine gewisse Doppelzüngigkeit und Doppelsinnigkeit der morali¬ schen Haltung herbeiführen kann. I» Strumpf- und Fußwerk richten sie sich ebenfalls nach der eleganter» Mode der kontinentalen Städte¬ rinnen. Die Frauen und Töchter Helgolands stehen den Männern in ihrem sauren Lebcnsgeschäfte mit hingebender Treue bei: sie ganz allein versorgen das Hauswesen, die freilich wenig ausgedehnte Feld- und Gartenarbeit.: sie tragen die Utensilien, zum täglichen Leben und Ver¬ kehr, sowohl, als zu außerordentlichem Bedarf, z. B. bei Baugelegen¬ heiten, den steilen Berg, den die Insel bildet, empor; und während die Männer, sobald sie nicht, sei eS zum Fischfang oder zu Lootfcn- Hilfe, auf See sind, durchaus ruhen und ihre Tage müßig verbringen, (was einen unverhälmißmäßig großen Theil ihrer Lebenszeit auslräzt), sind sie unablässig beschäftigt, mit Kleidermachen, mit Netzestricken, Mit Reinigung der Gefäße, mit der Kinderzucht, die zum großem Theile ihr Werk ist, mit Besorgung der Küche, mit Pflege des Mannes. Daß ihre Kinderzucht, wenn auch sehr einfache, doch höchst gesunde Grund¬ sätze haben muß, dafür zeugt außer der Tüchtigkeit und Genügsam¬ keit der helgolandischen Männer, als deren unverkennbarer Frucht der Geist der Kinderwelt, soweit wir ihn bemerkten. Die Jungen rangen und schlugen sich zum Zeitvertreib haufenweise tüchtig herum: es gab aber ebenso wenig Wehgeheul und Zetergeschrei, als Tücke und bos¬ hafte Erbitterung der Unterliegenden. Alles ging in eigentlichst kame¬ radschaftlichen Sinne mit gutem Humor und schließlichcr Verträglich¬ keit ab. Ein fleißiger Zuruf an die Fremden ist: „Einen Schilling in'S Gerappel," d. h. in die Rappusc, damit sie sich nämlich darum raufen. Wird ihnen dieser kleine Siegespreis gewährt, so geht ohne Turnmeister eine gründliche Leibesübung los, bei der es einzelne recht¬ schaffene Püffe absetzt, immer jedoch der Vorsatz, eS leine» allzuherben Ernst werden zu lasse», sie durchblickt und mit mannhafter Consequenz behauptet wird. Diese junge Knabenbrut treibt eine unschuldige In¬ dustrie mit den im Sande des Ufers aufgelesenen artigen Müschelchen, Schneckchen und Steinchen, wird aber damit nicht überlästig und läßt sich eine trockene Abweisung ohne Zudringlichkeit gefallen. Die Mad-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/19>, abgerufen am 24.07.2024.