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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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den Monte Cavo hinauf, dann hinunter nach dem See von Nemi,
auf welchen Ludwig von Baiern das unsterbliche Distichon gemacht hat:


, Spiegel Dianens genannt wirst du See; jungfräuliche Nuhe,
Von der jungfräul'chen Natur giebst du zurücke das Bild, --

und kehrten über Genzano und Arizzia nach Albano zurück. Tages
darauf besuchten wir Eastel Gandolfo, wo der Papst einen Sommer¬
palast besitzt (der schon seit lüW der apostolischen Kammer gehört);
wir thaten was der Papst hatte thun können, wenn er seinem Gaste
ausweichen wollte. Manche Cardinäle sollen zu solchem Ausweichen in
der That gerathen haben; aber der alte Gregor zog es vor, seinem
Widersacher in die Augen zu sehen und, wo möglich, ans Herz zu reden.

Fast am Abend des dritten Tages kamen wir von diesem wun¬
derschönen Spaziergange nach Rom zurück. Den andern Tag, als
ich ausging, erfuhr ich, daß der Ezar soeben seinen Abschiedsbesuch
beim Papste gemacht hätte. Ich ließ mir nun von vielen und sehr
verschiedenartigen Personen, die zum Theil den Vorgängen dieser
Tage näher gestanden hatten, den Verlauf erzählen. Ich horchte auch
in den Cafes, besonders unter den Künstlern im Eafv Greco, in
den Buchläden, auf den Straßen herum. Aber das ist nun eben
was sich nicht wiedergeben läßt. Ein solches Durcheinander von
Meinungen, von leidenschaftlichem Für und Wider. Ganz Rom war
in Aufregung. Die große Menge war entzückt von dem Czaren.
Er hatte Gold mit vollen Handen ausgestreut, ungeheure Trinkgelder
gegeben, ganzen Massen von Leuten, die ihn mit Bettelbriefen be¬
stürmten, Geschenke gemacht. Er hatte die Ausstellung, hatte Ateliers
von Künstlern besucht, zu Fuße, rühmte man, wohin der Wagen
nicht dringen konnte, hatte den Schmutz der Gassen nicht gescheut,
hatte viel gekauft, hatte viel bestellt. Diejenigen welche dabei über¬
gangen worden waren, behaupteten, er habe sich, als ein rechter Bar¬
bar, nur die grellen und bunten Bilder ausgesucht; die Anderen wi¬
dersprachen dem mit Heftigkeit; Manche meinten, die Sache sei nicht
ganz ohne, entschuldigten ihn jedoch deswegen auf allerlei Art,
um auf seinen guten Geschmack (hatte er doch von ihnen gekauft
und bei ihnen bestellt) nichts kommen zu lassen. Die Zeitungscorre-
spondenten, die bei den Künstlern herumhorchen, um ihre Berichte
zu machen, und die nun so und so hören, werden recht in Verlegen¬
heit sein. Aber die Verschiedenheit der Meinungen über des Kaisers
Bilderwahl ist noch gar nichts gegen die Verschiedenheit der Meinun¬
gen über das Benehmen der beiden Herrscher gegen einander. Hier
hört man von den Czaromanen, der Czar sei höchst liebenswürdig,
der heilige Vater höchst zuvorkommend gegen seinen Gast gewesen;
dort hört man von den Freunden der Kirche, der Papst habe den
Kaiser mit Vorwürfen überhäuft und der Kaiser habe die verlegenste
Figur von der Welt gespielt. Jene behaupten, dem Kaiser sei alle


den Monte Cavo hinauf, dann hinunter nach dem See von Nemi,
auf welchen Ludwig von Baiern das unsterbliche Distichon gemacht hat:


, Spiegel Dianens genannt wirst du See; jungfräuliche Nuhe,
Von der jungfräul'chen Natur giebst du zurücke das Bild, —

und kehrten über Genzano und Arizzia nach Albano zurück. Tages
darauf besuchten wir Eastel Gandolfo, wo der Papst einen Sommer¬
palast besitzt (der schon seit lüW der apostolischen Kammer gehört);
wir thaten was der Papst hatte thun können, wenn er seinem Gaste
ausweichen wollte. Manche Cardinäle sollen zu solchem Ausweichen in
der That gerathen haben; aber der alte Gregor zog es vor, seinem
Widersacher in die Augen zu sehen und, wo möglich, ans Herz zu reden.

Fast am Abend des dritten Tages kamen wir von diesem wun¬
derschönen Spaziergange nach Rom zurück. Den andern Tag, als
ich ausging, erfuhr ich, daß der Ezar soeben seinen Abschiedsbesuch
beim Papste gemacht hätte. Ich ließ mir nun von vielen und sehr
verschiedenartigen Personen, die zum Theil den Vorgängen dieser
Tage näher gestanden hatten, den Verlauf erzählen. Ich horchte auch
in den Cafes, besonders unter den Künstlern im Eafv Greco, in
den Buchläden, auf den Straßen herum. Aber das ist nun eben
was sich nicht wiedergeben läßt. Ein solches Durcheinander von
Meinungen, von leidenschaftlichem Für und Wider. Ganz Rom war
in Aufregung. Die große Menge war entzückt von dem Czaren.
Er hatte Gold mit vollen Handen ausgestreut, ungeheure Trinkgelder
gegeben, ganzen Massen von Leuten, die ihn mit Bettelbriefen be¬
stürmten, Geschenke gemacht. Er hatte die Ausstellung, hatte Ateliers
von Künstlern besucht, zu Fuße, rühmte man, wohin der Wagen
nicht dringen konnte, hatte den Schmutz der Gassen nicht gescheut,
hatte viel gekauft, hatte viel bestellt. Diejenigen welche dabei über¬
gangen worden waren, behaupteten, er habe sich, als ein rechter Bar¬
bar, nur die grellen und bunten Bilder ausgesucht; die Anderen wi¬
dersprachen dem mit Heftigkeit; Manche meinten, die Sache sei nicht
ganz ohne, entschuldigten ihn jedoch deswegen auf allerlei Art,
um auf seinen guten Geschmack (hatte er doch von ihnen gekauft
und bei ihnen bestellt) nichts kommen zu lassen. Die Zeitungscorre-
spondenten, die bei den Künstlern herumhorchen, um ihre Berichte
zu machen, und die nun so und so hören, werden recht in Verlegen¬
heit sein. Aber die Verschiedenheit der Meinungen über des Kaisers
Bilderwahl ist noch gar nichts gegen die Verschiedenheit der Meinun¬
gen über das Benehmen der beiden Herrscher gegen einander. Hier
hört man von den Czaromanen, der Czar sei höchst liebenswürdig,
der heilige Vater höchst zuvorkommend gegen seinen Gast gewesen;
dort hört man von den Freunden der Kirche, der Papst habe den
Kaiser mit Vorwürfen überhäuft und der Kaiser habe die verlegenste
Figur von der Welt gespielt. Jene behaupten, dem Kaiser sei alle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/95>, abgerufen am 01.09.2024.