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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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habe Achtung vor den Geheimnissen und inneren Bewegungen, selbst
vor den Irrungen einer poetischen Frauenseele, und ich schweige
davon, weil auch Betty Paoli davon zu schweigen liebt.

Wenn ich sie überlebe, dann Eugenie, sollen Sie auch eine
ausführliche Biographie dieser Dichterin erhalten. Gegenwärtig
lebt sie im Hause der Fürstin S", der geistvollen, edlen Wittwe
des Feldmarschalls von Leipzig, und ihres Sohnes des Fürsten
Friedrich, des ritterlichen "Lanzenknechtes," des an Abentheuern
reichen "Capitain Wolf." Sie können denken, daß das eine in¬
teressante Trias giebt. Ziehen Sie schnell ein neues Buch, sonst
versenke ich mich in Erinnerung alter Zeiten, und ich weiß nicht
wo und wie zu enden.

-- Nicht doch, ich wollte Sie schon vorhin über eine Dichte¬
rin befragen, die mich interessirt, obwohl ich noch nichts von ihr
gelesen. Zu Weihnachten kaufte ich für die Kinder meiner Schwe¬
ster zwei kleine Büchlein, Memoiren eines bleiernen Soldaten und
Alma's Wäldchen. Die Kinder sind mir dafür dankbarer, als für
alles Zuckerwerk, das ich ihnen je gegeben, und sprechen und träu¬
men von nichts anderem, als vom bleiernen Soldaten und von
Alma's Wäldchen. Kennen Sie vielleicht Amalia Winter, die Ver¬
fasserin dieser Büchlein? Ich interessire mich für eine Frau, die
kindliche Seelen so einzunehmen und zu beschäftigen weiß.

-- Ach, Eugenie, mit dieser Frau erinnern Sie mich zugleich
an fünf schone Wochen aus meinem Leben. Ob ich Amalia Win¬
ter kenne? Sie ist ja meine liebe Gastfreundin aus Weimar, meine
"Mama," wie sie sich, ihrem Alter selbst Unrecht thuend, nannte;
sie ist ja eine von den Frauen, die sich im "Wittwensitz der Mu¬
sen" Mühe geben, die kleinen Fünkchen, die von der ehemaligen
großen, alle Welt durchstrahlenden Sonne Weimars übrig blieben
lebend zu erhalten. Es ist eine liebe, liebe Frau, und das Leben
das sie führt, ist einer Dichterin würdig. Mit innigem Vergnü¬
gen erinnere ich mich an die Morgen - und Nachmittagsstunden,
die ich mit ihr allein gemüthlich plaudernd, disputirend, oft zan¬
kend, oder auch in Gesellschaft schöner Frauen und geistreicher
Freunde zubrachte, und ein liebes Andenken sind mir ihre kleinen


habe Achtung vor den Geheimnissen und inneren Bewegungen, selbst
vor den Irrungen einer poetischen Frauenseele, und ich schweige
davon, weil auch Betty Paoli davon zu schweigen liebt.

Wenn ich sie überlebe, dann Eugenie, sollen Sie auch eine
ausführliche Biographie dieser Dichterin erhalten. Gegenwärtig
lebt sie im Hause der Fürstin S", der geistvollen, edlen Wittwe
des Feldmarschalls von Leipzig, und ihres Sohnes des Fürsten
Friedrich, des ritterlichen „Lanzenknechtes," des an Abentheuern
reichen „Capitain Wolf." Sie können denken, daß das eine in¬
teressante Trias giebt. Ziehen Sie schnell ein neues Buch, sonst
versenke ich mich in Erinnerung alter Zeiten, und ich weiß nicht
wo und wie zu enden.

— Nicht doch, ich wollte Sie schon vorhin über eine Dichte¬
rin befragen, die mich interessirt, obwohl ich noch nichts von ihr
gelesen. Zu Weihnachten kaufte ich für die Kinder meiner Schwe¬
ster zwei kleine Büchlein, Memoiren eines bleiernen Soldaten und
Alma's Wäldchen. Die Kinder sind mir dafür dankbarer, als für
alles Zuckerwerk, das ich ihnen je gegeben, und sprechen und träu¬
men von nichts anderem, als vom bleiernen Soldaten und von
Alma's Wäldchen. Kennen Sie vielleicht Amalia Winter, die Ver¬
fasserin dieser Büchlein? Ich interessire mich für eine Frau, die
kindliche Seelen so einzunehmen und zu beschäftigen weiß.

— Ach, Eugenie, mit dieser Frau erinnern Sie mich zugleich
an fünf schone Wochen aus meinem Leben. Ob ich Amalia Win¬
ter kenne? Sie ist ja meine liebe Gastfreundin aus Weimar, meine
„Mama," wie sie sich, ihrem Alter selbst Unrecht thuend, nannte;
sie ist ja eine von den Frauen, die sich im „Wittwensitz der Mu¬
sen" Mühe geben, die kleinen Fünkchen, die von der ehemaligen
großen, alle Welt durchstrahlenden Sonne Weimars übrig blieben
lebend zu erhalten. Es ist eine liebe, liebe Frau, und das Leben
das sie führt, ist einer Dichterin würdig. Mit innigem Vergnü¬
gen erinnere ich mich an die Morgen - und Nachmittagsstunden,
die ich mit ihr allein gemüthlich plaudernd, disputirend, oft zan¬
kend, oder auch in Gesellschaft schöner Frauen und geistreicher
Freunde zubrachte, und ein liebes Andenken sind mir ihre kleinen


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[0450] habe Achtung vor den Geheimnissen und inneren Bewegungen, selbst vor den Irrungen einer poetischen Frauenseele, und ich schweige davon, weil auch Betty Paoli davon zu schweigen liebt. Wenn ich sie überlebe, dann Eugenie, sollen Sie auch eine ausführliche Biographie dieser Dichterin erhalten. Gegenwärtig lebt sie im Hause der Fürstin S", der geistvollen, edlen Wittwe des Feldmarschalls von Leipzig, und ihres Sohnes des Fürsten Friedrich, des ritterlichen „Lanzenknechtes," des an Abentheuern reichen „Capitain Wolf." Sie können denken, daß das eine in¬ teressante Trias giebt. Ziehen Sie schnell ein neues Buch, sonst versenke ich mich in Erinnerung alter Zeiten, und ich weiß nicht wo und wie zu enden. — Nicht doch, ich wollte Sie schon vorhin über eine Dichte¬ rin befragen, die mich interessirt, obwohl ich noch nichts von ihr gelesen. Zu Weihnachten kaufte ich für die Kinder meiner Schwe¬ ster zwei kleine Büchlein, Memoiren eines bleiernen Soldaten und Alma's Wäldchen. Die Kinder sind mir dafür dankbarer, als für alles Zuckerwerk, das ich ihnen je gegeben, und sprechen und träu¬ men von nichts anderem, als vom bleiernen Soldaten und von Alma's Wäldchen. Kennen Sie vielleicht Amalia Winter, die Ver¬ fasserin dieser Büchlein? Ich interessire mich für eine Frau, die kindliche Seelen so einzunehmen und zu beschäftigen weiß. — Ach, Eugenie, mit dieser Frau erinnern Sie mich zugleich an fünf schone Wochen aus meinem Leben. Ob ich Amalia Win¬ ter kenne? Sie ist ja meine liebe Gastfreundin aus Weimar, meine „Mama," wie sie sich, ihrem Alter selbst Unrecht thuend, nannte; sie ist ja eine von den Frauen, die sich im „Wittwensitz der Mu¬ sen" Mühe geben, die kleinen Fünkchen, die von der ehemaligen großen, alle Welt durchstrahlenden Sonne Weimars übrig blieben lebend zu erhalten. Es ist eine liebe, liebe Frau, und das Leben das sie führt, ist einer Dichterin würdig. Mit innigem Vergnü¬ gen erinnere ich mich an die Morgen - und Nachmittagsstunden, die ich mit ihr allein gemüthlich plaudernd, disputirend, oft zan¬ kend, oder auch in Gesellschaft schöner Frauen und geistreicher Freunde zubrachte, und ein liebes Andenken sind mir ihre kleinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/450>, abgerufen am 06.10.2024.