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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Leider kam ein Brief, der mich zwang, den Tag nachher, als
ich Bettina zum ersten und letzten Male gesehen, plötzlich abzurei¬
sen, und ich bin um eine schöne, gewiß poesiereiche Erfahrung und
Bekanntschaft ärmer. Aber, aber, ich habe doch eine Berliner
Schriftstellerin kennen gelernt, und das ist Louise, eigentlich Clara
Mühlbach, eigentlich Müller, die Frau Theodor Mundes. Ich
kann Ihnen nicht viel mehr von ihr erzählen, als daß ich Berliner
Thee und Meklenburgische Gemüthlichkeit bei ihr genossen. Erste¬
rer ist bekannt, so zu sagen, berüchtigt, letztere verdiente berühmt zu
sein, trotz der Meklenburger Junkerschaft, Frohnden und Jagdge¬
setze. Louise Mühlbach ist eine bürgerliche Meklenburgerin, und es
ist ihr also die Möglichkeit gelassen, gemüthlich zu sein, und sie
macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Trotz dem Berliner Phi¬
losophiren und Räsonniren, guckt doch überall bei ihr das breite,
rothbackige Gesicht der Meklenburger Gutmüthigkeit hervor. Köst¬
lich ist Louise Mühlbach, wenn sie dem aufmerksamen Hörer die
Art ihres Schaffens und Zeugers, will sagen, ihrer Schriftstellerei
auseinandersetzt. Man glaubt, es sei von einem warmen Bade
die Rede, mit solcher Behaglichkeit spricht sie von ihrem Schreib¬
pulte. Da ist von keinem Byron'sehen Kampf, von keinem Wü¬
then und keiner Zerrissenheit zu hören, nein! "wenn ich mich zum
Schreiben niedersetze", sagt sie, "geht das so leicht und reißend schnell
vorwärts, daß ich nicht weiß, wann aufhören". Wenigstens muß
man gestehen, Louise Mühlbach macht sich nicht besser und nicht
schlechter, was doch die meisten Schriftstellerinnen im Buche und
im Leben so gerne thun. Ist Ihnen die Gräfin Hahn, wenn Sie
ihre Bücher lasen, nicht schon tausendmal unausstehlich geworden,
und haben Sie nicht, um gräflich Hahnisch zu sprechen, einen De-
pit, einen wahren Iio^cur vor ihr empfunden? Und doch soll sie
auf ihrem Zimmer die liebenswürdigste, anspruchloseste Frau sein!
Kaum glaublich? Eine Dame, und zwar eine schreibende Dame,
versicherte mich dessen, und da muß es doch wahr sein. Diese schrei¬
bende Dame ist Louise Mühlbach selbst, von der ich Ihnen noch zu
sagen habe, daß sie eine imposante, wahrhaft grandiose Gestalt ist,
vor der man erschrecken müßte, wenn nicht ihr hübsches Auge und
die Gutmüthigkeit des ganzen Gesichtes den Eindruck milderte. Doch
ich kann nicht weiter. Ziehen Sie gefälligst ein Buch!


Leider kam ein Brief, der mich zwang, den Tag nachher, als
ich Bettina zum ersten und letzten Male gesehen, plötzlich abzurei¬
sen, und ich bin um eine schöne, gewiß poesiereiche Erfahrung und
Bekanntschaft ärmer. Aber, aber, ich habe doch eine Berliner
Schriftstellerin kennen gelernt, und das ist Louise, eigentlich Clara
Mühlbach, eigentlich Müller, die Frau Theodor Mundes. Ich
kann Ihnen nicht viel mehr von ihr erzählen, als daß ich Berliner
Thee und Meklenburgische Gemüthlichkeit bei ihr genossen. Erste¬
rer ist bekannt, so zu sagen, berüchtigt, letztere verdiente berühmt zu
sein, trotz der Meklenburger Junkerschaft, Frohnden und Jagdge¬
setze. Louise Mühlbach ist eine bürgerliche Meklenburgerin, und es
ist ihr also die Möglichkeit gelassen, gemüthlich zu sein, und sie
macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Trotz dem Berliner Phi¬
losophiren und Räsonniren, guckt doch überall bei ihr das breite,
rothbackige Gesicht der Meklenburger Gutmüthigkeit hervor. Köst¬
lich ist Louise Mühlbach, wenn sie dem aufmerksamen Hörer die
Art ihres Schaffens und Zeugers, will sagen, ihrer Schriftstellerei
auseinandersetzt. Man glaubt, es sei von einem warmen Bade
die Rede, mit solcher Behaglichkeit spricht sie von ihrem Schreib¬
pulte. Da ist von keinem Byron'sehen Kampf, von keinem Wü¬
then und keiner Zerrissenheit zu hören, nein! „wenn ich mich zum
Schreiben niedersetze", sagt sie, „geht das so leicht und reißend schnell
vorwärts, daß ich nicht weiß, wann aufhören". Wenigstens muß
man gestehen, Louise Mühlbach macht sich nicht besser und nicht
schlechter, was doch die meisten Schriftstellerinnen im Buche und
im Leben so gerne thun. Ist Ihnen die Gräfin Hahn, wenn Sie
ihre Bücher lasen, nicht schon tausendmal unausstehlich geworden,
und haben Sie nicht, um gräflich Hahnisch zu sprechen, einen De-
pit, einen wahren Iio^cur vor ihr empfunden? Und doch soll sie
auf ihrem Zimmer die liebenswürdigste, anspruchloseste Frau sein!
Kaum glaublich? Eine Dame, und zwar eine schreibende Dame,
versicherte mich dessen, und da muß es doch wahr sein. Diese schrei¬
bende Dame ist Louise Mühlbach selbst, von der ich Ihnen noch zu
sagen habe, daß sie eine imposante, wahrhaft grandiose Gestalt ist,
vor der man erschrecken müßte, wenn nicht ihr hübsches Auge und
die Gutmüthigkeit des ganzen Gesichtes den Eindruck milderte. Doch
ich kann nicht weiter. Ziehen Sie gefälligst ein Buch!


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[0446] Leider kam ein Brief, der mich zwang, den Tag nachher, als ich Bettina zum ersten und letzten Male gesehen, plötzlich abzurei¬ sen, und ich bin um eine schöne, gewiß poesiereiche Erfahrung und Bekanntschaft ärmer. Aber, aber, ich habe doch eine Berliner Schriftstellerin kennen gelernt, und das ist Louise, eigentlich Clara Mühlbach, eigentlich Müller, die Frau Theodor Mundes. Ich kann Ihnen nicht viel mehr von ihr erzählen, als daß ich Berliner Thee und Meklenburgische Gemüthlichkeit bei ihr genossen. Erste¬ rer ist bekannt, so zu sagen, berüchtigt, letztere verdiente berühmt zu sein, trotz der Meklenburger Junkerschaft, Frohnden und Jagdge¬ setze. Louise Mühlbach ist eine bürgerliche Meklenburgerin, und es ist ihr also die Möglichkeit gelassen, gemüthlich zu sein, und sie macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Trotz dem Berliner Phi¬ losophiren und Räsonniren, guckt doch überall bei ihr das breite, rothbackige Gesicht der Meklenburger Gutmüthigkeit hervor. Köst¬ lich ist Louise Mühlbach, wenn sie dem aufmerksamen Hörer die Art ihres Schaffens und Zeugers, will sagen, ihrer Schriftstellerei auseinandersetzt. Man glaubt, es sei von einem warmen Bade die Rede, mit solcher Behaglichkeit spricht sie von ihrem Schreib¬ pulte. Da ist von keinem Byron'sehen Kampf, von keinem Wü¬ then und keiner Zerrissenheit zu hören, nein! „wenn ich mich zum Schreiben niedersetze", sagt sie, „geht das so leicht und reißend schnell vorwärts, daß ich nicht weiß, wann aufhören". Wenigstens muß man gestehen, Louise Mühlbach macht sich nicht besser und nicht schlechter, was doch die meisten Schriftstellerinnen im Buche und im Leben so gerne thun. Ist Ihnen die Gräfin Hahn, wenn Sie ihre Bücher lasen, nicht schon tausendmal unausstehlich geworden, und haben Sie nicht, um gräflich Hahnisch zu sprechen, einen De- pit, einen wahren Iio^cur vor ihr empfunden? Und doch soll sie auf ihrem Zimmer die liebenswürdigste, anspruchloseste Frau sein! Kaum glaublich? Eine Dame, und zwar eine schreibende Dame, versicherte mich dessen, und da muß es doch wahr sein. Diese schrei¬ bende Dame ist Louise Mühlbach selbst, von der ich Ihnen noch zu sagen habe, daß sie eine imposante, wahrhaft grandiose Gestalt ist, vor der man erschrecken müßte, wenn nicht ihr hübsches Auge und die Gutmüthigkeit des ganzen Gesichtes den Eindruck milderte. Doch ich kann nicht weiter. Ziehen Sie gefälligst ein Buch!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/446>, abgerufen am 07.10.2024.