Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.lange als noch keine schroffe Scheidung zwischen den gouvernemen- lange als noch keine schroffe Scheidung zwischen den gouvernemen- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182355"/> <p xml:id="ID_1302" prev="#ID_1301" next="#ID_1303"> lange als noch keine schroffe Scheidung zwischen den gouvernemen-<lb/> talen A>:- und Absichten, und denen des Publicums vorhanden<lb/> war, hatte sich in der gesammten Leipziger Gesellschaft ein leichter,<lb/> mit klingenden Worten ausstaffirter Liberalismus und eine nominelle<lb/> Airerkenntniß aller modernen Zeitinteressen zur Mode gemacht, auf<lb/> deren nicht ernst gemeinten Phrasen sich der gegenseitige Meinungs¬<lb/> austausch lustig schaukelte. Aber dieses Verhältniß haben die letzten<lb/> Jahre immer mehr abgeändert, und daraus sind bereits seit dem<lb/> Beginne der vierziger Jahre mannichfache Spaltungen hervorgegan¬<lb/> gen. Trotz gewisser Coterien war bis dahin die sogenannte Gesell¬<lb/> schaft im Allgemeinen ungetrennt geblieben. Die Patricier der<lb/> Stadt mit ihren Familien bildeten durchgehends deren Stock und<lb/> Kern, die gesellig gebildeten Kaufleute, die Ausstudirtcn, die Stu¬<lb/> denten aus „guten Häusern" und das Offiziercorps formirter de¬<lb/> ren junge Männerwelt. Als aber unter den höhern Staatsbeam¬<lb/> ten zufällig einige wohlhabende Adelige hierher gekommen waren<lb/> und keine hervorstechende Anerkenntnis) ihrer adeligen Vorzüge ge¬<lb/> funden hatten, begannen auch bereits die Versuche der Gestaltung<lb/> einer Ol-on« <l,z !->, crea>>, Abscheidungen der Adeligen in engere<lb/> Zirkel. Allerdings horte damit deren Erscheinen in den größern<lb/> Gesellschaften keineswegs auf; allein auch hier sonderten sie sich,<lb/> besonders die verheiratheten Damen, mannichfach ab. Die jungen<lb/> Männer dieser Kreise waren dagegen immerhin klug genug, sich<lb/> dieser Forderung nicht auffallend anzuschließen, und vorzüglich er¬<lb/> hielten die Offiziere ihre Verbindungen fortwährend auch mit den<lb/> nichtbureaukratischen und nicht adeligen Kreisen. So konnte es<lb/> denn auch nicht zu jenen eclacanten Zerwürfnissen zwischen den<lb/> Gesellschaftselementen kommen, wie sie neuerdings an andern Orten<lb/> betrübend auftauchten. Aber immerhin übertrug sich mit jenem<lb/> Streben nach gewissen Sonderungen ein gewisses Mißbehagen in<lb/> die Gesellschaft. Dieses trat denn auch wirklich nach den Vorgän¬<lb/> gen des verflossenen Sommers in mancher Hinsicht stärker hervor,<lb/> und wurde besonders dadurch zur Mißstimmung, daß selbst wäh¬<lb/> rend der traurigen Tage des August in mehreren adeligen Fami¬<lb/> lien Feste gefeiert worden waren, bei denen man die damals im<lb/> großen Publicum gehaßtcften Personen auszeichnete. Vielleicht war<lb/> dies eine Zufälligkeit, aber bei der allgemeinen damaligen Stimmung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0545]
lange als noch keine schroffe Scheidung zwischen den gouvernemen-
talen A>:- und Absichten, und denen des Publicums vorhanden
war, hatte sich in der gesammten Leipziger Gesellschaft ein leichter,
mit klingenden Worten ausstaffirter Liberalismus und eine nominelle
Airerkenntniß aller modernen Zeitinteressen zur Mode gemacht, auf
deren nicht ernst gemeinten Phrasen sich der gegenseitige Meinungs¬
austausch lustig schaukelte. Aber dieses Verhältniß haben die letzten
Jahre immer mehr abgeändert, und daraus sind bereits seit dem
Beginne der vierziger Jahre mannichfache Spaltungen hervorgegan¬
gen. Trotz gewisser Coterien war bis dahin die sogenannte Gesell¬
schaft im Allgemeinen ungetrennt geblieben. Die Patricier der
Stadt mit ihren Familien bildeten durchgehends deren Stock und
Kern, die gesellig gebildeten Kaufleute, die Ausstudirtcn, die Stu¬
denten aus „guten Häusern" und das Offiziercorps formirter de¬
ren junge Männerwelt. Als aber unter den höhern Staatsbeam¬
ten zufällig einige wohlhabende Adelige hierher gekommen waren
und keine hervorstechende Anerkenntnis) ihrer adeligen Vorzüge ge¬
funden hatten, begannen auch bereits die Versuche der Gestaltung
einer Ol-on« <l,z !->, crea>>, Abscheidungen der Adeligen in engere
Zirkel. Allerdings horte damit deren Erscheinen in den größern
Gesellschaften keineswegs auf; allein auch hier sonderten sie sich,
besonders die verheiratheten Damen, mannichfach ab. Die jungen
Männer dieser Kreise waren dagegen immerhin klug genug, sich
dieser Forderung nicht auffallend anzuschließen, und vorzüglich er¬
hielten die Offiziere ihre Verbindungen fortwährend auch mit den
nichtbureaukratischen und nicht adeligen Kreisen. So konnte es
denn auch nicht zu jenen eclacanten Zerwürfnissen zwischen den
Gesellschaftselementen kommen, wie sie neuerdings an andern Orten
betrübend auftauchten. Aber immerhin übertrug sich mit jenem
Streben nach gewissen Sonderungen ein gewisses Mißbehagen in
die Gesellschaft. Dieses trat denn auch wirklich nach den Vorgän¬
gen des verflossenen Sommers in mancher Hinsicht stärker hervor,
und wurde besonders dadurch zur Mißstimmung, daß selbst wäh¬
rend der traurigen Tage des August in mehreren adeligen Fami¬
lien Feste gefeiert worden waren, bei denen man die damals im
großen Publicum gehaßtcften Personen auszeichnete. Vielleicht war
dies eine Zufälligkeit, aber bei der allgemeinen damaligen Stimmung
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