Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Briefchen, die ich fast alltäglich während meines Aufenthaltes in -- Das gefällt mir von der Frau. -- Ach ja, ich weiß es; Sie sind leider Gottes auch so eine Briefchen, die ich fast alltäglich während meines Aufenthaltes in — Das gefällt mir von der Frau. — Ach ja, ich weiß es; Sie sind leider Gottes auch so eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182261"/> <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055"> Briefchen, die ich fast alltäglich während meines Aufenthaltes in<lb/> Weimar erhielt, mit Verhaltungsbefehlen, strengen Verweise», lie¬<lb/> ben Einladungen u. s. w. Aber Sie thun ihr Unrecht, wenn Sie<lb/> glauben, sie könne nur Büchlein für Kinder schreiben. Gott be¬<lb/> wahre, sie soll auch manchen sehr schönen Roman, und manche<lb/> sehr interessante Novelle noch geschrieben haben, als da ist - „das<lb/> Stiftsfräulein, oder der Criminalrath". Auch „das Buch für Kam¬<lb/> merjungfern" ist von ihr; da ich aber nie die Absicht hatte, eine<lb/> gute Kammerjungfer zu werden, so habe ich auch dieses Buch, wie<lb/> die meisten ihrer Werke, nicht gelesen, und kann Ihnen daher kein<lb/> bestimmtes Urtheil abgeben. Doch denke ich mir, daß gewiß Alles<lb/> von Amalia Winter mit Geist und herzlichem Wohlwollen geschrie¬<lb/> ben sein mag, denn beides besitzt sie, wenn sie es auch manchmal<lb/> auf bizarre Art offenbart. Sie heißt eigentlich Amalia von Groß,<lb/> und ist eine arge Aristokratin, obwohl sie sich es selbst nicht einge¬<lb/> steht, was sie aber, so oft sie liberal sein will, aufs Augenschein¬<lb/> lichste darthut. Sie ist eine Frau von mittlern Jahren, der man<lb/> noch eine schöne Vergangenheit ansieht; zumal ihr blaues Auge er¬<lb/> zählt viel davon. Feine aristokratische Manieren, freie, ungezwun¬<lb/> gene Bewegung, etwas unmerkliche Verstellung verrathen die Dame<lb/> vom Hofe, die sie auch mit Leib und Seele ist. Besonders am<lb/> Erbprinzen von Weimar, der wirklich liebenswürdig, und wie alle<lb/> Erbprinzen, freisinnig ist, hängt sie mit außerordentlicher Liebe.<lb/> Von ihm spricht sie am liebsten; ihn schildert sie am liebsten, wenn<lb/> sie in ihren Büchern einen jungen Helden oder einen idealen Fin><lb/> sten braucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1057"> — Das gefällt mir von der Frau.</p><lb/> <p xml:id="ID_1058" next="#ID_1059"> — Ach ja, ich weiß es; Sie sind leider Gottes auch so eine<lb/> starre Royalistin, wie es die meisten Frauen sind, vorzüglich der<lb/> Prinzen wegen. Amalia Winter wird auch sehr oft von ihrem<lb/> Prinzen besucht. Da fährt plötzlich an der hintern Gartenmauer<lb/> ein Wagen vor, das Gartenpförtlcin thut sich auf, und herein<lb/> tritt ein schlanker, schöner, junger Mann mit einem blitzenden Stern<lb/> auf der Brust. Eine schöne Scene sür ein Stück, oder eine Ope¬<lb/> rette aus den achtziger Jahren. Damals wäre das rührend ge¬<lb/> wesen; heute findet man es obwohl schön, doch auch ganz natür¬<lb/> lich, daß sich auch ein Prinz mit einer geistreichen Frau unter¬<lb/> halten will. Aber eben so schön ist es von meiner verehrten Freun-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0451]
Briefchen, die ich fast alltäglich während meines Aufenthaltes in
Weimar erhielt, mit Verhaltungsbefehlen, strengen Verweise», lie¬
ben Einladungen u. s. w. Aber Sie thun ihr Unrecht, wenn Sie
glauben, sie könne nur Büchlein für Kinder schreiben. Gott be¬
wahre, sie soll auch manchen sehr schönen Roman, und manche
sehr interessante Novelle noch geschrieben haben, als da ist - „das
Stiftsfräulein, oder der Criminalrath". Auch „das Buch für Kam¬
merjungfern" ist von ihr; da ich aber nie die Absicht hatte, eine
gute Kammerjungfer zu werden, so habe ich auch dieses Buch, wie
die meisten ihrer Werke, nicht gelesen, und kann Ihnen daher kein
bestimmtes Urtheil abgeben. Doch denke ich mir, daß gewiß Alles
von Amalia Winter mit Geist und herzlichem Wohlwollen geschrie¬
ben sein mag, denn beides besitzt sie, wenn sie es auch manchmal
auf bizarre Art offenbart. Sie heißt eigentlich Amalia von Groß,
und ist eine arge Aristokratin, obwohl sie sich es selbst nicht einge¬
steht, was sie aber, so oft sie liberal sein will, aufs Augenschein¬
lichste darthut. Sie ist eine Frau von mittlern Jahren, der man
noch eine schöne Vergangenheit ansieht; zumal ihr blaues Auge er¬
zählt viel davon. Feine aristokratische Manieren, freie, ungezwun¬
gene Bewegung, etwas unmerkliche Verstellung verrathen die Dame
vom Hofe, die sie auch mit Leib und Seele ist. Besonders am
Erbprinzen von Weimar, der wirklich liebenswürdig, und wie alle
Erbprinzen, freisinnig ist, hängt sie mit außerordentlicher Liebe.
Von ihm spricht sie am liebsten; ihn schildert sie am liebsten, wenn
sie in ihren Büchern einen jungen Helden oder einen idealen Fin>
sten braucht.
— Das gefällt mir von der Frau.
— Ach ja, ich weiß es; Sie sind leider Gottes auch so eine
starre Royalistin, wie es die meisten Frauen sind, vorzüglich der
Prinzen wegen. Amalia Winter wird auch sehr oft von ihrem
Prinzen besucht. Da fährt plötzlich an der hintern Gartenmauer
ein Wagen vor, das Gartenpförtlcin thut sich auf, und herein
tritt ein schlanker, schöner, junger Mann mit einem blitzenden Stern
auf der Brust. Eine schöne Scene sür ein Stück, oder eine Ope¬
rette aus den achtziger Jahren. Damals wäre das rührend ge¬
wesen; heute findet man es obwohl schön, doch auch ganz natür¬
lich, daß sich auch ein Prinz mit einer geistreichen Frau unter¬
halten will. Aber eben so schön ist es von meiner verehrten Freun-
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