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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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unglückliche Sängerin befand, als es sich darum handelte, nach wie¬
der erlangter Herstellung von Neuem aufzutreten, läßt sich eher den¬
ken als beschreiben. Indessen endete diese Krisis mit dem Austreten
selbst, bei welcher Gelegenheit es sich deutlich zeigte, in wie hoher
Gunst Fräulein C. bei dem hiesigen Publicum steht. Die wenigen
Zischer wurden alsbald zum Schweigen gebracht und rauschender Bei¬
fall schloß ihr jedesmaliges Austreten. In der neuesten Zeit zeigte es
sich jedoch, daß das erwähnte Halsübel noch nicht durchaus beseitigt
sei, und immer wird noch einige Zeit darüber hingehen, bis unse¬
ren Theaterliebhahern der vollständige Wiedereintritt der beliebten Sän¬
gerin gewährleistet werden kann. Da nun außer diesem Mangel ei¬
ner ersten Sängerin auch noch das Fach der Bravoursängerin unbe¬
setzt ist, und häufige Krankheiten der übrigen Bühncnmitglieder bestän¬
dige Abänderungen des Repertoire's verursachen, so haben die Logen-
Inhaber, wie man sagt, Beschwerde geführt und sind im Begriffe,
mit der Direction einen Contract zu schließen, wornach es ihnen frei
steht, mitten im Monat, ja jeden Tag auszutreten, wenn die Bühne
nicht nach gewissen, genau bestimmten Grundsätzen verwaltet wird.
Es ist möglich, daß dieses Mittel hilft; auf wie lange aber, ist nicht
abzusehen.

Concerte haben hier in derselben Weise, wie anderswo, stattge¬
funden, meistens wenig besucht; Vieurtemps und die Damen Mila-
nollo gaben, wie schon erwähnt, die ihrigen im Theater und hatten
auch da nur ein mäßiges Auditorium; -- unter den übrigen Vir-
tuosenconcertcn verdient nur allenfalls das des Herrn Aguilar genannt
zu werden, da derselbe, vom gewöhnlichen Wege abweichend, das herr¬
liche Trio von Beethoven op. 97 in seiner ganzen Ausdehnung vor¬
führte, eine jedem wahre" MuMebhaber höchst erwünschte Er¬
scheinung. Ein Mitglied des hiesigen Orchesters, der Violinspieler
Haupt, brachte in einem ebenfalls hervorzuhebenden Concerte eine
größere Phantasie für Orchester, "ein Frühlingstag" überschrieben zur
Aufführung, welche allgemein ansprach und in der Art der Composi-
tion sich der Wüste von David nähert.

Unser Museum, auch Musiceum genannt, verfolgt seinen etwas
schläfrigen Gang zu seinem Untergange in unveränderlicher Consequenz.
Das Einzige, was diesen noch aufhält, ist die regelmäßige Aufführung
der Beethoven'sehen Symphonien. Won literarischen Vortragen, welche
dieser Gesellschaft früher ihren Ruf durch ganz Deutschland sicherten,
und ihr noch vor einigen Jahren durch unseren Theodor Creizenach
eine neue Blüte verhießen, kann, der geringen Aufmunterung wegen,
welche die hiesigen Literaten finden, kaum noch die Rede sein. Außer
den genannten Symphonien werden gewöhnlich noch einige Lieder und
höchstens einige Stellen aus classischen Tragödien vorgeführt. Merk¬
würdig ist dabei, daß man den genialen Liedercomponisten Speier,


unglückliche Sängerin befand, als es sich darum handelte, nach wie¬
der erlangter Herstellung von Neuem aufzutreten, läßt sich eher den¬
ken als beschreiben. Indessen endete diese Krisis mit dem Austreten
selbst, bei welcher Gelegenheit es sich deutlich zeigte, in wie hoher
Gunst Fräulein C. bei dem hiesigen Publicum steht. Die wenigen
Zischer wurden alsbald zum Schweigen gebracht und rauschender Bei¬
fall schloß ihr jedesmaliges Austreten. In der neuesten Zeit zeigte es
sich jedoch, daß das erwähnte Halsübel noch nicht durchaus beseitigt
sei, und immer wird noch einige Zeit darüber hingehen, bis unse¬
ren Theaterliebhahern der vollständige Wiedereintritt der beliebten Sän¬
gerin gewährleistet werden kann. Da nun außer diesem Mangel ei¬
ner ersten Sängerin auch noch das Fach der Bravoursängerin unbe¬
setzt ist, und häufige Krankheiten der übrigen Bühncnmitglieder bestän¬
dige Abänderungen des Repertoire's verursachen, so haben die Logen-
Inhaber, wie man sagt, Beschwerde geführt und sind im Begriffe,
mit der Direction einen Contract zu schließen, wornach es ihnen frei
steht, mitten im Monat, ja jeden Tag auszutreten, wenn die Bühne
nicht nach gewissen, genau bestimmten Grundsätzen verwaltet wird.
Es ist möglich, daß dieses Mittel hilft; auf wie lange aber, ist nicht
abzusehen.

Concerte haben hier in derselben Weise, wie anderswo, stattge¬
funden, meistens wenig besucht; Vieurtemps und die Damen Mila-
nollo gaben, wie schon erwähnt, die ihrigen im Theater und hatten
auch da nur ein mäßiges Auditorium; — unter den übrigen Vir-
tuosenconcertcn verdient nur allenfalls das des Herrn Aguilar genannt
zu werden, da derselbe, vom gewöhnlichen Wege abweichend, das herr¬
liche Trio von Beethoven op. 97 in seiner ganzen Ausdehnung vor¬
führte, eine jedem wahre« MuMebhaber höchst erwünschte Er¬
scheinung. Ein Mitglied des hiesigen Orchesters, der Violinspieler
Haupt, brachte in einem ebenfalls hervorzuhebenden Concerte eine
größere Phantasie für Orchester, „ein Frühlingstag" überschrieben zur
Aufführung, welche allgemein ansprach und in der Art der Composi-
tion sich der Wüste von David nähert.

Unser Museum, auch Musiceum genannt, verfolgt seinen etwas
schläfrigen Gang zu seinem Untergange in unveränderlicher Consequenz.
Das Einzige, was diesen noch aufhält, ist die regelmäßige Aufführung
der Beethoven'sehen Symphonien. Won literarischen Vortragen, welche
dieser Gesellschaft früher ihren Ruf durch ganz Deutschland sicherten,
und ihr noch vor einigen Jahren durch unseren Theodor Creizenach
eine neue Blüte verhießen, kann, der geringen Aufmunterung wegen,
welche die hiesigen Literaten finden, kaum noch die Rede sein. Außer
den genannten Symphonien werden gewöhnlich noch einige Lieder und
höchstens einige Stellen aus classischen Tragödien vorgeführt. Merk¬
würdig ist dabei, daß man den genialen Liedercomponisten Speier,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/428>, abgerufen am 23.12.2024.