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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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bei ihrem richtigen Namen nennen. -- Beim richtigen Namen!
rief der Abade. Daß Ihr gesegnet seid! Ja, als eine Bezahlung
wird er das Geld ansehen, das er hier ausschüttet: Bei allen Heili¬
gen! Damit wird er uns die Seelen unserer armen Brüder jenseits
abzukaufen meinen. In solchem Sinne eine Bezahlung; verstanden?
An die Köpfe schmeißen solltet ihr seinen Heiducken oder was es
sind, das Sündengold, anstatt darum zu betteln. O ihr! -- Und
wenn wir's ihnen an die Köpfe schmissen, entzegnete der Dicke, was
hätten wir davon? Oder was hatten unsere verfolgten Brü¬
der davon? Würden die nicht vielmehr büßen müssen) was wir
sündigen? Als ob er uns das Recht, seinen Muth an ihnen zu
kühlen, noch lange abzukaufen brauchte! Also, da wir das Unglück
nicht abwenden können, machen wir uns wenigstens so viel Glück
daraus, als für gescheidte Köpfe darin steckt. -- Mir soll er auch
Glück bringen, aber ohne daß es ihn was kostet, sagte der Cassetiere,
der mit seinem Chocoladen-Kocher in der Hand, ämsig quirlend her¬
zutrat; mein Junge war heute Morgen auf der Straße, als dieser
große Monarch eben autant siebzehn Leute zählte er, vier Lichter,
die Uhr schlug dreizehn, ich habe gleich die Nummern gesetzt, eine
herrliche Terre, setzen Sie meine Herrn, vier, dreizehn, siebzehn.

Wir hatten inzwischen gefrühstückt, mein Freund und ich. Es
war ein köstlicher Tag, nachdem wir zuvor Regenwetter gehabt hatten.
Laß uns einen Spaziergang ins Freie machen, sagte ich. Er war
es zufrieden. Wer mag unter dem Volk aushalten, und ihre Misere
mit ansehen? Was verdienen sie als getreten zu werden? Und doch,
was kann das arme Volk dafür, das so aufwächst wie es aufwächst?
Wie viel Schicksalsgunst ist nöthig, daß ein Volk sich fühlen lerne,
und einen großen und nobeln Sinn unter sich gemein mache! Die
Form in welcher die Niedrigkeit hier unter dem lungernden Volk er¬
scheint, ist uns allerdings eine der widrigsten. Aber greisen wir in
den eigenen Busen! Fühlen wir uns frei von Schuld ? Nun, dann
schämen wir uns, und weg mit dem Stein, den wir auf Jene wer¬
fen wollten! -- Wir gingen durch die Stadt weithin, über den ka¬
pitolinischen Hügel, dann am Hange des Palatin entlang und zwi¬
schen dem Aventin und Monte Cello hindurch, nach dem Sebastians¬
thor. Draußen immer weiter und weiter an der Basilica des h. Se¬
bastian vorüber, und so fort auf der alten appischen Straße, bis zu
dem herrlichen Denkmal der Cäcilia Metella. Dort ruhten wir. Der
Blick schweifte über die einsame Campagna, das ferne Gebirg glänzte
köstlich in Schnee und Sonne, die Albanerberge lagen im violetten
Duft, unwiderstehlich lockend. Wie ist's? Gehen wir nach Albano?
Wir überzählten den Inhalt unserer Geldbeutel. Ich dächte, es geht,
sagte mein Freund. Wir gingen, so wie wir waren, in unserer leich¬
ten Kleidung; übernachteten in Albano, stiegen am andern Morgen


bei ihrem richtigen Namen nennen. — Beim richtigen Namen!
rief der Abade. Daß Ihr gesegnet seid! Ja, als eine Bezahlung
wird er das Geld ansehen, das er hier ausschüttet: Bei allen Heili¬
gen! Damit wird er uns die Seelen unserer armen Brüder jenseits
abzukaufen meinen. In solchem Sinne eine Bezahlung; verstanden?
An die Köpfe schmeißen solltet ihr seinen Heiducken oder was es
sind, das Sündengold, anstatt darum zu betteln. O ihr! — Und
wenn wir's ihnen an die Köpfe schmissen, entzegnete der Dicke, was
hätten wir davon? Oder was hatten unsere verfolgten Brü¬
der davon? Würden die nicht vielmehr büßen müssen) was wir
sündigen? Als ob er uns das Recht, seinen Muth an ihnen zu
kühlen, noch lange abzukaufen brauchte! Also, da wir das Unglück
nicht abwenden können, machen wir uns wenigstens so viel Glück
daraus, als für gescheidte Köpfe darin steckt. — Mir soll er auch
Glück bringen, aber ohne daß es ihn was kostet, sagte der Cassetiere,
der mit seinem Chocoladen-Kocher in der Hand, ämsig quirlend her¬
zutrat; mein Junge war heute Morgen auf der Straße, als dieser
große Monarch eben autant siebzehn Leute zählte er, vier Lichter,
die Uhr schlug dreizehn, ich habe gleich die Nummern gesetzt, eine
herrliche Terre, setzen Sie meine Herrn, vier, dreizehn, siebzehn.

Wir hatten inzwischen gefrühstückt, mein Freund und ich. Es
war ein köstlicher Tag, nachdem wir zuvor Regenwetter gehabt hatten.
Laß uns einen Spaziergang ins Freie machen, sagte ich. Er war
es zufrieden. Wer mag unter dem Volk aushalten, und ihre Misere
mit ansehen? Was verdienen sie als getreten zu werden? Und doch,
was kann das arme Volk dafür, das so aufwächst wie es aufwächst?
Wie viel Schicksalsgunst ist nöthig, daß ein Volk sich fühlen lerne,
und einen großen und nobeln Sinn unter sich gemein mache! Die
Form in welcher die Niedrigkeit hier unter dem lungernden Volk er¬
scheint, ist uns allerdings eine der widrigsten. Aber greisen wir in
den eigenen Busen! Fühlen wir uns frei von Schuld ? Nun, dann
schämen wir uns, und weg mit dem Stein, den wir auf Jene wer¬
fen wollten! — Wir gingen durch die Stadt weithin, über den ka¬
pitolinischen Hügel, dann am Hange des Palatin entlang und zwi¬
schen dem Aventin und Monte Cello hindurch, nach dem Sebastians¬
thor. Draußen immer weiter und weiter an der Basilica des h. Se¬
bastian vorüber, und so fort auf der alten appischen Straße, bis zu
dem herrlichen Denkmal der Cäcilia Metella. Dort ruhten wir. Der
Blick schweifte über die einsame Campagna, das ferne Gebirg glänzte
köstlich in Schnee und Sonne, die Albanerberge lagen im violetten
Duft, unwiderstehlich lockend. Wie ist's? Gehen wir nach Albano?
Wir überzählten den Inhalt unserer Geldbeutel. Ich dächte, es geht,
sagte mein Freund. Wir gingen, so wie wir waren, in unserer leich¬
ten Kleidung; übernachteten in Albano, stiegen am andern Morgen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/94>, abgerufen am 23.12.2024.