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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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kalte Parterrekammern mit schimmelfeuchten Wänden und dumpfigen
Höfen zu träumen? --

Dennoch sollte ich bald ein überraschendes Stück Altlondon
zu sehen bekommen. Ich weiß nicht mehr genau, nach welchen
Stadtenden mich mein Begleiter an diesem Tage, bald zu Fuß,
bald im Omnibus, herumschleppte, und nur einzelne Punkte haben
sich meinem Gedächtniß dabei eingeprägt. Wir standen in Petty-
coatlcme. Sehen sie sich mal um, sagte er; ist das nicht von
Boz'scher Farbe? -- Das enge Gäßchen mit kohlschwarzen Mauern
schien aus dem Prager Judenviertel zu stammen, nur der Dialekt,
einige Bärte und dreieckige Hüte fehlten, um der Täuschung nach-
zuhelfen. Und dennoch würde Pettycoatlane im Präger Ghetto
noch eine der glänzendsten Partien sein ; die Häuser sind aus Stein,
die Eingänge ziemlich hell. In der City findet man viele kleine
Durchhäuser, Seitengäßchen und Höfe, die, wie ich mir sagen ließ,
an die Seitenkanäle Venedigs erinnern. Pettycoatlane fällt nur
in London auf durch den Contrast mit seinen Umgebungen. Da
findet man hier und dort einen zerrissenen Schlappschuh, einen
Haufen Kehricht und dergl. vor den Thüren liegen; sogar eine
kleine natürliche Gosse erlaubt sich zuweilen, neben dem schmalen
Trottoir hinzurieseln. Eben so tritt die bunte Bevölkerung ein
wenig in Negligee auf. Trödelgewölbe, Hökerinnen, Bettler und
Krüppel sind die Hauptelemente und die malerische Staffage von
Pettycoatlane. Wenn ich nicht irre, sah ich die Aoltlen b-UIs, das
Zeichen der Pfandleiher, zum ersten Mal in dieser Gegend über
einer Thüre flimmern. Auch die Pfandleihcr, diese Bankiers der
Armuth -- "Onkel" nennt man sie gewöhnlich -- sollen unter¬
nehmender sein, als in andern Ländern; sie borgen auf einen Feuer-
schürer, einen eisernen Topf, kurz auf die geringste Kleinigkeit.

Nicht weit von Pettycoatlane traten wir in eines jener stillen
Alehouses, die für gemüthliche deutsche Zecher geschaffen scheinen.
An der Thürpfoste stand unter andern Inschriften: ^ xom! --
mia sittinxi-von und eine gemalte weiße Hand mit ausgestrecktem
Zeigefinger machte auf diesen Comfort besonders aufmerksam. Die
dämmerige kleine Gaststube war ganz leer, wir konnten uns also
die behaglichste Ecke aussuchen. Auf dem blanken Tische lagen
frische weiße Thonpfeifchen mit gekrümmtem Rohr in einem Messing-


kalte Parterrekammern mit schimmelfeuchten Wänden und dumpfigen
Höfen zu träumen? —

Dennoch sollte ich bald ein überraschendes Stück Altlondon
zu sehen bekommen. Ich weiß nicht mehr genau, nach welchen
Stadtenden mich mein Begleiter an diesem Tage, bald zu Fuß,
bald im Omnibus, herumschleppte, und nur einzelne Punkte haben
sich meinem Gedächtniß dabei eingeprägt. Wir standen in Petty-
coatlcme. Sehen sie sich mal um, sagte er; ist das nicht von
Boz'scher Farbe? — Das enge Gäßchen mit kohlschwarzen Mauern
schien aus dem Prager Judenviertel zu stammen, nur der Dialekt,
einige Bärte und dreieckige Hüte fehlten, um der Täuschung nach-
zuhelfen. Und dennoch würde Pettycoatlane im Präger Ghetto
noch eine der glänzendsten Partien sein ; die Häuser sind aus Stein,
die Eingänge ziemlich hell. In der City findet man viele kleine
Durchhäuser, Seitengäßchen und Höfe, die, wie ich mir sagen ließ,
an die Seitenkanäle Venedigs erinnern. Pettycoatlane fällt nur
in London auf durch den Contrast mit seinen Umgebungen. Da
findet man hier und dort einen zerrissenen Schlappschuh, einen
Haufen Kehricht und dergl. vor den Thüren liegen; sogar eine
kleine natürliche Gosse erlaubt sich zuweilen, neben dem schmalen
Trottoir hinzurieseln. Eben so tritt die bunte Bevölkerung ein
wenig in Negligee auf. Trödelgewölbe, Hökerinnen, Bettler und
Krüppel sind die Hauptelemente und die malerische Staffage von
Pettycoatlane. Wenn ich nicht irre, sah ich die Aoltlen b-UIs, das
Zeichen der Pfandleiher, zum ersten Mal in dieser Gegend über
einer Thüre flimmern. Auch die Pfandleihcr, diese Bankiers der
Armuth — „Onkel" nennt man sie gewöhnlich — sollen unter¬
nehmender sein, als in andern Ländern; sie borgen auf einen Feuer-
schürer, einen eisernen Topf, kurz auf die geringste Kleinigkeit.

Nicht weit von Pettycoatlane traten wir in eines jener stillen
Alehouses, die für gemüthliche deutsche Zecher geschaffen scheinen.
An der Thürpfoste stand unter andern Inschriften: ^ xom! —
mia sittinxi-von und eine gemalte weiße Hand mit ausgestrecktem
Zeigefinger machte auf diesen Comfort besonders aufmerksam. Die
dämmerige kleine Gaststube war ganz leer, wir konnten uns also
die behaglichste Ecke aussuchen. Auf dem blanken Tische lagen
frische weiße Thonpfeifchen mit gekrümmtem Rohr in einem Messing-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/591>, abgerufen am 23.12.2024.