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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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chen zu lassen. Was erfolgte darauf? Zuerst, nach 6 Monaten
gründlicher Untersuchung, im Journal de Francfort die Behauptung,
es eristire gar kein Basilianerinnentloster in Minsk, dann eine rus¬
sische Note an den Pabst mit der Versicherung, eS gebe gar kein
Basilianerinnenkloster in Kownoü Die russische Note übrigens
will zu viel beweisen und uns einreden, daß Rußland seinen Un¬
terthanen volle bürgerliche und religiöse Freiheit gewähre. In ei¬
ner Reihe von allgemeinen Sätzen -- zu denen es, beiläufig be¬
merkt, keiner halbjährigen Vorstudien bedurft hätte -- betheuert
die erwähnte Note, daß in Rußland gewaltsame Proselvtenmache-
rei verpönt, daß noch nie ein polnischer Geistlicher unschuldig nach
Sibirien gekommen sei, daß alle Blätter welche die erwähnte "Fa¬
bel" berichtet, in Rußland erlaubt gewesen wären (!?) u. s. w.
Kurz sie erinnert uns beinahe an den Staatsrath Gretsch, der in
seiner Schrift gegen Custine gar gemüthlich erzählte, wie die nach
Krächtan Verwichenen nichts zu thun hätten, als Blumen zu be-
gießen. --

Rußland hat durch die Minsker Nonnengeschichte, die den
Abscheu vor selner Politik auf das Höchste zu steigern drohte, bei
der öffentlichen Meinung Deutschlands gewissermaßen gewonnen.
Die Anklage war zu colossal, um, da sie kaum zur Evidenz er¬
härtet werden kann, nicht eine ihm günstige Reaction hervorzu¬
rufen. Unmöglich wird man den Thatbestand juristisch genau er¬
mitteln können. Die Bewohner von Minsk oder Kowno werden
in unsern Zeitungen keine Erklärungen für oder wider die russische
Note drucken lassen; ebenso wenig wie man die russischen Abon¬
nenten verbotener Zeitschriften auffordern kann, zu bezeugen, ob ih¬
nen die Exemplare, worin die Nonnengeschichte erzählt war, wirk¬
lich unausgeschnitten und unübertüncht zugekommen sind. Man
appellire an die Oeffemlichkeit in Rußland I Es wird nur auf die
moralische Ueberzeugung ankommen.

Wie sehr in mancher Beziehung sich das Blatt gewendet, dies
hat eine große Zahl deutscher Zeitungen bereits seit Monaten sehen
lassen. Sogar die religiöse Bewegung in Norddeutschland ist, bet
den banalen Organen derselben, den Moskowitern zu Gute ge¬
kommen. Eine, und zwar nicht die glänzendste Seite der Refor¬
mation hat der große Haufe deutschkatholischer Prädicanten und


chen zu lassen. Was erfolgte darauf? Zuerst, nach 6 Monaten
gründlicher Untersuchung, im Journal de Francfort die Behauptung,
es eristire gar kein Basilianerinnentloster in Minsk, dann eine rus¬
sische Note an den Pabst mit der Versicherung, eS gebe gar kein
Basilianerinnenkloster in Kownoü Die russische Note übrigens
will zu viel beweisen und uns einreden, daß Rußland seinen Un¬
terthanen volle bürgerliche und religiöse Freiheit gewähre. In ei¬
ner Reihe von allgemeinen Sätzen — zu denen es, beiläufig be¬
merkt, keiner halbjährigen Vorstudien bedurft hätte — betheuert
die erwähnte Note, daß in Rußland gewaltsame Proselvtenmache-
rei verpönt, daß noch nie ein polnischer Geistlicher unschuldig nach
Sibirien gekommen sei, daß alle Blätter welche die erwähnte „Fa¬
bel" berichtet, in Rußland erlaubt gewesen wären (!?) u. s. w.
Kurz sie erinnert uns beinahe an den Staatsrath Gretsch, der in
seiner Schrift gegen Custine gar gemüthlich erzählte, wie die nach
Krächtan Verwichenen nichts zu thun hätten, als Blumen zu be-
gießen. —

Rußland hat durch die Minsker Nonnengeschichte, die den
Abscheu vor selner Politik auf das Höchste zu steigern drohte, bei
der öffentlichen Meinung Deutschlands gewissermaßen gewonnen.
Die Anklage war zu colossal, um, da sie kaum zur Evidenz er¬
härtet werden kann, nicht eine ihm günstige Reaction hervorzu¬
rufen. Unmöglich wird man den Thatbestand juristisch genau er¬
mitteln können. Die Bewohner von Minsk oder Kowno werden
in unsern Zeitungen keine Erklärungen für oder wider die russische
Note drucken lassen; ebenso wenig wie man die russischen Abon¬
nenten verbotener Zeitschriften auffordern kann, zu bezeugen, ob ih¬
nen die Exemplare, worin die Nonnengeschichte erzählt war, wirk¬
lich unausgeschnitten und unübertüncht zugekommen sind. Man
appellire an die Oeffemlichkeit in Rußland I Es wird nur auf die
moralische Ueberzeugung ankommen.

Wie sehr in mancher Beziehung sich das Blatt gewendet, dies
hat eine große Zahl deutscher Zeitungen bereits seit Monaten sehen
lassen. Sogar die religiöse Bewegung in Norddeutschland ist, bet
den banalen Organen derselben, den Moskowitern zu Gute ge¬
kommen. Eine, und zwar nicht die glänzendste Seite der Refor¬
mation hat der große Haufe deutschkatholischer Prädicanten und


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[0582] chen zu lassen. Was erfolgte darauf? Zuerst, nach 6 Monaten gründlicher Untersuchung, im Journal de Francfort die Behauptung, es eristire gar kein Basilianerinnentloster in Minsk, dann eine rus¬ sische Note an den Pabst mit der Versicherung, eS gebe gar kein Basilianerinnenkloster in Kownoü Die russische Note übrigens will zu viel beweisen und uns einreden, daß Rußland seinen Un¬ terthanen volle bürgerliche und religiöse Freiheit gewähre. In ei¬ ner Reihe von allgemeinen Sätzen — zu denen es, beiläufig be¬ merkt, keiner halbjährigen Vorstudien bedurft hätte — betheuert die erwähnte Note, daß in Rußland gewaltsame Proselvtenmache- rei verpönt, daß noch nie ein polnischer Geistlicher unschuldig nach Sibirien gekommen sei, daß alle Blätter welche die erwähnte „Fa¬ bel" berichtet, in Rußland erlaubt gewesen wären (!?) u. s. w. Kurz sie erinnert uns beinahe an den Staatsrath Gretsch, der in seiner Schrift gegen Custine gar gemüthlich erzählte, wie die nach Krächtan Verwichenen nichts zu thun hätten, als Blumen zu be- gießen. — Rußland hat durch die Minsker Nonnengeschichte, die den Abscheu vor selner Politik auf das Höchste zu steigern drohte, bei der öffentlichen Meinung Deutschlands gewissermaßen gewonnen. Die Anklage war zu colossal, um, da sie kaum zur Evidenz er¬ härtet werden kann, nicht eine ihm günstige Reaction hervorzu¬ rufen. Unmöglich wird man den Thatbestand juristisch genau er¬ mitteln können. Die Bewohner von Minsk oder Kowno werden in unsern Zeitungen keine Erklärungen für oder wider die russische Note drucken lassen; ebenso wenig wie man die russischen Abon¬ nenten verbotener Zeitschriften auffordern kann, zu bezeugen, ob ih¬ nen die Exemplare, worin die Nonnengeschichte erzählt war, wirk¬ lich unausgeschnitten und unübertüncht zugekommen sind. Man appellire an die Oeffemlichkeit in Rußland I Es wird nur auf die moralische Ueberzeugung ankommen. Wie sehr in mancher Beziehung sich das Blatt gewendet, dies hat eine große Zahl deutscher Zeitungen bereits seit Monaten sehen lassen. Sogar die religiöse Bewegung in Norddeutschland ist, bet den banalen Organen derselben, den Moskowitern zu Gute ge¬ kommen. Eine, und zwar nicht die glänzendste Seite der Refor¬ mation hat der große Haufe deutschkatholischer Prädicanten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/582>, abgerufen am 01.09.2024.