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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Geistlichkeit, welche in Niederösterreich mit großem Grundbesitze dasteht,
von einer Ablösung nichts hören will. Man muß freilich bedenken, daß
auf den Klostergütern eine andere Oekonomie geführt wird, wie auf den
Besitzungen der Weltlichen; daß die Klöster auf Naturalroboten ange¬
wiesen sind, indem die meisten, als sicher der Frohnleistung des Bau¬
ers, oft nicht einmal das nöthige Augvieh und die Ackergeräthschaften
haben, um heute, wenn die Robot abgelöst wird, für einen billigen
Preis seinen Grund bearbeiten zu lassen. Die Klöster haben so keine
Ausgaben und die sicheren Einnahmen, viel größer, als wenn sie sich bei
der Ablösung mit einem Capitale abfertigen ließen und dann dem Ar¬
beiter mit schwerem Gelde jedes Tagewerk bezahlen. An den Unter¬
schied der Arbeit, den daraus entspringenden des Einkommens denken
die ehrwürdigen Vater nicht. Die Geistlichfeit führt außerdem etwas
jesuitisch den Grund an, daß die Ablieferung des Zehntens in Natura
für den Bauer weit weniger drückend sei, als eine Reluirung in Geld,
indem er dann dieses doch jedenfalls zahlen müsse, die Naturallieferung
aber, im Falle eines Mißjahres, auch nur verhältnißmäßig gering sein
würde. Daran wird aber nicht gedacht, daß im Falle eines Mißjahres
dem Bauer jede Aehre kostbar ist, indem er von dem Wenigen, was er
besitzt, nun noch einen Theil weggeben und diesen fehlenden Theil spa¬
ter bei eintretendem Mangel mit schwerem Gelde sich ersetzen muß. Be¬
obachtet man die Stellung, welche Adel und Bauern jetzt gegenseitig und
zur Regierung einnehmen, so ist nicht zu zweifeln, daß endlich -- aber
freilich nach vielleicht langer Zeit und großen Opfern, die Sache der
Humanität und des Fortschrittes siegen werde.

Dazu gehört nun auch eine Neuerung, welche seit Kurzem in den
Verhältnissen des Grundbesitzes vorgeht, welche für die Zukunft von den
tiefeingreifendsten Folgen werden kann. Bekanntlich ist bisher Glanz und
Ansehen des österreichischen Adels an seinen reichen Grundbesitz, an die
unveräußerlichen Majorate geknüpft, welche in allen Stürmen immer
die feste Basis seiner glänzenden, gesicherten Stellung bleiben, und von
welchem Werthe ein reicher Grundbesitz, sehen wir schon daraus, wie
sehr alle neuaufgetauchte, grüne Geldaristokratie vor Allem großen Grund¬
besitz "Herrschaften" zu acquiriren sucht. Bisher waren die großen Grund¬
besitze, welche in die Hände der Geldaristokratie übergingen, nur zum
größten Theil entweder Staatsgüter oder kaiserliche Familienherrschaf-
len, oder Besitzungen eines niederen, herabgekommenen Adels, an die
großen Majorate, welche die festen Säulen unserer glänzenden Aristokra¬
tie sind, hatte der Geldstolz bisher nur sehnsüchtig seufzend denken kön¬
nen. Nun geschieht es aber seit einiger Zeit, daß die Landrechte an
adelige Familien, welche Majorate besitzen, Concessionen zum Verkaufe
derselben, und Erlegung eines Geldfideicommisses ohne viele Hindernisse
bewilligt, wahrend bisher jedes Majorat ein unantastbares, unveräußer¬
liches Eigenthum war. Berücksichtigt man, daß durch die Leichtigkeit,
mit welcher auf solche Majorate große Geldsummen aufgenommen wer¬
den konnten, der an Grundbesitz oft reichste Adel tief in Schulden ge¬
stürzt werde, woran oft noch die Enkel abzutragen haben, so hat dix


Geistlichkeit, welche in Niederösterreich mit großem Grundbesitze dasteht,
von einer Ablösung nichts hören will. Man muß freilich bedenken, daß
auf den Klostergütern eine andere Oekonomie geführt wird, wie auf den
Besitzungen der Weltlichen; daß die Klöster auf Naturalroboten ange¬
wiesen sind, indem die meisten, als sicher der Frohnleistung des Bau¬
ers, oft nicht einmal das nöthige Augvieh und die Ackergeräthschaften
haben, um heute, wenn die Robot abgelöst wird, für einen billigen
Preis seinen Grund bearbeiten zu lassen. Die Klöster haben so keine
Ausgaben und die sicheren Einnahmen, viel größer, als wenn sie sich bei
der Ablösung mit einem Capitale abfertigen ließen und dann dem Ar¬
beiter mit schwerem Gelde jedes Tagewerk bezahlen. An den Unter¬
schied der Arbeit, den daraus entspringenden des Einkommens denken
die ehrwürdigen Vater nicht. Die Geistlichfeit führt außerdem etwas
jesuitisch den Grund an, daß die Ablieferung des Zehntens in Natura
für den Bauer weit weniger drückend sei, als eine Reluirung in Geld,
indem er dann dieses doch jedenfalls zahlen müsse, die Naturallieferung
aber, im Falle eines Mißjahres, auch nur verhältnißmäßig gering sein
würde. Daran wird aber nicht gedacht, daß im Falle eines Mißjahres
dem Bauer jede Aehre kostbar ist, indem er von dem Wenigen, was er
besitzt, nun noch einen Theil weggeben und diesen fehlenden Theil spa¬
ter bei eintretendem Mangel mit schwerem Gelde sich ersetzen muß. Be¬
obachtet man die Stellung, welche Adel und Bauern jetzt gegenseitig und
zur Regierung einnehmen, so ist nicht zu zweifeln, daß endlich — aber
freilich nach vielleicht langer Zeit und großen Opfern, die Sache der
Humanität und des Fortschrittes siegen werde.

Dazu gehört nun auch eine Neuerung, welche seit Kurzem in den
Verhältnissen des Grundbesitzes vorgeht, welche für die Zukunft von den
tiefeingreifendsten Folgen werden kann. Bekanntlich ist bisher Glanz und
Ansehen des österreichischen Adels an seinen reichen Grundbesitz, an die
unveräußerlichen Majorate geknüpft, welche in allen Stürmen immer
die feste Basis seiner glänzenden, gesicherten Stellung bleiben, und von
welchem Werthe ein reicher Grundbesitz, sehen wir schon daraus, wie
sehr alle neuaufgetauchte, grüne Geldaristokratie vor Allem großen Grund¬
besitz „Herrschaften" zu acquiriren sucht. Bisher waren die großen Grund¬
besitze, welche in die Hände der Geldaristokratie übergingen, nur zum
größten Theil entweder Staatsgüter oder kaiserliche Familienherrschaf-
len, oder Besitzungen eines niederen, herabgekommenen Adels, an die
großen Majorate, welche die festen Säulen unserer glänzenden Aristokra¬
tie sind, hatte der Geldstolz bisher nur sehnsüchtig seufzend denken kön¬
nen. Nun geschieht es aber seit einiger Zeit, daß die Landrechte an
adelige Familien, welche Majorate besitzen, Concessionen zum Verkaufe
derselben, und Erlegung eines Geldfideicommisses ohne viele Hindernisse
bewilligt, wahrend bisher jedes Majorat ein unantastbares, unveräußer¬
liches Eigenthum war. Berücksichtigt man, daß durch die Leichtigkeit,
mit welcher auf solche Majorate große Geldsummen aufgenommen wer¬
den konnten, der an Grundbesitz oft reichste Adel tief in Schulden ge¬
stürzt werde, woran oft noch die Enkel abzutragen haben, so hat dix


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/189>, abgerufen am 24.07.2024.