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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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welche Unbesonnenheit, der deutschen Presse vorzuwerfen, daß sie, in Er¬
mangelung bekannter Männer, von dem Ersten Besten etwas aufnehmen
würde, wenn es nur eine Korrespondenz aus Oesterreich! Würden viel¬
leicht die unterzeichneten Redactionen im ähnlichen Falle so handeln?
Und ist es nicht zu weit gegangen, anzunehmen, es mangle an Männern,
welche ihr Vaterland auf eine würdige Weise in der deutschen Presse zu
vertreten wünschten und verstünden? Kein würdiges Organ der öffent¬
lichen Meinung wird von einem, selbst dem Namen nach ihm Unbe¬
kannten irgend etwas aufnehmen, sobald dieses nur im Geringsien einen
wichtigen Gegenstand berührt, dieses können nur Journale thun, denen
Skandalmachen Lebenszweck ist -- und glauben die wiener Redacteure
gegen solche Blätter etwas ausrichten zu können? Also, gegen die wür¬
digen Journale ist diese Erklärung unnöthig und verdächtigend, gegen die
unbedeutenden -- unnütz. Zudem machen sie durch den letzt oben ange¬
führten Passus der österreichischen Censur ein Compliment, welches sie
keineswegs verdient und das einer Augendienern nur zu ähnlich sieht.
Denn wäre eine freiere Besprechung in den österreichischen Blättern selbst
gestattet, so müßte man nicht mit so Vielem in das Ausland flüchten,
man hätte vom Correspondiren dann nicht Unannehmlichkeiten zu befürch¬
ten, dann würden die gesuchten "rechten Männer" auch offen auftreten
können und dem Corrcspondenzwescn Unberufener wäre von selbst ein
Ziel gesetzt. Es zeigt diese Erklärung der Redactcure von ebenso viel
Naivetät, als einem gänzlichen Verkennen ihrer Stellung, sie bieten sich,
indem sie "dem Unwesen mit aller Kraft entgegentreten" wollen, der
Censur selbst als Diener an, denn wer bürgt ihnen dafür, daß die Cen¬
sur nicht das, was sie für Recht und gut erkennen, als Unwesen ansieht
und ihre literarische Thätigkeit, wenn nicht sogar noch etwas Anderes
dabei in Anspruch nimmt? Wichtig in den Augen der Behörden ist es,
daß die Herren Regierungsrath !>>'. Kudler, Di. von Stubenrauch,
Tomaschek als Redacteure der österreichischen Zeitschrift für Staats- und
Rechtswissenschaft und Wildner von Markstein als Redacteur der
Zeitschrift "Der Jurist" mit unterzeichnet haben, das gibt der ganzen
Sache doch einen ernstern Anstrich. Der Eifer der redigirenden Herren
ging so weit, daß sie den Entwurf gegen 15--18 Mal discutirten, bevor
er in dieser Form erschien und, trotz aller Vorsicht, trotz des besten Wil¬
lens, der unverkennbar und sehr ehrenwerth sich an die Grundidee dieses
Aufrufes knüpft, muß das Ganze doch dem Auslande gegenüber ver¬
puffen und der wiener Journalistik als offenbare Taktlosigkeit nur scha¬
den. Wurde doch sogar die Redaction des österreichischen Beobachters
zur Mitunterzeichnung eingeladen und Herr von Pilat zeigte sich
ebenso erfreut über das Vorhaben (natürlich, die ausländischen Corre-
spondenten machen der Staaskanzlei manchen Verdruß), als darüber, daß
man ihn zu den Journalisten zähle und nicht übergangen habe, er hielt
den Aufruf mehrere Tage bei sich, fragte wahrscheinlich beim Fürsten
Metternich an und erhielt keine Erlaubniß zum Mitunterzeichner! --
Es wäre ja entsetzlich gewesen, wenn er so mancher Correspondenz in
baierischen und schweizer Blättern dann hätte entgegentreten müssen!


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welche Unbesonnenheit, der deutschen Presse vorzuwerfen, daß sie, in Er¬
mangelung bekannter Männer, von dem Ersten Besten etwas aufnehmen
würde, wenn es nur eine Korrespondenz aus Oesterreich! Würden viel¬
leicht die unterzeichneten Redactionen im ähnlichen Falle so handeln?
Und ist es nicht zu weit gegangen, anzunehmen, es mangle an Männern,
welche ihr Vaterland auf eine würdige Weise in der deutschen Presse zu
vertreten wünschten und verstünden? Kein würdiges Organ der öffent¬
lichen Meinung wird von einem, selbst dem Namen nach ihm Unbe¬
kannten irgend etwas aufnehmen, sobald dieses nur im Geringsien einen
wichtigen Gegenstand berührt, dieses können nur Journale thun, denen
Skandalmachen Lebenszweck ist — und glauben die wiener Redacteure
gegen solche Blätter etwas ausrichten zu können? Also, gegen die wür¬
digen Journale ist diese Erklärung unnöthig und verdächtigend, gegen die
unbedeutenden — unnütz. Zudem machen sie durch den letzt oben ange¬
führten Passus der österreichischen Censur ein Compliment, welches sie
keineswegs verdient und das einer Augendienern nur zu ähnlich sieht.
Denn wäre eine freiere Besprechung in den österreichischen Blättern selbst
gestattet, so müßte man nicht mit so Vielem in das Ausland flüchten,
man hätte vom Correspondiren dann nicht Unannehmlichkeiten zu befürch¬
ten, dann würden die gesuchten „rechten Männer" auch offen auftreten
können und dem Corrcspondenzwescn Unberufener wäre von selbst ein
Ziel gesetzt. Es zeigt diese Erklärung der Redactcure von ebenso viel
Naivetät, als einem gänzlichen Verkennen ihrer Stellung, sie bieten sich,
indem sie „dem Unwesen mit aller Kraft entgegentreten" wollen, der
Censur selbst als Diener an, denn wer bürgt ihnen dafür, daß die Cen¬
sur nicht das, was sie für Recht und gut erkennen, als Unwesen ansieht
und ihre literarische Thätigkeit, wenn nicht sogar noch etwas Anderes
dabei in Anspruch nimmt? Wichtig in den Augen der Behörden ist es,
daß die Herren Regierungsrath !>>'. Kudler, Di. von Stubenrauch,
Tomaschek als Redacteure der österreichischen Zeitschrift für Staats- und
Rechtswissenschaft und Wildner von Markstein als Redacteur der
Zeitschrift „Der Jurist" mit unterzeichnet haben, das gibt der ganzen
Sache doch einen ernstern Anstrich. Der Eifer der redigirenden Herren
ging so weit, daß sie den Entwurf gegen 15—18 Mal discutirten, bevor
er in dieser Form erschien und, trotz aller Vorsicht, trotz des besten Wil¬
lens, der unverkennbar und sehr ehrenwerth sich an die Grundidee dieses
Aufrufes knüpft, muß das Ganze doch dem Auslande gegenüber ver¬
puffen und der wiener Journalistik als offenbare Taktlosigkeit nur scha¬
den. Wurde doch sogar die Redaction des österreichischen Beobachters
zur Mitunterzeichnung eingeladen und Herr von Pilat zeigte sich
ebenso erfreut über das Vorhaben (natürlich, die ausländischen Corre-
spondenten machen der Staaskanzlei manchen Verdruß), als darüber, daß
man ihn zu den Journalisten zähle und nicht übergangen habe, er hielt
den Aufruf mehrere Tage bei sich, fragte wahrscheinlich beim Fürsten
Metternich an und erhielt keine Erlaubniß zum Mitunterzeichner! —
Es wäre ja entsetzlich gewesen, wenn er so mancher Correspondenz in
baierischen und schweizer Blättern dann hätte entgegentreten müssen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/145>, abgerufen am 24.07.2024.