Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Philosoph und als Dichter, über den schwächet! und über dem kleinen
Misere des Volkes und mit welchem Feuereifer für seine Sittlichung
hält er ihm den Spiegel seines Lebens, seiner Verirrungen entgegen!

Dabei ist Jeremias Gotthelf entschieden christlich. Aber sein Chri¬
stenthum ist nicht pfäffisch. ES ist die Religion des Armen, der Un¬
terdrückten, es ist das Grundgesetz der Liebe und der menschlichen Frei¬
heit, welcher es glaubt in der Form des Christenthums finden zu kön¬
nen und welches er seinen Anschauungen zum Grunde legt, auf wel¬
ches er als auf eine Versöhnung der Verworrenheiten und Zerrissen¬
heiteil im Leben des Volkes hindeutet. Man kann hier andern Sin¬
nes sein, als Gotthelf, aber man wird dem ungeachtet hingerissen
werden durch die schöne, klare Ueberzeugung, womit sein Christenthum
von Herzen strömt. Jedenfalls kann ein solches Christenthum und die
Anwendung desselben auf das Leben und die Sittlichung des Volkes
unsern Dunkelmännern nicht gefallen.

Hier sollten nur Andeutungen zu einer Charakteristik dieses treff¬
lichen Volksschriftstellers gegeben werden. Eine in's Einzelne gehende
Kritik bleibe uns vorbehalten. Bemerkt mag es werden, daß Jeremias
Gotthelf seine Schriften jetzt auch dem deutschen Volke dadurch zu¬
gänglicher macht, daß er sie in einer neuen Bearbeitung, ohne den
vielfach störenden Schweizerdialekt, in einer berliner Buchhandlung
(Julius Springer) herausgibt. "Ali der Knecht" wird nächstens er-




Philosoph und als Dichter, über den schwächet! und über dem kleinen
Misere des Volkes und mit welchem Feuereifer für seine Sittlichung
hält er ihm den Spiegel seines Lebens, seiner Verirrungen entgegen!

Dabei ist Jeremias Gotthelf entschieden christlich. Aber sein Chri¬
stenthum ist nicht pfäffisch. ES ist die Religion des Armen, der Un¬
terdrückten, es ist das Grundgesetz der Liebe und der menschlichen Frei¬
heit, welcher es glaubt in der Form des Christenthums finden zu kön¬
nen und welches er seinen Anschauungen zum Grunde legt, auf wel¬
ches er als auf eine Versöhnung der Verworrenheiten und Zerrissen¬
heiteil im Leben des Volkes hindeutet. Man kann hier andern Sin¬
nes sein, als Gotthelf, aber man wird dem ungeachtet hingerissen
werden durch die schöne, klare Ueberzeugung, womit sein Christenthum
von Herzen strömt. Jedenfalls kann ein solches Christenthum und die
Anwendung desselben auf das Leben und die Sittlichung des Volkes
unsern Dunkelmännern nicht gefallen.

Hier sollten nur Andeutungen zu einer Charakteristik dieses treff¬
lichen Volksschriftstellers gegeben werden. Eine in's Einzelne gehende
Kritik bleibe uns vorbehalten. Bemerkt mag es werden, daß Jeremias
Gotthelf seine Schriften jetzt auch dem deutschen Volke dadurch zu¬
gänglicher macht, daß er sie in einer neuen Bearbeitung, ohne den
vielfach störenden Schweizerdialekt, in einer berliner Buchhandlung
(Julius Springer) herausgibt. „Ali der Knecht" wird nächstens er-




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183192"/>
          <p xml:id="ID_485" prev="#ID_484"> Philosoph und als Dichter, über den schwächet! und über dem kleinen<lb/>
Misere des Volkes und mit welchem Feuereifer für seine Sittlichung<lb/>
hält er ihm den Spiegel seines Lebens, seiner Verirrungen entgegen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_486"> Dabei ist Jeremias Gotthelf entschieden christlich. Aber sein Chri¬<lb/>
stenthum ist nicht pfäffisch. ES ist die Religion des Armen, der Un¬<lb/>
terdrückten, es ist das Grundgesetz der Liebe und der menschlichen Frei¬<lb/>
heit, welcher es glaubt in der Form des Christenthums finden zu kön¬<lb/>
nen und welches er seinen Anschauungen zum Grunde legt, auf wel¬<lb/>
ches er als auf eine Versöhnung der Verworrenheiten und Zerrissen¬<lb/>
heiteil im Leben des Volkes hindeutet. Man kann hier andern Sin¬<lb/>
nes sein, als Gotthelf, aber man wird dem ungeachtet hingerissen<lb/>
werden durch die schöne, klare Ueberzeugung, womit sein Christenthum<lb/>
von Herzen strömt. Jedenfalls kann ein solches Christenthum und die<lb/>
Anwendung desselben auf das Leben und die Sittlichung des Volkes<lb/>
unsern Dunkelmännern nicht gefallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_487"> Hier sollten nur Andeutungen zu einer Charakteristik dieses treff¬<lb/>
lichen Volksschriftstellers gegeben werden. Eine in's Einzelne gehende<lb/>
Kritik bleibe uns vorbehalten. Bemerkt mag es werden, daß Jeremias<lb/>
Gotthelf seine Schriften jetzt auch dem deutschen Volke dadurch zu¬<lb/>
gänglicher macht, daß er sie in einer neuen Bearbeitung, ohne den<lb/>
vielfach störenden Schweizerdialekt, in einer berliner Buchhandlung<lb/>
(Julius Springer) herausgibt. &#x201E;Ali der Knecht" wird nächstens er-</p><lb/>
          <note type="byline"/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0171] Philosoph und als Dichter, über den schwächet! und über dem kleinen Misere des Volkes und mit welchem Feuereifer für seine Sittlichung hält er ihm den Spiegel seines Lebens, seiner Verirrungen entgegen! Dabei ist Jeremias Gotthelf entschieden christlich. Aber sein Chri¬ stenthum ist nicht pfäffisch. ES ist die Religion des Armen, der Un¬ terdrückten, es ist das Grundgesetz der Liebe und der menschlichen Frei¬ heit, welcher es glaubt in der Form des Christenthums finden zu kön¬ nen und welches er seinen Anschauungen zum Grunde legt, auf wel¬ ches er als auf eine Versöhnung der Verworrenheiten und Zerrissen¬ heiteil im Leben des Volkes hindeutet. Man kann hier andern Sin¬ nes sein, als Gotthelf, aber man wird dem ungeachtet hingerissen werden durch die schöne, klare Ueberzeugung, womit sein Christenthum von Herzen strömt. Jedenfalls kann ein solches Christenthum und die Anwendung desselben auf das Leben und die Sittlichung des Volkes unsern Dunkelmännern nicht gefallen. Hier sollten nur Andeutungen zu einer Charakteristik dieses treff¬ lichen Volksschriftstellers gegeben werden. Eine in's Einzelne gehende Kritik bleibe uns vorbehalten. Bemerkt mag es werden, daß Jeremias Gotthelf seine Schriften jetzt auch dem deutschen Volke dadurch zu¬ gänglicher macht, daß er sie in einer neuen Bearbeitung, ohne den vielfach störenden Schweizerdialekt, in einer berliner Buchhandlung (Julius Springer) herausgibt. „Ali der Knecht" wird nächstens er-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/171
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/171>, abgerufen am 24.07.2024.