Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Poeten- und Studentenleben in Prag. Erinnern "gen von 5--y. I. Als ich vor drei Jahren vom Gletscherbestcigen zu Tode er¬ Poeten- und Studentenleben in Prag. Erinnern »gen von 5—y. I. Als ich vor drei Jahren vom Gletscherbestcigen zu Tode er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181879"/> </div> <div n="1"> <head> Poeten- und Studentenleben in Prag.<lb/> Erinnern »gen von 5—y.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> I.</head><lb/> <p xml:id="ID_123" next="#ID_124"> Als ich vor drei Jahren vom Gletscherbestcigen zu Tode er¬<lb/> mattet, und mehr todt als lebend, mitten im wildesten Graubündten<lb/> in einer kleinen Hütte gastliche Aufnahme fand, als ich halb ohn¬<lb/> mächtig auf die Ofenbank hinsank und vom Liede meiner guten<lb/> Gastfreundin in halben Schlummer gewiegt wurde — da war es<lb/> mir plötzlich, als läge ich noch als Kind zu Hause in der Stube<lb/> meiner Mutter, als horte ich die alte Pendeluhr klappen, als sähe<lb/> ich den Nococoschrank und die alten Bilder von Godowitzki von<lb/> den Wänden auf mich niedersehen. Wer erklärt das tiefe Räthsel,<lb/> daß in jeder bedeutungsvollen Stunde auch des spätesten Lebens<lb/> plötzlich die ganze Kindheit mit ihren Träumen in uns erwacht,<lb/> daß wir uns mit einem Zauberschlage wieder bei der Meilen weit<lb/> entfernten oder oft schon todten Mutter finden? — In diesem Au¬<lb/> genblicke, da ich fern von meinen Lieben, fern von meiner Heimath,<lb/> hier hoch im Norden in der uralten Stadt Upsala sitze, in diesem<lb/> Augenblicke ist mir wieder fast so zu Muthe, wie vor drei Jahren<lb/> in der einsamen stillen Hütte des wilden Graubündten. Doch jetzt<lb/> ist mir das Räthsel nicht so schwer zu losen. — Eine alte böhmi¬<lb/> sche Chronik, die ich mir aus der Bibliothek geholt, liegt vor mir,<lb/> und die in roth und blau schimmernden Farben der Bilder, die al¬<lb/> ten böhmischen Gesichter, die aus dem halbverwischten Terte noch<lb/> frisch heraUsgucken, wie die alten böhmischen Helden aus der halb-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
Poeten- und Studentenleben in Prag.
Erinnern »gen von 5—y.
I.
Als ich vor drei Jahren vom Gletscherbestcigen zu Tode er¬
mattet, und mehr todt als lebend, mitten im wildesten Graubündten
in einer kleinen Hütte gastliche Aufnahme fand, als ich halb ohn¬
mächtig auf die Ofenbank hinsank und vom Liede meiner guten
Gastfreundin in halben Schlummer gewiegt wurde — da war es
mir plötzlich, als läge ich noch als Kind zu Hause in der Stube
meiner Mutter, als horte ich die alte Pendeluhr klappen, als sähe
ich den Nococoschrank und die alten Bilder von Godowitzki von
den Wänden auf mich niedersehen. Wer erklärt das tiefe Räthsel,
daß in jeder bedeutungsvollen Stunde auch des spätesten Lebens
plötzlich die ganze Kindheit mit ihren Träumen in uns erwacht,
daß wir uns mit einem Zauberschlage wieder bei der Meilen weit
entfernten oder oft schon todten Mutter finden? — In diesem Au¬
genblicke, da ich fern von meinen Lieben, fern von meiner Heimath,
hier hoch im Norden in der uralten Stadt Upsala sitze, in diesem
Augenblicke ist mir wieder fast so zu Muthe, wie vor drei Jahren
in der einsamen stillen Hütte des wilden Graubündten. Doch jetzt
ist mir das Räthsel nicht so schwer zu losen. — Eine alte böhmi¬
sche Chronik, die ich mir aus der Bibliothek geholt, liegt vor mir,
und die in roth und blau schimmernden Farben der Bilder, die al¬
ten böhmischen Gesichter, die aus dem halbverwischten Terte noch
frisch heraUsgucken, wie die alten böhmischen Helden aus der halb-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |