Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.wird. Es ist die soeben in Paris bei ^in)?ot erschienene Schrift: wird. Es ist die soeben in Paris bei ^in)?ot erschienene Schrift: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0601" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182411"/> <p xml:id="ID_1424" prev="#ID_1423" next="#ID_1425"> wird. Es ist die soeben in Paris bei ^in)?ot erschienene Schrift:<lb/> Des ^Ilemimäs, nar >in ^i-imo-us. Ich nehme an, daß die Grenz-<lb/> boten es nicht versäumen werden, über den Charakter und die Be¬<lb/> deutung dieser Schrift im Allgemeinen noch eine besondere Mitthei¬<lb/> lung zu liefern und will mich deshalb hier begnügen, aus einem<lb/> Abschnitte desselben Dos «zmiKi-ittinns allomimijs einige Auszüge zu<lb/> geben. Der Verfasser sagt, er bilde sich nicht ein, die Ursachen der<lb/> so auffallend großen Auswanderungslust der Deutschen mit einiger<lb/> Sicherheit bestimmen zu können, indessen führt er einige an, welche<lb/> ihm die Bedeutendsten scheinen. Er meint: Anfangs hatten wohl die<lb/> religiösen Verfolgungen in Deutschland so gut wie anderwärts eine<lb/> große Rolle dabei gespielt; das Erziehungswesen, die allgemeine Ver¬<lb/> breitung von Kenntnissen habe sodann Bedürfnisse und Wünsche auf¬<lb/> geregt, welche wegen der alles einzäunenden socialen Schranken nicht<lb/> immer ihre Befriedigung in der Heimath finden konnten; ferner<lb/> möchten im Mittelstande die frühzeitiger eingegangenen, regelmäßige¬<lb/> ren fruchtbaren Ehen und eben darum den Trieb zum Auswandern gemehrt<lb/> haben, den die Regierungen begünstigt hätten, besonders wenn noch hinzu-<lb/> genommen wird, daß es immer ehrgeizige Seelen, unruhige Geister<lb/> genug gab, denen der Schauplatz, welcher sich ihren Bestrebungen da¬<lb/> heim eröffnete, zu eng werden mußte; endlich werde auch an man¬<lb/> chen Orten die Beschaffenheit des Landes selbst und die Culturweise<lb/> der Erzeugung eines Gefühls von Anhänglichkeit an die Geburts-<lb/> stätte nicht günstig gewesen sein. — In der That sind gewiß alle<lb/> diese Ursachen wirksam gewesen und sind es noch. Vor allen Dio<lb/> gen ist aber nicht zu übersehen, was unser Franzose in seinem gan¬<lb/> zen Werke nicht recht zu würdigen gewußt hat, daß Deutschland die<lb/> Pflanzstätte jenes tief innerlichen, in der Seele des in sich selbst ein¬<lb/> kehrenden Menschen gährenden, unendlich sehnsüchtigen Idealismus<lb/> ist, welcher Anfangs die deutsche Mystik, dann den alles besiegenden,<lb/> aber nur innerlich im Geiste besiegenden und mit äußerlicher Knecht¬<lb/> schaft sehr wohl verträglichen Glauben der Reformationszeit, endlich<lb/> die deutsche Romantik in Philosophie, Poesie und Musik gebar. Die¬<lb/> ser Idealismus wurde deutsches Gemeingut, aber nicht Alle erwarben<lb/> mit ihm jene Fülle seiner Gewalt, mittelst deren es den Einzelnen<lb/> gelingt, sich wirklich ganz in die Tiefen seines Innern zurückzuziehen<lb/> und vor innerer Seligkeit die harten Schranken der Wirklichkeit nicht<lb/> mehr zu fühlen. Denen dieses nicht gelang, die mußten entweder<lb/> an den Schranken, gegen welche sie eine Zeitlang mit schwachen<lb/> Schwingen vergeblich angestoßen hatten, endlich erlahmen und — Phi¬<lb/> lister werden, oder, des vergeblichen Kampfes müde und doch der Sehn¬<lb/> sucht und der Hoffnung noch immer nicht quitt, den Schranken äu¬<lb/> ßerlich zu entrinnen suchen, ihr geträumtes Paradies weit, weit, in<lb/> per blauen, unbekannten Ferne, je ferner und je unbekannter, desto</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0601]
wird. Es ist die soeben in Paris bei ^in)?ot erschienene Schrift:
Des ^Ilemimäs, nar >in ^i-imo-us. Ich nehme an, daß die Grenz-
boten es nicht versäumen werden, über den Charakter und die Be¬
deutung dieser Schrift im Allgemeinen noch eine besondere Mitthei¬
lung zu liefern und will mich deshalb hier begnügen, aus einem
Abschnitte desselben Dos «zmiKi-ittinns allomimijs einige Auszüge zu
geben. Der Verfasser sagt, er bilde sich nicht ein, die Ursachen der
so auffallend großen Auswanderungslust der Deutschen mit einiger
Sicherheit bestimmen zu können, indessen führt er einige an, welche
ihm die Bedeutendsten scheinen. Er meint: Anfangs hatten wohl die
religiösen Verfolgungen in Deutschland so gut wie anderwärts eine
große Rolle dabei gespielt; das Erziehungswesen, die allgemeine Ver¬
breitung von Kenntnissen habe sodann Bedürfnisse und Wünsche auf¬
geregt, welche wegen der alles einzäunenden socialen Schranken nicht
immer ihre Befriedigung in der Heimath finden konnten; ferner
möchten im Mittelstande die frühzeitiger eingegangenen, regelmäßige¬
ren fruchtbaren Ehen und eben darum den Trieb zum Auswandern gemehrt
haben, den die Regierungen begünstigt hätten, besonders wenn noch hinzu-
genommen wird, daß es immer ehrgeizige Seelen, unruhige Geister
genug gab, denen der Schauplatz, welcher sich ihren Bestrebungen da¬
heim eröffnete, zu eng werden mußte; endlich werde auch an man¬
chen Orten die Beschaffenheit des Landes selbst und die Culturweise
der Erzeugung eines Gefühls von Anhänglichkeit an die Geburts-
stätte nicht günstig gewesen sein. — In der That sind gewiß alle
diese Ursachen wirksam gewesen und sind es noch. Vor allen Dio
gen ist aber nicht zu übersehen, was unser Franzose in seinem gan¬
zen Werke nicht recht zu würdigen gewußt hat, daß Deutschland die
Pflanzstätte jenes tief innerlichen, in der Seele des in sich selbst ein¬
kehrenden Menschen gährenden, unendlich sehnsüchtigen Idealismus
ist, welcher Anfangs die deutsche Mystik, dann den alles besiegenden,
aber nur innerlich im Geiste besiegenden und mit äußerlicher Knecht¬
schaft sehr wohl verträglichen Glauben der Reformationszeit, endlich
die deutsche Romantik in Philosophie, Poesie und Musik gebar. Die¬
ser Idealismus wurde deutsches Gemeingut, aber nicht Alle erwarben
mit ihm jene Fülle seiner Gewalt, mittelst deren es den Einzelnen
gelingt, sich wirklich ganz in die Tiefen seines Innern zurückzuziehen
und vor innerer Seligkeit die harten Schranken der Wirklichkeit nicht
mehr zu fühlen. Denen dieses nicht gelang, die mußten entweder
an den Schranken, gegen welche sie eine Zeitlang mit schwachen
Schwingen vergeblich angestoßen hatten, endlich erlahmen und — Phi¬
lister werden, oder, des vergeblichen Kampfes müde und doch der Sehn¬
sucht und der Hoffnung noch immer nicht quitt, den Schranken äu¬
ßerlich zu entrinnen suchen, ihr geträumtes Paradies weit, weit, in
per blauen, unbekannten Ferne, je ferner und je unbekannter, desto
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