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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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seiche, populäre übersetzt, hat aus dem äußern Rath einen ei¬
sern Rath gemacht, wahrscheinlich weil Eisen sich nach Belie¬
ben hämmern läßt.

Die Pricstcrwürde eines Bürgerrepräsentanten oder eisernen
Rathes wird aber nicht wie in den gottlosen Städten Frankreichs,
oder in dem ketzerischen England, dem ersten besten zu Theil, den
das Vertrauen seiner Mitbürger dazu erwählt, sondern der Patriot,
der diesen einflußreichen, mächtigen Posten erzielen will, muß sich
Verdienste um den Staat oder um die Stadt erworben liaber, und
hierüber zu urtheilen ist natürlich Niemand compctenter, als eben
wieder die Behörde! Die unerschütterlichen, eisernen Volkstribunen,
welche die Bestimmung haben, an der Seite der k. k. Beamten die
unabhängige Meinung der Bürgerschaft zu vertreten, werden daher
in wunderbarer, logischer Gedankenschärfe von diesen Beamten selbst
zu dieser Charge ernannt, nachdem man sich durch eine Reihe von
Jahren von der Loyalität, von dem Eifer und den Verdiensten des
Candidaten überzeugte, worunter natürlich in erster Reihe Freimuth
und ein unabhängiger, eisenfester Charakter zu verstehen ist.

O Mann des Raths! Eiserner! Aeußerster! Deine Laufbahn
ist schwer und wir kennen ihre Dornen. Da lachen sie und spöt¬
teln über deinen Ehrgeiz, und wissen nicht', daß du allein über den
Gang der Gerechtigkeit wachst, daß du zwanzig Jahre der Gott
der unschuldig Angeklagten gewesen bist, und wie ein Genius der
Unschuld dem Richter beim Verhör an der Seite saßest, damit die
Zunge der Wagschale nicht nach Willkühr sich beuge.

Respect! meine Leser. Was hier gesagt wird, ist keine Ironie.
Eines der Verdienste, welches zu dem Ehrensitz im äußern Rath
führt, ist der Fleiß, mit welchem ein Bürger den gerichtlichen Ver¬
hören der Verbrecher beigewohnt hat. Die österreichische Criminal-
gerichtöordnung verräth nämlich auf einigen Stellen offenbare Ge¬
wissensbisse wegen Beseitigung der Oeffentlichkeit der Gerichte. Sie
kann es sich nicht verhehlen, daß bei der eingeführten Heimlichkeit,
der Angeklagte allzu sehr der Willkühr des Untersuchungsrichters
ausgesetzt ist. Diesem Uebelstande einigermaßen zu begegnen, ord¬
net sie an, daß bei der Untersuchung jedesmal zwei Beisitzer aus
dem Bürgerstande zugegen sein sollen, eine Art Schutzwache für
den Angeklagten, die als ein schwacher Schatten, aber doch als


seiche, populäre übersetzt, hat aus dem äußern Rath einen ei¬
sern Rath gemacht, wahrscheinlich weil Eisen sich nach Belie¬
ben hämmern läßt.

Die Pricstcrwürde eines Bürgerrepräsentanten oder eisernen
Rathes wird aber nicht wie in den gottlosen Städten Frankreichs,
oder in dem ketzerischen England, dem ersten besten zu Theil, den
das Vertrauen seiner Mitbürger dazu erwählt, sondern der Patriot,
der diesen einflußreichen, mächtigen Posten erzielen will, muß sich
Verdienste um den Staat oder um die Stadt erworben liaber, und
hierüber zu urtheilen ist natürlich Niemand compctenter, als eben
wieder die Behörde! Die unerschütterlichen, eisernen Volkstribunen,
welche die Bestimmung haben, an der Seite der k. k. Beamten die
unabhängige Meinung der Bürgerschaft zu vertreten, werden daher
in wunderbarer, logischer Gedankenschärfe von diesen Beamten selbst
zu dieser Charge ernannt, nachdem man sich durch eine Reihe von
Jahren von der Loyalität, von dem Eifer und den Verdiensten des
Candidaten überzeugte, worunter natürlich in erster Reihe Freimuth
und ein unabhängiger, eisenfester Charakter zu verstehen ist.

O Mann des Raths! Eiserner! Aeußerster! Deine Laufbahn
ist schwer und wir kennen ihre Dornen. Da lachen sie und spöt¬
teln über deinen Ehrgeiz, und wissen nicht', daß du allein über den
Gang der Gerechtigkeit wachst, daß du zwanzig Jahre der Gott
der unschuldig Angeklagten gewesen bist, und wie ein Genius der
Unschuld dem Richter beim Verhör an der Seite saßest, damit die
Zunge der Wagschale nicht nach Willkühr sich beuge.

Respect! meine Leser. Was hier gesagt wird, ist keine Ironie.
Eines der Verdienste, welches zu dem Ehrensitz im äußern Rath
führt, ist der Fleiß, mit welchem ein Bürger den gerichtlichen Ver¬
hören der Verbrecher beigewohnt hat. Die österreichische Criminal-
gerichtöordnung verräth nämlich auf einigen Stellen offenbare Ge¬
wissensbisse wegen Beseitigung der Oeffentlichkeit der Gerichte. Sie
kann es sich nicht verhehlen, daß bei der eingeführten Heimlichkeit,
der Angeklagte allzu sehr der Willkühr des Untersuchungsrichters
ausgesetzt ist. Diesem Uebelstande einigermaßen zu begegnen, ord¬
net sie an, daß bei der Untersuchung jedesmal zwei Beisitzer aus
dem Bürgerstande zugegen sein sollen, eine Art Schutzwache für
den Angeklagten, die als ein schwacher Schatten, aber doch als


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[0484] seiche, populäre übersetzt, hat aus dem äußern Rath einen ei¬ sern Rath gemacht, wahrscheinlich weil Eisen sich nach Belie¬ ben hämmern läßt. Die Pricstcrwürde eines Bürgerrepräsentanten oder eisernen Rathes wird aber nicht wie in den gottlosen Städten Frankreichs, oder in dem ketzerischen England, dem ersten besten zu Theil, den das Vertrauen seiner Mitbürger dazu erwählt, sondern der Patriot, der diesen einflußreichen, mächtigen Posten erzielen will, muß sich Verdienste um den Staat oder um die Stadt erworben liaber, und hierüber zu urtheilen ist natürlich Niemand compctenter, als eben wieder die Behörde! Die unerschütterlichen, eisernen Volkstribunen, welche die Bestimmung haben, an der Seite der k. k. Beamten die unabhängige Meinung der Bürgerschaft zu vertreten, werden daher in wunderbarer, logischer Gedankenschärfe von diesen Beamten selbst zu dieser Charge ernannt, nachdem man sich durch eine Reihe von Jahren von der Loyalität, von dem Eifer und den Verdiensten des Candidaten überzeugte, worunter natürlich in erster Reihe Freimuth und ein unabhängiger, eisenfester Charakter zu verstehen ist. O Mann des Raths! Eiserner! Aeußerster! Deine Laufbahn ist schwer und wir kennen ihre Dornen. Da lachen sie und spöt¬ teln über deinen Ehrgeiz, und wissen nicht', daß du allein über den Gang der Gerechtigkeit wachst, daß du zwanzig Jahre der Gott der unschuldig Angeklagten gewesen bist, und wie ein Genius der Unschuld dem Richter beim Verhör an der Seite saßest, damit die Zunge der Wagschale nicht nach Willkühr sich beuge. Respect! meine Leser. Was hier gesagt wird, ist keine Ironie. Eines der Verdienste, welches zu dem Ehrensitz im äußern Rath führt, ist der Fleiß, mit welchem ein Bürger den gerichtlichen Ver¬ hören der Verbrecher beigewohnt hat. Die österreichische Criminal- gerichtöordnung verräth nämlich auf einigen Stellen offenbare Ge¬ wissensbisse wegen Beseitigung der Oeffentlichkeit der Gerichte. Sie kann es sich nicht verhehlen, daß bei der eingeführten Heimlichkeit, der Angeklagte allzu sehr der Willkühr des Untersuchungsrichters ausgesetzt ist. Diesem Uebelstande einigermaßen zu begegnen, ord¬ net sie an, daß bei der Untersuchung jedesmal zwei Beisitzer aus dem Bürgerstande zugegen sein sollen, eine Art Schutzwache für den Angeklagten, die als ein schwacher Schatten, aber doch als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/484>, abgerufen am 01.09.2024.