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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Schulmeister sollen gelinder bestraft werden als wir, wenn wir beider¬
seits, Schulmeister und Schulkinder, in einen und denselben Fehler
verfallen? Die "Schulmeister in aller Gesittung" sollen in größerer
Versuchung sein, die sittlichen Landesgesetze zu übertreten, als wir
"Schulkinder in der Gesittung"? Und werden wir, als gute Schul¬
kinder, denn nicht unseren Schulmeistern bald genug die leichtere Ver-
führbarkeit zum Verbrechen ablernen, und nachdem wir hinlängliche
Fortschritte darin gemacht haben, ganz ebenso würdig einer milderen
Gesetzgebung sein als unsere Schulmeister? -- O Herr Beobachter!
o weiser Herr Beobachter! -- Es ist doch ein köstliches Ding um
eine lebhafte Imagination. Die Herren Officiere, unsere Schulmeister
in aller Gesittung! Da zum Beispiel, diese jungen Milchbarte, die
eben vom Fähndrich zum Lieutenant avancirt, und noch ziemlich naß
hinter den Ohren sind, die Schulmeister der alten Knasterbärte die
zufällig unter ihrem Cowmando stehen, die "Schulmeister in aller
Gesittung"! Wenn es so sein sollte, daß das Heer "das wassenge-
übte Volk'', der Dienst im stehenden Heere "die allgemeine Volks¬
kriegsschule" wäre, so sollte man doch denken, es müssten auch Lehrer
an dieser Schule angestellt sein, die aus dem waffengeübten Volk
hervorgegangen, mit dem in Waffen sich übenden Volke gleichsam
aufgewachsen, in keiner Weise specifisch von ihm unterschieden waren,
und deren Sittlichkeit genau nach dem Maßstabe der "allgemeinen"
Sittlichkeit "des Volkes" bemessen werden könnte und nicht irgend einen
aparten Maßstab nöthig machte; man sollte meinen, die Waffenlehrer
des in Waffen geübten Volkes dürften keinen anderen xvint et'Iioimour
haben, als den des in Waffen geübten Volkes selbst, und dieses keinen '
anderen als jene. Nun, der Herr Beobachter meint anders. Aber, das
muß man sagen, ein ganz eigenes Korn haben seine Meinungen in dieser
Materie. Wie er hinsichts der Zurechnungsfähigkeit der Officiere einem
der Grundsätze jener Casuisten huldigt, deren Moral man die Jesui¬
tenmoral zu nennen pflegt, so ist er auch darin Jesuit, -- er, der
Wächter auf der Zinne des Protestantismus, -- daß er in den Offi-
cieren nicht die Person angesehen wissen will, sondern lediglich den
von oben geordneten Beruf, und jeden Gelbschnabel, der das Ofsiciers-
eramen gemacht hat, als einen "Lehrer des Volkes in aller Sittlich¬
keit" ljuu,ita nome proclamirt. Es kostet dem Herrn Beobachter
nichts, der unmittelbarsten Erfahrung, dem alltäglichsten Augenschein
mit der Faust ins Gesicht zu schlagen; die Herren Officiere soll¬
ten, seiner Meinung nach, Götter sein, und hui, da sind sie's.
Der Rheinische Beobachter ist ein Schalk; er hat immer einen klei¬
nen Weg hinten herum, denkt und spricht immer so, daß die Sache
ihren Sinn hat, wenn man sie grade, und auch ihren Sinn, wenn
man sie verkehrt versteht; selbst sein Name ist ein artiges Kunststück
dieser Art: er beobachtet nicht etwa, indem er auf die Dinge achtet,


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Schulmeister sollen gelinder bestraft werden als wir, wenn wir beider¬
seits, Schulmeister und Schulkinder, in einen und denselben Fehler
verfallen? Die „Schulmeister in aller Gesittung" sollen in größerer
Versuchung sein, die sittlichen Landesgesetze zu übertreten, als wir
„Schulkinder in der Gesittung"? Und werden wir, als gute Schul¬
kinder, denn nicht unseren Schulmeistern bald genug die leichtere Ver-
führbarkeit zum Verbrechen ablernen, und nachdem wir hinlängliche
Fortschritte darin gemacht haben, ganz ebenso würdig einer milderen
Gesetzgebung sein als unsere Schulmeister? — O Herr Beobachter!
o weiser Herr Beobachter! — Es ist doch ein köstliches Ding um
eine lebhafte Imagination. Die Herren Officiere, unsere Schulmeister
in aller Gesittung! Da zum Beispiel, diese jungen Milchbarte, die
eben vom Fähndrich zum Lieutenant avancirt, und noch ziemlich naß
hinter den Ohren sind, die Schulmeister der alten Knasterbärte die
zufällig unter ihrem Cowmando stehen, die „Schulmeister in aller
Gesittung"! Wenn es so sein sollte, daß das Heer „das wassenge-
übte Volk'', der Dienst im stehenden Heere „die allgemeine Volks¬
kriegsschule" wäre, so sollte man doch denken, es müssten auch Lehrer
an dieser Schule angestellt sein, die aus dem waffengeübten Volk
hervorgegangen, mit dem in Waffen sich übenden Volke gleichsam
aufgewachsen, in keiner Weise specifisch von ihm unterschieden waren,
und deren Sittlichkeit genau nach dem Maßstabe der „allgemeinen"
Sittlichkeit „des Volkes" bemessen werden könnte und nicht irgend einen
aparten Maßstab nöthig machte; man sollte meinen, die Waffenlehrer
des in Waffen geübten Volkes dürften keinen anderen xvint et'Iioimour
haben, als den des in Waffen geübten Volkes selbst, und dieses keinen '
anderen als jene. Nun, der Herr Beobachter meint anders. Aber, das
muß man sagen, ein ganz eigenes Korn haben seine Meinungen in dieser
Materie. Wie er hinsichts der Zurechnungsfähigkeit der Officiere einem
der Grundsätze jener Casuisten huldigt, deren Moral man die Jesui¬
tenmoral zu nennen pflegt, so ist er auch darin Jesuit, — er, der
Wächter auf der Zinne des Protestantismus, — daß er in den Offi-
cieren nicht die Person angesehen wissen will, sondern lediglich den
von oben geordneten Beruf, und jeden Gelbschnabel, der das Ofsiciers-
eramen gemacht hat, als einen „Lehrer des Volkes in aller Sittlich¬
keit" ljuu,ita nome proclamirt. Es kostet dem Herrn Beobachter
nichts, der unmittelbarsten Erfahrung, dem alltäglichsten Augenschein
mit der Faust ins Gesicht zu schlagen; die Herren Officiere soll¬
ten, seiner Meinung nach, Götter sein, und hui, da sind sie's.
Der Rheinische Beobachter ist ein Schalk; er hat immer einen klei¬
nen Weg hinten herum, denkt und spricht immer so, daß die Sache
ihren Sinn hat, wenn man sie grade, und auch ihren Sinn, wenn
man sie verkehrt versteht; selbst sein Name ist ein artiges Kunststück
dieser Art: er beobachtet nicht etwa, indem er auf die Dinge achtet,


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[0049] Schulmeister sollen gelinder bestraft werden als wir, wenn wir beider¬ seits, Schulmeister und Schulkinder, in einen und denselben Fehler verfallen? Die „Schulmeister in aller Gesittung" sollen in größerer Versuchung sein, die sittlichen Landesgesetze zu übertreten, als wir „Schulkinder in der Gesittung"? Und werden wir, als gute Schul¬ kinder, denn nicht unseren Schulmeistern bald genug die leichtere Ver- führbarkeit zum Verbrechen ablernen, und nachdem wir hinlängliche Fortschritte darin gemacht haben, ganz ebenso würdig einer milderen Gesetzgebung sein als unsere Schulmeister? — O Herr Beobachter! o weiser Herr Beobachter! — Es ist doch ein köstliches Ding um eine lebhafte Imagination. Die Herren Officiere, unsere Schulmeister in aller Gesittung! Da zum Beispiel, diese jungen Milchbarte, die eben vom Fähndrich zum Lieutenant avancirt, und noch ziemlich naß hinter den Ohren sind, die Schulmeister der alten Knasterbärte die zufällig unter ihrem Cowmando stehen, die „Schulmeister in aller Gesittung"! Wenn es so sein sollte, daß das Heer „das wassenge- übte Volk'', der Dienst im stehenden Heere „die allgemeine Volks¬ kriegsschule" wäre, so sollte man doch denken, es müssten auch Lehrer an dieser Schule angestellt sein, die aus dem waffengeübten Volk hervorgegangen, mit dem in Waffen sich übenden Volke gleichsam aufgewachsen, in keiner Weise specifisch von ihm unterschieden waren, und deren Sittlichkeit genau nach dem Maßstabe der „allgemeinen" Sittlichkeit „des Volkes" bemessen werden könnte und nicht irgend einen aparten Maßstab nöthig machte; man sollte meinen, die Waffenlehrer des in Waffen geübten Volkes dürften keinen anderen xvint et'Iioimour haben, als den des in Waffen geübten Volkes selbst, und dieses keinen ' anderen als jene. Nun, der Herr Beobachter meint anders. Aber, das muß man sagen, ein ganz eigenes Korn haben seine Meinungen in dieser Materie. Wie er hinsichts der Zurechnungsfähigkeit der Officiere einem der Grundsätze jener Casuisten huldigt, deren Moral man die Jesui¬ tenmoral zu nennen pflegt, so ist er auch darin Jesuit, — er, der Wächter auf der Zinne des Protestantismus, — daß er in den Offi- cieren nicht die Person angesehen wissen will, sondern lediglich den von oben geordneten Beruf, und jeden Gelbschnabel, der das Ofsiciers- eramen gemacht hat, als einen „Lehrer des Volkes in aller Sittlich¬ keit" ljuu,ita nome proclamirt. Es kostet dem Herrn Beobachter nichts, der unmittelbarsten Erfahrung, dem alltäglichsten Augenschein mit der Faust ins Gesicht zu schlagen; die Herren Officiere soll¬ ten, seiner Meinung nach, Götter sein, und hui, da sind sie's. Der Rheinische Beobachter ist ein Schalk; er hat immer einen klei¬ nen Weg hinten herum, denkt und spricht immer so, daß die Sache ihren Sinn hat, wenn man sie grade, und auch ihren Sinn, wenn man sie verkehrt versteht; selbst sein Name ist ein artiges Kunststück dieser Art: er beobachtet nicht etwa, indem er auf die Dinge achtet, s>ren,b«t«n, I8i«. I. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/49>, abgerufen am 23.12.2024.