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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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gegnen wir in, Leben einem durch und durch gesunden ganzen Men¬
schen, dessen Thun und Handeln aus Einer Triebfeder hervorgeht
und aus ihr allein beruht. Wir verschwimmen einer in dem andern
und bedünken uns dabei das Individuellste. Aus diesem Grunde mag
man vielleicht das Leere, Anspruchlose unserer Bildnisse erklaren und
nicht vergessen, , daß der Maler und der Abgebildete aus gleicher Lebens-
welle schwimmen. Immer noch verdient die naturgetreue Auffassung
und das eben in neuerer Zeit frisch und kräftig gewordene Colorit
Lobes genug. Die ausgestellten Portraits von Schrotzberg, Einsle,
Aigner, Eibl und Andern geben Zeugniß davon. -- Daß auch hier
oft eine, wenn auch das unbefangene Auge täuschende Manier und
eine oft oberflächliche Auffassung sich einmischt, ist leicht einzusehen.

Auch auf gesundem Boden wandelt die Landschaftsmalerei,
wenigstens bis zu einer gewissen Grenze. Sie hält sich an's Gege¬
bene und weiß mit meisterhafter Technik das Spiel der Lichter und
Farben wiederzugeben und wie im Portrait hat sich auch in der Land¬
schaft eine eigene Schule gebildet, die für Oesterreich charakteristisch
ist. Wer einen Blick zurückwirft in die Kunstrichtung, welche vor bei¬
läufig 35 Jahren die Landschaftsmalern in Oesterreich und auch aus¬
wärtig beherrschte, der muß gestehen, daß hier ein erfreulicher Fort¬
schritt geschehen sei, welcher erwarten läßt, daß man die gegenwärtige
Errungenschaft nicht für abgeschlossen ansehen werde. Das geßner'sche
Jdyllenthum und die klopstock'sche Naturauffassung on Zro8, die sich
in den Landschaften allenthalben wiederspiegelte und mit Formen und
Farben ebenso in's Breite und Verschwommene ging, wie die Ideen
der damaligen Zeit, mußte einer bestimmtem, getreuem Naturauffassung
Platz machen. Man gestattet der Natur das Recht und den Reiz,
ihr eigenes Leben zu führen und nicht als Trägerin unserer mond¬
scheinsüchtigen Sentimentalitäten zu dienen. Man findet es angemesse¬
ner sich in die Lebenstiefen der Natur zu versenken und aus ihr her¬
aus zu gestalten, als sie zur Staffage des menschlichen Gefühls her¬
abzuziehen, wie dies Wuttky, Schalhaas und Andere obwohl mit Ta¬
lent gethan haben. Und vermissen wir auch in den Landschaften un¬
serer Künstler die großartige freie Auffassung, wie sie in den Bildern
eines Nuysdaal u. f. w. auftritt, so freuen wir uns doch der treuen
und liebevollen Auffassung und glauben, daß dies der Weg zum Bes¬
sern sei. Zwar an Verirrungen nach links und rechts fehlt es auch
hier nicht. Dazu rechnen wir die nun wohl schon im Absterben be¬
griffene Gletscher- und Seenmalerei des Salzkammergutes, wohin Jahr


Grcnzbote". III. 18-i". 15

gegnen wir in, Leben einem durch und durch gesunden ganzen Men¬
schen, dessen Thun und Handeln aus Einer Triebfeder hervorgeht
und aus ihr allein beruht. Wir verschwimmen einer in dem andern
und bedünken uns dabei das Individuellste. Aus diesem Grunde mag
man vielleicht das Leere, Anspruchlose unserer Bildnisse erklaren und
nicht vergessen, , daß der Maler und der Abgebildete aus gleicher Lebens-
welle schwimmen. Immer noch verdient die naturgetreue Auffassung
und das eben in neuerer Zeit frisch und kräftig gewordene Colorit
Lobes genug. Die ausgestellten Portraits von Schrotzberg, Einsle,
Aigner, Eibl und Andern geben Zeugniß davon. — Daß auch hier
oft eine, wenn auch das unbefangene Auge täuschende Manier und
eine oft oberflächliche Auffassung sich einmischt, ist leicht einzusehen.

Auch auf gesundem Boden wandelt die Landschaftsmalerei,
wenigstens bis zu einer gewissen Grenze. Sie hält sich an's Gege¬
bene und weiß mit meisterhafter Technik das Spiel der Lichter und
Farben wiederzugeben und wie im Portrait hat sich auch in der Land¬
schaft eine eigene Schule gebildet, die für Oesterreich charakteristisch
ist. Wer einen Blick zurückwirft in die Kunstrichtung, welche vor bei¬
läufig 35 Jahren die Landschaftsmalern in Oesterreich und auch aus¬
wärtig beherrschte, der muß gestehen, daß hier ein erfreulicher Fort¬
schritt geschehen sei, welcher erwarten läßt, daß man die gegenwärtige
Errungenschaft nicht für abgeschlossen ansehen werde. Das geßner'sche
Jdyllenthum und die klopstock'sche Naturauffassung on Zro8, die sich
in den Landschaften allenthalben wiederspiegelte und mit Formen und
Farben ebenso in's Breite und Verschwommene ging, wie die Ideen
der damaligen Zeit, mußte einer bestimmtem, getreuem Naturauffassung
Platz machen. Man gestattet der Natur das Recht und den Reiz,
ihr eigenes Leben zu führen und nicht als Trägerin unserer mond¬
scheinsüchtigen Sentimentalitäten zu dienen. Man findet es angemesse¬
ner sich in die Lebenstiefen der Natur zu versenken und aus ihr her¬
aus zu gestalten, als sie zur Staffage des menschlichen Gefühls her¬
abzuziehen, wie dies Wuttky, Schalhaas und Andere obwohl mit Ta¬
lent gethan haben. Und vermissen wir auch in den Landschaften un¬
serer Künstler die großartige freie Auffassung, wie sie in den Bildern
eines Nuysdaal u. f. w. auftritt, so freuen wir uns doch der treuen
und liebevollen Auffassung und glauben, daß dies der Weg zum Bes¬
sern sei. Zwar an Verirrungen nach links und rechts fehlt es auch
hier nicht. Dazu rechnen wir die nun wohl schon im Absterben be¬
griffene Gletscher- und Seenmalerei des Salzkammergutes, wohin Jahr


Grcnzbote». III. 18-i«. 15
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/119>, abgerufen am 24.07.2024.