Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ches, Unschuldiges, was unendlich reizend ist. Weiß Gott, Euge-
nie, Sie haben eben unwillkürlich kleine Augen gemacht.

-- Sie sind sehr eitel, mein Freund!

-- Und Sie sehen liebenswürdig und kindlich auch mit gro¬
ßen Augen, denn auch große Augen können nach Verhältniß --

-- Ich bitte, die großen Augen in Ruhe zu lassen und von
Frau von Bacharacht fortzufahren.

-- Ich kenne keine Frau von Bacharacht, ich kenne nur die
Schriftstellerin Therese. Als Therese ging, lud sie mich sehr freund¬
lich ein, sie diesen Abend in ihrer Loge zu besuchen. Wie gern
nahm ich diese Einladung an. Doch kam ich erst zum zweiten
Acte, während des ersten sah ich mir sie noch von der Gallerie aus
ganz genau an- Man gab den verwunschenen Prinzen und Meir-
ner war wirklich köstlich komisch. Wir lachten sehr viel mit einan¬
der, und hat man einmal zusammen gelacht, so ist die nähere Be¬
kanntschaft bald gemacht. In den Zwischenacten sprachen wir über
hundert Dinge, und Therese fütterte meinen jungen Ruhm, das
kleine Wickelkind, mit den süßesten Bonbons, will sagen mit aller¬
liebsten Complimenten, die ich mir von der Hand einer solchen
Dame behagen ließ. Leider dauert das Stück nicht lange, doch
konnte ich indessen die schöne Erfahrung machen, daß die aristokra¬
tische Therese, die ich mir stolz, vornehm, kalt gedacht hatte, sehr
herzlich sein und sehr herzlich lachen konnte. - Leider liegt der Gast¬
hof, wo sie wohnte und an dessen Thor ich sie noch begleitete,
ganz nahe am Theater, -- und leider reiste sie schon am andern
Morgen ab, und ich habe sie seit jener Zeit nicht wieder gesehen.

Fast ebenso ging es mir in einer französischen Stadt mit der
bekannten, sentimentalen Dichterin Debord-Valmore, doch ich will
bei unsern deutschen, schreibenden Frauen bleiben, sonst könnte ich
Ihnen noch von der italienischen Dichterin Carlina T....e erzäh¬
len, die ich in einer italienischen Stadt kennen gelernt. Ach diese
Carolina ist eine rührende, tragische Erscheinung. Jung und blind,
wie sie ist, singt sie die herrlichsten, doch auch traurigsten Lieder,
wie eine geblendete Nachtigall. Stundenlang saß ich im Garten
an den Ufern der Brenta zu ihren Füßen und hörte ihr zu, wenn
sie mir von den herrlichen Thälern, von den blauen Bergen, von
den wunderbaren Meteoren am Himmel und von den schönen Ril-


ches, Unschuldiges, was unendlich reizend ist. Weiß Gott, Euge-
nie, Sie haben eben unwillkürlich kleine Augen gemacht.

— Sie sind sehr eitel, mein Freund!

— Und Sie sehen liebenswürdig und kindlich auch mit gro¬
ßen Augen, denn auch große Augen können nach Verhältniß —

— Ich bitte, die großen Augen in Ruhe zu lassen und von
Frau von Bacharacht fortzufahren.

— Ich kenne keine Frau von Bacharacht, ich kenne nur die
Schriftstellerin Therese. Als Therese ging, lud sie mich sehr freund¬
lich ein, sie diesen Abend in ihrer Loge zu besuchen. Wie gern
nahm ich diese Einladung an. Doch kam ich erst zum zweiten
Acte, während des ersten sah ich mir sie noch von der Gallerie aus
ganz genau an- Man gab den verwunschenen Prinzen und Meir-
ner war wirklich köstlich komisch. Wir lachten sehr viel mit einan¬
der, und hat man einmal zusammen gelacht, so ist die nähere Be¬
kanntschaft bald gemacht. In den Zwischenacten sprachen wir über
hundert Dinge, und Therese fütterte meinen jungen Ruhm, das
kleine Wickelkind, mit den süßesten Bonbons, will sagen mit aller¬
liebsten Complimenten, die ich mir von der Hand einer solchen
Dame behagen ließ. Leider dauert das Stück nicht lange, doch
konnte ich indessen die schöne Erfahrung machen, daß die aristokra¬
tische Therese, die ich mir stolz, vornehm, kalt gedacht hatte, sehr
herzlich sein und sehr herzlich lachen konnte. - Leider liegt der Gast¬
hof, wo sie wohnte und an dessen Thor ich sie noch begleitete,
ganz nahe am Theater, — und leider reiste sie schon am andern
Morgen ab, und ich habe sie seit jener Zeit nicht wieder gesehen.

Fast ebenso ging es mir in einer französischen Stadt mit der
bekannten, sentimentalen Dichterin Debord-Valmore, doch ich will
bei unsern deutschen, schreibenden Frauen bleiben, sonst könnte ich
Ihnen noch von der italienischen Dichterin Carlina T....e erzäh¬
len, die ich in einer italienischen Stadt kennen gelernt. Ach diese
Carolina ist eine rührende, tragische Erscheinung. Jung und blind,
wie sie ist, singt sie die herrlichsten, doch auch traurigsten Lieder,
wie eine geblendete Nachtigall. Stundenlang saß ich im Garten
an den Ufern der Brenta zu ihren Füßen und hörte ihr zu, wenn
sie mir von den herrlichen Thälern, von den blauen Bergen, von
den wunderbaren Meteoren am Himmel und von den schönen Ril-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182250"/>
          <p xml:id="ID_1018" prev="#ID_1017"> ches, Unschuldiges, was unendlich reizend ist. Weiß Gott, Euge-<lb/>
nie, Sie haben eben unwillkürlich kleine Augen gemacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1019"> &#x2014; Sie sind sehr eitel, mein Freund!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1020"> &#x2014; Und Sie sehen liebenswürdig und kindlich auch mit gro¬<lb/>
ßen Augen, denn auch große Augen können nach Verhältniß &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1021"> &#x2014; Ich bitte, die großen Augen in Ruhe zu lassen und von<lb/>
Frau von Bacharacht fortzufahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1022"> &#x2014; Ich kenne keine Frau von Bacharacht, ich kenne nur die<lb/>
Schriftstellerin Therese. Als Therese ging, lud sie mich sehr freund¬<lb/>
lich ein, sie diesen Abend in ihrer Loge zu besuchen. Wie gern<lb/>
nahm ich diese Einladung an. Doch kam ich erst zum zweiten<lb/>
Acte, während des ersten sah ich mir sie noch von der Gallerie aus<lb/>
ganz genau an- Man gab den verwunschenen Prinzen und Meir-<lb/>
ner war wirklich köstlich komisch. Wir lachten sehr viel mit einan¬<lb/>
der, und hat man einmal zusammen gelacht, so ist die nähere Be¬<lb/>
kanntschaft bald gemacht. In den Zwischenacten sprachen wir über<lb/>
hundert Dinge, und Therese fütterte meinen jungen Ruhm, das<lb/>
kleine Wickelkind, mit den süßesten Bonbons, will sagen mit aller¬<lb/>
liebsten Complimenten, die ich mir von der Hand einer solchen<lb/>
Dame behagen ließ. Leider dauert das Stück nicht lange, doch<lb/>
konnte ich indessen die schöne Erfahrung machen, daß die aristokra¬<lb/>
tische Therese, die ich mir stolz, vornehm, kalt gedacht hatte, sehr<lb/>
herzlich sein und sehr herzlich lachen konnte. - Leider liegt der Gast¬<lb/>
hof, wo sie wohnte und an dessen Thor ich sie noch begleitete,<lb/>
ganz nahe am Theater, &#x2014; und leider reiste sie schon am andern<lb/>
Morgen ab, und ich habe sie seit jener Zeit nicht wieder gesehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1023" next="#ID_1024"> Fast ebenso ging es mir in einer französischen Stadt mit der<lb/>
bekannten, sentimentalen Dichterin Debord-Valmore, doch ich will<lb/>
bei unsern deutschen, schreibenden Frauen bleiben, sonst könnte ich<lb/>
Ihnen noch von der italienischen Dichterin Carlina T....e erzäh¬<lb/>
len, die ich in einer italienischen Stadt kennen gelernt. Ach diese<lb/>
Carolina ist eine rührende, tragische Erscheinung. Jung und blind,<lb/>
wie sie ist, singt sie die herrlichsten, doch auch traurigsten Lieder,<lb/>
wie eine geblendete Nachtigall. Stundenlang saß ich im Garten<lb/>
an den Ufern der Brenta zu ihren Füßen und hörte ihr zu, wenn<lb/>
sie mir von den herrlichen Thälern, von den blauen Bergen, von<lb/>
den wunderbaren Meteoren am Himmel und von den schönen Ril-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0440] ches, Unschuldiges, was unendlich reizend ist. Weiß Gott, Euge- nie, Sie haben eben unwillkürlich kleine Augen gemacht. — Sie sind sehr eitel, mein Freund! — Und Sie sehen liebenswürdig und kindlich auch mit gro¬ ßen Augen, denn auch große Augen können nach Verhältniß — — Ich bitte, die großen Augen in Ruhe zu lassen und von Frau von Bacharacht fortzufahren. — Ich kenne keine Frau von Bacharacht, ich kenne nur die Schriftstellerin Therese. Als Therese ging, lud sie mich sehr freund¬ lich ein, sie diesen Abend in ihrer Loge zu besuchen. Wie gern nahm ich diese Einladung an. Doch kam ich erst zum zweiten Acte, während des ersten sah ich mir sie noch von der Gallerie aus ganz genau an- Man gab den verwunschenen Prinzen und Meir- ner war wirklich köstlich komisch. Wir lachten sehr viel mit einan¬ der, und hat man einmal zusammen gelacht, so ist die nähere Be¬ kanntschaft bald gemacht. In den Zwischenacten sprachen wir über hundert Dinge, und Therese fütterte meinen jungen Ruhm, das kleine Wickelkind, mit den süßesten Bonbons, will sagen mit aller¬ liebsten Complimenten, die ich mir von der Hand einer solchen Dame behagen ließ. Leider dauert das Stück nicht lange, doch konnte ich indessen die schöne Erfahrung machen, daß die aristokra¬ tische Therese, die ich mir stolz, vornehm, kalt gedacht hatte, sehr herzlich sein und sehr herzlich lachen konnte. - Leider liegt der Gast¬ hof, wo sie wohnte und an dessen Thor ich sie noch begleitete, ganz nahe am Theater, — und leider reiste sie schon am andern Morgen ab, und ich habe sie seit jener Zeit nicht wieder gesehen. Fast ebenso ging es mir in einer französischen Stadt mit der bekannten, sentimentalen Dichterin Debord-Valmore, doch ich will bei unsern deutschen, schreibenden Frauen bleiben, sonst könnte ich Ihnen noch von der italienischen Dichterin Carlina T....e erzäh¬ len, die ich in einer italienischen Stadt kennen gelernt. Ach diese Carolina ist eine rührende, tragische Erscheinung. Jung und blind, wie sie ist, singt sie die herrlichsten, doch auch traurigsten Lieder, wie eine geblendete Nachtigall. Stundenlang saß ich im Garten an den Ufern der Brenta zu ihren Füßen und hörte ihr zu, wenn sie mir von den herrlichen Thälern, von den blauen Bergen, von den wunderbaren Meteoren am Himmel und von den schönen Ril-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/440
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/440>, abgerufen am 23.12.2024.