Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

was dagegen eingewendet worden; König Waldcmarö Jülsches
Loo mußte der Zeit, als es auch für Schleswig alleiniges Gesetz¬
buch war, in die deutsche, damals niederdeutsche Sprache übersetzt
werden, weil Volk und Richter die dänische Sprache nicht verstan¬
den, und diese deutsche Uebersetzung ward mit gänzlichem Ausschluß
des dänischen Originals als gesetzlicher Codex für ganz Schleswig
sanctionirt. Die amtliche Sprache in weltlichen Dingen war im
ganzen Herzogthume Schleswig die deutsche, und konnte nicht wohl
eine andere sein, weil die Gesetzgebung deutsch war, dagegen war
die Sprache in Kirche und Schule immer dänisch, und ist es noch,
so weit nicht das Vordringen der deutschen Sprache einzelne Kirch¬
spiele dahin gebracht hatte, daß sie weder die gebildete dänische
Sprache noch den halbdänischen halb plattdeutschen Volksdialekt
mehr verstanden, und daher die deutsche nothwendig als Kirchcn-
und Schulsprache eingeführt werden mußte. Die Regierung war
dabei nicht förderlich, vielmehr forderte sie, daß an mehreren Stel¬
len, wo früher Kirchen- und Schulsprache deutsch war bei Minder¬
zahl ganz deutscher Einwohner, die dänische Sprache als Kirchen-
und Schulsprache eingeführt ward. Bis zum Flensburger Meer¬
busen hinauf ist die Bevölkerung ganz deutsch und weiter noch be¬
sonders an der Westküste ist sie es ganz überwiegend. Deutsch
sind alle Städte bis auf dänische Elemente in der untersten Volks-
klasse. Die nördlichen Landdistricte aber, besonders die Aemter
Hadersleben, Apenrade, und Sonderburg so wie die Inseln Athen
und Arrüc (letztere Insel ist fast ganz dänisch) haben eine gemischte
Bevölkerung, indem viele ganz deutsche Familien, besonders unter
den größeren Landbesitzern dort wohnen. Die eigentliche Volks¬
sprache der Mehrzahl ist ein Gemisch aus Dänischen und Platt¬
deutschen in der Art, daß die dänischen Elemente in den Wörtern
überwiegend sind, aber die deutschen Form und Construction bilden.
Die Kirchen- und Schulsprache ist, wie schon bemerkt, die dänische
Schriftsprache, jedoch müssen sich Prediger und Schullehrer sehr
nach dem Volksdialekt accommodiren. Eine Ausdehnung der dä¬
nischen Sprache wünscht die Bevölkerung im nördlichen Schleswig
eigentlich gar nicht, dagegen wünscht sie Unterricht in der deutschen
Sprache, weil die deutsche Sprache einmal die Sprache^ der Bil¬
dung im ganzen Lande ist, und weil der geistige und materielle


was dagegen eingewendet worden; König Waldcmarö Jülsches
Loo mußte der Zeit, als es auch für Schleswig alleiniges Gesetz¬
buch war, in die deutsche, damals niederdeutsche Sprache übersetzt
werden, weil Volk und Richter die dänische Sprache nicht verstan¬
den, und diese deutsche Uebersetzung ward mit gänzlichem Ausschluß
des dänischen Originals als gesetzlicher Codex für ganz Schleswig
sanctionirt. Die amtliche Sprache in weltlichen Dingen war im
ganzen Herzogthume Schleswig die deutsche, und konnte nicht wohl
eine andere sein, weil die Gesetzgebung deutsch war, dagegen war
die Sprache in Kirche und Schule immer dänisch, und ist es noch,
so weit nicht das Vordringen der deutschen Sprache einzelne Kirch¬
spiele dahin gebracht hatte, daß sie weder die gebildete dänische
Sprache noch den halbdänischen halb plattdeutschen Volksdialekt
mehr verstanden, und daher die deutsche nothwendig als Kirchcn-
und Schulsprache eingeführt werden mußte. Die Regierung war
dabei nicht förderlich, vielmehr forderte sie, daß an mehreren Stel¬
len, wo früher Kirchen- und Schulsprache deutsch war bei Minder¬
zahl ganz deutscher Einwohner, die dänische Sprache als Kirchen-
und Schulsprache eingeführt ward. Bis zum Flensburger Meer¬
busen hinauf ist die Bevölkerung ganz deutsch und weiter noch be¬
sonders an der Westküste ist sie es ganz überwiegend. Deutsch
sind alle Städte bis auf dänische Elemente in der untersten Volks-
klasse. Die nördlichen Landdistricte aber, besonders die Aemter
Hadersleben, Apenrade, und Sonderburg so wie die Inseln Athen
und Arrüc (letztere Insel ist fast ganz dänisch) haben eine gemischte
Bevölkerung, indem viele ganz deutsche Familien, besonders unter
den größeren Landbesitzern dort wohnen. Die eigentliche Volks¬
sprache der Mehrzahl ist ein Gemisch aus Dänischen und Platt¬
deutschen in der Art, daß die dänischen Elemente in den Wörtern
überwiegend sind, aber die deutschen Form und Construction bilden.
Die Kirchen- und Schulsprache ist, wie schon bemerkt, die dänische
Schriftsprache, jedoch müssen sich Prediger und Schullehrer sehr
nach dem Volksdialekt accommodiren. Eine Ausdehnung der dä¬
nischen Sprache wünscht die Bevölkerung im nördlichen Schleswig
eigentlich gar nicht, dagegen wünscht sie Unterricht in der deutschen
Sprache, weil die deutsche Sprache einmal die Sprache^ der Bil¬
dung im ganzen Lande ist, und weil der geistige und materielle


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181873"/>
          <p xml:id="ID_116" prev="#ID_115" next="#ID_117"> was dagegen eingewendet worden; König Waldcmarö Jülsches<lb/>
Loo mußte der Zeit, als es auch für Schleswig alleiniges Gesetz¬<lb/>
buch war, in die deutsche, damals niederdeutsche Sprache übersetzt<lb/>
werden, weil Volk und Richter die dänische Sprache nicht verstan¬<lb/>
den, und diese deutsche Uebersetzung ward mit gänzlichem Ausschluß<lb/>
des dänischen Originals als gesetzlicher Codex für ganz Schleswig<lb/>
sanctionirt. Die amtliche Sprache in weltlichen Dingen war im<lb/>
ganzen Herzogthume Schleswig die deutsche, und konnte nicht wohl<lb/>
eine andere sein, weil die Gesetzgebung deutsch war, dagegen war<lb/>
die Sprache in Kirche und Schule immer dänisch, und ist es noch,<lb/>
so weit nicht das Vordringen der deutschen Sprache einzelne Kirch¬<lb/>
spiele dahin gebracht hatte, daß sie weder die gebildete dänische<lb/>
Sprache noch den halbdänischen halb plattdeutschen Volksdialekt<lb/>
mehr verstanden, und daher die deutsche nothwendig als Kirchcn-<lb/>
und Schulsprache eingeführt werden mußte. Die Regierung war<lb/>
dabei nicht förderlich, vielmehr forderte sie, daß an mehreren Stel¬<lb/>
len, wo früher Kirchen- und Schulsprache deutsch war bei Minder¬<lb/>
zahl ganz deutscher Einwohner, die dänische Sprache als Kirchen-<lb/>
und Schulsprache eingeführt ward. Bis zum Flensburger Meer¬<lb/>
busen hinauf ist die Bevölkerung ganz deutsch und weiter noch be¬<lb/>
sonders an der Westküste ist sie es ganz überwiegend. Deutsch<lb/>
sind alle Städte bis auf dänische Elemente in der untersten Volks-<lb/>
klasse. Die nördlichen Landdistricte aber, besonders die Aemter<lb/>
Hadersleben, Apenrade, und Sonderburg so wie die Inseln Athen<lb/>
und Arrüc (letztere Insel ist fast ganz dänisch) haben eine gemischte<lb/>
Bevölkerung, indem viele ganz deutsche Familien, besonders unter<lb/>
den größeren Landbesitzern dort wohnen. Die eigentliche Volks¬<lb/>
sprache der Mehrzahl ist ein Gemisch aus Dänischen und Platt¬<lb/>
deutschen in der Art, daß die dänischen Elemente in den Wörtern<lb/>
überwiegend sind, aber die deutschen Form und Construction bilden.<lb/>
Die Kirchen- und Schulsprache ist, wie schon bemerkt, die dänische<lb/>
Schriftsprache, jedoch müssen sich Prediger und Schullehrer sehr<lb/>
nach dem Volksdialekt accommodiren. Eine Ausdehnung der dä¬<lb/>
nischen Sprache wünscht die Bevölkerung im nördlichen Schleswig<lb/>
eigentlich gar nicht, dagegen wünscht sie Unterricht in der deutschen<lb/>
Sprache, weil die deutsche Sprache einmal die Sprache^ der Bil¬<lb/>
dung im ganzen Lande ist, und weil der geistige und materielle</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] was dagegen eingewendet worden; König Waldcmarö Jülsches Loo mußte der Zeit, als es auch für Schleswig alleiniges Gesetz¬ buch war, in die deutsche, damals niederdeutsche Sprache übersetzt werden, weil Volk und Richter die dänische Sprache nicht verstan¬ den, und diese deutsche Uebersetzung ward mit gänzlichem Ausschluß des dänischen Originals als gesetzlicher Codex für ganz Schleswig sanctionirt. Die amtliche Sprache in weltlichen Dingen war im ganzen Herzogthume Schleswig die deutsche, und konnte nicht wohl eine andere sein, weil die Gesetzgebung deutsch war, dagegen war die Sprache in Kirche und Schule immer dänisch, und ist es noch, so weit nicht das Vordringen der deutschen Sprache einzelne Kirch¬ spiele dahin gebracht hatte, daß sie weder die gebildete dänische Sprache noch den halbdänischen halb plattdeutschen Volksdialekt mehr verstanden, und daher die deutsche nothwendig als Kirchcn- und Schulsprache eingeführt werden mußte. Die Regierung war dabei nicht förderlich, vielmehr forderte sie, daß an mehreren Stel¬ len, wo früher Kirchen- und Schulsprache deutsch war bei Minder¬ zahl ganz deutscher Einwohner, die dänische Sprache als Kirchen- und Schulsprache eingeführt ward. Bis zum Flensburger Meer¬ busen hinauf ist die Bevölkerung ganz deutsch und weiter noch be¬ sonders an der Westküste ist sie es ganz überwiegend. Deutsch sind alle Städte bis auf dänische Elemente in der untersten Volks- klasse. Die nördlichen Landdistricte aber, besonders die Aemter Hadersleben, Apenrade, und Sonderburg so wie die Inseln Athen und Arrüc (letztere Insel ist fast ganz dänisch) haben eine gemischte Bevölkerung, indem viele ganz deutsche Familien, besonders unter den größeren Landbesitzern dort wohnen. Die eigentliche Volks¬ sprache der Mehrzahl ist ein Gemisch aus Dänischen und Platt¬ deutschen in der Art, daß die dänischen Elemente in den Wörtern überwiegend sind, aber die deutschen Form und Construction bilden. Die Kirchen- und Schulsprache ist, wie schon bemerkt, die dänische Schriftsprache, jedoch müssen sich Prediger und Schullehrer sehr nach dem Volksdialekt accommodiren. Eine Ausdehnung der dä¬ nischen Sprache wünscht die Bevölkerung im nördlichen Schleswig eigentlich gar nicht, dagegen wünscht sie Unterricht in der deutschen Sprache, weil die deutsche Sprache einmal die Sprache^ der Bil¬ dung im ganzen Lande ist, und weil der geistige und materielle

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/63>, abgerufen am 23.12.2024.