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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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schaft dargestellt wurde, scheint auf halbem Weg zum Ziele in's Stol-
len gerathen, hauptsachlich deshalb, well die bisher geschehenen Gcld-
zeichnungen, wenn auch sehr betrachtliche Summen darunter waren,
zur Begründung des Institutes nicht ausreichten; die von der Bür¬
gerschaft zurückgewiesene Bauordnung wird ihr zum dritten Male
vorgelegt werden, und dürfte, wenn gewisse Anzeichen nicht täuschen,
dann wohl ein besseres Schicksal zu erwarten haben. Hierbei verdient
Erwähnung, daß sich neben dem Verein von Grundeigenthümern, der
schon bestand, seit Kurzem auch ein Verein von Nichtgrundeigen¬
thümern gebildet hat, welcher gegen die Uebergriffe und Privilegien
des ersteren seine Rechte wahren will. Die patriotische Gesellschaft
hat den seit längerer Zeit bestehenden Arbeiterbildungsverein definitiv
unter ihre schützenden Flügel genommen und will die Fortentwickelung
desselben befördern; die öffentlichen Vorlesungen im Johannes sind
diesen Winter sehr mannigfaltig und anziehend; die Nothwendigkeit
einer Schulreform stellt sich immer dringender heraus und die Sache
wird früher oder später siegreich durchgekämpft werden. Kurz, lauter
- Bagatellen! Aber Ein Gegenstand ist übrig, der sich nicht wie die
übrigen mit wenigen Schlaglichtern bezeichnen und abfertigen läßt.

Er ist ziemlich complicirter Natur und darf, da er das "Kunst¬
erbe Schröters" betrifft, wie unser Stadttheater oft mit einem beson¬
ders pomphaften Ausdrucke genannt wird, als von "allgemein deut¬
scher Wichtigkeit" bezeichnet werden.

Unsere Directions-Angelegenheit hat in diesen letzten Tagen eine
ganz neue Wendung genommen, welche die am 26. Febr. Statt sin?
derbe Generalversammlung der Actionaire des Stadttheaters und die
definitive Entscheidung des Comitv derselben vermuthlich bald zum
tilli "oeoi",ni machen wird. Himmel, welch erbärmliche Winkelzüge
waren im Verlaufe dieser Angelegenheit zu beobachten, welche Anhäu¬
fungen von Charakterlosigkeiten und Inconsequenzen. Was aller Mi¬
sere die Krone aufsetzte, war, daß man die Vereinigung beider Ham¬
burgischen Bühnen als Heil für alle hiesigen Kunstinteressen predigte
und daß man später, als die Thaliatheaterdircction die ihr von Sei¬
ten der Stadttheaterdirectoren zugedachte Ehre der Verschmelzung
ablehnte, und ihr bereits früher Herrn Louis Schneider in Berlin
gegebenes Wort zu halten entschlossen war -- daß man da, sag' ich,
eine Sündfluth von Journalartikeln wider eine solche Vereinigung
hervorrief. Dieß ist ein Factum, welches Niemand abzuleugnen die
Stirn haben wird, und so oft in den Blättern mit schonungsloser
Darlegung "fast unglaublicher Facta" gedroht wurde, waren die An¬
dern wie auf's Maul geschlagen und wagten nicht, die bereit gehal¬
tenen Enthüllungen wirklich herauszufordern. -- Gegen eine Verei¬
nigung beider Bühnen ließ sich übrigens mit Recht Vieles sagen
und wirklich wurden auch manche der betreffenden Artikel nach red-


schaft dargestellt wurde, scheint auf halbem Weg zum Ziele in's Stol-
len gerathen, hauptsachlich deshalb, well die bisher geschehenen Gcld-
zeichnungen, wenn auch sehr betrachtliche Summen darunter waren,
zur Begründung des Institutes nicht ausreichten; die von der Bür¬
gerschaft zurückgewiesene Bauordnung wird ihr zum dritten Male
vorgelegt werden, und dürfte, wenn gewisse Anzeichen nicht täuschen,
dann wohl ein besseres Schicksal zu erwarten haben. Hierbei verdient
Erwähnung, daß sich neben dem Verein von Grundeigenthümern, der
schon bestand, seit Kurzem auch ein Verein von Nichtgrundeigen¬
thümern gebildet hat, welcher gegen die Uebergriffe und Privilegien
des ersteren seine Rechte wahren will. Die patriotische Gesellschaft
hat den seit längerer Zeit bestehenden Arbeiterbildungsverein definitiv
unter ihre schützenden Flügel genommen und will die Fortentwickelung
desselben befördern; die öffentlichen Vorlesungen im Johannes sind
diesen Winter sehr mannigfaltig und anziehend; die Nothwendigkeit
einer Schulreform stellt sich immer dringender heraus und die Sache
wird früher oder später siegreich durchgekämpft werden. Kurz, lauter
- Bagatellen! Aber Ein Gegenstand ist übrig, der sich nicht wie die
übrigen mit wenigen Schlaglichtern bezeichnen und abfertigen läßt.

Er ist ziemlich complicirter Natur und darf, da er das „Kunst¬
erbe Schröters" betrifft, wie unser Stadttheater oft mit einem beson¬
ders pomphaften Ausdrucke genannt wird, als von „allgemein deut¬
scher Wichtigkeit" bezeichnet werden.

Unsere Directions-Angelegenheit hat in diesen letzten Tagen eine
ganz neue Wendung genommen, welche die am 26. Febr. Statt sin?
derbe Generalversammlung der Actionaire des Stadttheaters und die
definitive Entscheidung des Comitv derselben vermuthlich bald zum
tilli »oeoi»,ni machen wird. Himmel, welch erbärmliche Winkelzüge
waren im Verlaufe dieser Angelegenheit zu beobachten, welche Anhäu¬
fungen von Charakterlosigkeiten und Inconsequenzen. Was aller Mi¬
sere die Krone aufsetzte, war, daß man die Vereinigung beider Ham¬
burgischen Bühnen als Heil für alle hiesigen Kunstinteressen predigte
und daß man später, als die Thaliatheaterdircction die ihr von Sei¬
ten der Stadttheaterdirectoren zugedachte Ehre der Verschmelzung
ablehnte, und ihr bereits früher Herrn Louis Schneider in Berlin
gegebenes Wort zu halten entschlossen war — daß man da, sag' ich,
eine Sündfluth von Journalartikeln wider eine solche Vereinigung
hervorrief. Dieß ist ein Factum, welches Niemand abzuleugnen die
Stirn haben wird, und so oft in den Blättern mit schonungsloser
Darlegung „fast unglaublicher Facta" gedroht wurde, waren die An¬
dern wie auf's Maul geschlagen und wagten nicht, die bereit gehal¬
tenen Enthüllungen wirklich herauszufordern. — Gegen eine Verei¬
nigung beider Bühnen ließ sich übrigens mit Recht Vieles sagen
und wirklich wurden auch manche der betreffenden Artikel nach red-


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[0424] schaft dargestellt wurde, scheint auf halbem Weg zum Ziele in's Stol- len gerathen, hauptsachlich deshalb, well die bisher geschehenen Gcld- zeichnungen, wenn auch sehr betrachtliche Summen darunter waren, zur Begründung des Institutes nicht ausreichten; die von der Bür¬ gerschaft zurückgewiesene Bauordnung wird ihr zum dritten Male vorgelegt werden, und dürfte, wenn gewisse Anzeichen nicht täuschen, dann wohl ein besseres Schicksal zu erwarten haben. Hierbei verdient Erwähnung, daß sich neben dem Verein von Grundeigenthümern, der schon bestand, seit Kurzem auch ein Verein von Nichtgrundeigen¬ thümern gebildet hat, welcher gegen die Uebergriffe und Privilegien des ersteren seine Rechte wahren will. Die patriotische Gesellschaft hat den seit längerer Zeit bestehenden Arbeiterbildungsverein definitiv unter ihre schützenden Flügel genommen und will die Fortentwickelung desselben befördern; die öffentlichen Vorlesungen im Johannes sind diesen Winter sehr mannigfaltig und anziehend; die Nothwendigkeit einer Schulreform stellt sich immer dringender heraus und die Sache wird früher oder später siegreich durchgekämpft werden. Kurz, lauter - Bagatellen! Aber Ein Gegenstand ist übrig, der sich nicht wie die übrigen mit wenigen Schlaglichtern bezeichnen und abfertigen läßt. Er ist ziemlich complicirter Natur und darf, da er das „Kunst¬ erbe Schröters" betrifft, wie unser Stadttheater oft mit einem beson¬ ders pomphaften Ausdrucke genannt wird, als von „allgemein deut¬ scher Wichtigkeit" bezeichnet werden. Unsere Directions-Angelegenheit hat in diesen letzten Tagen eine ganz neue Wendung genommen, welche die am 26. Febr. Statt sin? derbe Generalversammlung der Actionaire des Stadttheaters und die definitive Entscheidung des Comitv derselben vermuthlich bald zum tilli »oeoi»,ni machen wird. Himmel, welch erbärmliche Winkelzüge waren im Verlaufe dieser Angelegenheit zu beobachten, welche Anhäu¬ fungen von Charakterlosigkeiten und Inconsequenzen. Was aller Mi¬ sere die Krone aufsetzte, war, daß man die Vereinigung beider Ham¬ burgischen Bühnen als Heil für alle hiesigen Kunstinteressen predigte und daß man später, als die Thaliatheaterdircction die ihr von Sei¬ ten der Stadttheaterdirectoren zugedachte Ehre der Verschmelzung ablehnte, und ihr bereits früher Herrn Louis Schneider in Berlin gegebenes Wort zu halten entschlossen war — daß man da, sag' ich, eine Sündfluth von Journalartikeln wider eine solche Vereinigung hervorrief. Dieß ist ein Factum, welches Niemand abzuleugnen die Stirn haben wird, und so oft in den Blättern mit schonungsloser Darlegung „fast unglaublicher Facta" gedroht wurde, waren die An¬ dern wie auf's Maul geschlagen und wagten nicht, die bereit gehal¬ tenen Enthüllungen wirklich herauszufordern. — Gegen eine Verei¬ nigung beider Bühnen ließ sich übrigens mit Recht Vieles sagen und wirklich wurden auch manche der betreffenden Artikel nach red-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/424>, abgerufen am 23.12.2024.