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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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abendlich zum Souper zu versammeln pflegten. Dorthin wandte
ich meine Schritte. Als ich eintrat, war der Saal noch leer, aber
ein langer Tisch war von einem Ende zum andern mit Couverts
bedeckt. Ich pflanzte mich in der Mitte auf, wohlberechnend, daß
ich die Herren von diesem Punkte mit meiner Artillerie bestreichen
könne. Ungefähr um neun Uhr versammelte sich das löbliche Per¬
sonal des k. k. Kreisamtes des Kreises Adelsberg im Herzogthum
Krain, zu seinen außerordentlichen Beschäftigungen. Anfangs be¬
trachtete man den Fremdling, der eine unangenehme Demarkations¬
linie mitten durch ihren deutschen Bund bildete, mit scheelen Augen,
und lispelte hinter seinem Rücken. Ich ließ mich aber dadurch
nicht stören, bestellte ein vortreffliches Abendessen und guten, theuern
Ungarwein, und begann der Schüssel und der Flasche weidlich
zuzusprechen. Da Alles stille blieb, fing ich selber an, und zwar
ganz allein mit mir zu sprechen, indem ich halblaut "eine vortreff¬
liche Küche hier zu Lande!" vor mich hinmurmelte. Ein dicker
Oesterreichs stürzte wie ein edler Falle über diese Worte her: Nicht
wahr, eine vortreffliche Küche? -- Eine ganz vortreffliche, eine wun¬
derbare Küche, erwiderte ich mit Ernst und Nachdruck. Der dicke
Falke ließ sich an meiner Seite nieder, die Anderen folgten seinem
Beispiele, und ehe ich mich dessen versah, bildeten wir einen recht
traulichen, behaglichen Enkel. Ich als der Reisende mußte erzäh¬
len, und da man erfuhr, daß ich aus Wien komme, mußten Wie¬
ner Neuigkeiten aufgetischt werden. Ich kann meine Leser versichern,
daß ich sehr beredt und liebenswürdig war. Jedem der Anwesen¬
den servirte ich eine besondere Schüssel; der leichtsinnigen Jugend
erzählte ich vom spert, von Strauß und Lanner; dem reifen Man¬
nesalter erzählte ich die neuesten Wiener Liebesgeschichten, Falli¬
mente, Sccmdale und Wiener Witze; dem ehrwürdigen Alter, das
sich des Irdischen begiebt, brachte ich Nachrichten von Standeser¬
höhungen, Ordensvertheilungen und Avancements; kurz, ich war
eine Wiener Zeitung für Jung und Alt, mit Hauptblatt, Feuille¬
ton und Jntelligenzblart. Für alle zusammen aber hatte ich vor¬
treffliche Cigarren. Anfangs schien man sie zwar verschmähen und
ihnen die gewohnte Pfeife vorziehen zu wollen, da ich aber b'cioe
Hände wie zwei spanische Wände an den Mund stellte und aller
Welt vernehmlich das Geheimniß: "Geschmuggelte Cigarren!" hin-


abendlich zum Souper zu versammeln pflegten. Dorthin wandte
ich meine Schritte. Als ich eintrat, war der Saal noch leer, aber
ein langer Tisch war von einem Ende zum andern mit Couverts
bedeckt. Ich pflanzte mich in der Mitte auf, wohlberechnend, daß
ich die Herren von diesem Punkte mit meiner Artillerie bestreichen
könne. Ungefähr um neun Uhr versammelte sich das löbliche Per¬
sonal des k. k. Kreisamtes des Kreises Adelsberg im Herzogthum
Krain, zu seinen außerordentlichen Beschäftigungen. Anfangs be¬
trachtete man den Fremdling, der eine unangenehme Demarkations¬
linie mitten durch ihren deutschen Bund bildete, mit scheelen Augen,
und lispelte hinter seinem Rücken. Ich ließ mich aber dadurch
nicht stören, bestellte ein vortreffliches Abendessen und guten, theuern
Ungarwein, und begann der Schüssel und der Flasche weidlich
zuzusprechen. Da Alles stille blieb, fing ich selber an, und zwar
ganz allein mit mir zu sprechen, indem ich halblaut „eine vortreff¬
liche Küche hier zu Lande!" vor mich hinmurmelte. Ein dicker
Oesterreichs stürzte wie ein edler Falle über diese Worte her: Nicht
wahr, eine vortreffliche Küche? — Eine ganz vortreffliche, eine wun¬
derbare Küche, erwiderte ich mit Ernst und Nachdruck. Der dicke
Falke ließ sich an meiner Seite nieder, die Anderen folgten seinem
Beispiele, und ehe ich mich dessen versah, bildeten wir einen recht
traulichen, behaglichen Enkel. Ich als der Reisende mußte erzäh¬
len, und da man erfuhr, daß ich aus Wien komme, mußten Wie¬
ner Neuigkeiten aufgetischt werden. Ich kann meine Leser versichern,
daß ich sehr beredt und liebenswürdig war. Jedem der Anwesen¬
den servirte ich eine besondere Schüssel; der leichtsinnigen Jugend
erzählte ich vom spert, von Strauß und Lanner; dem reifen Man¬
nesalter erzählte ich die neuesten Wiener Liebesgeschichten, Falli¬
mente, Sccmdale und Wiener Witze; dem ehrwürdigen Alter, das
sich des Irdischen begiebt, brachte ich Nachrichten von Standeser¬
höhungen, Ordensvertheilungen und Avancements; kurz, ich war
eine Wiener Zeitung für Jung und Alt, mit Hauptblatt, Feuille¬
ton und Jntelligenzblart. Für alle zusammen aber hatte ich vor¬
treffliche Cigarren. Anfangs schien man sie zwar verschmähen und
ihnen die gewohnte Pfeife vorziehen zu wollen, da ich aber b'cioe
Hände wie zwei spanische Wände an den Mund stellte und aller
Welt vernehmlich das Geheimniß: „Geschmuggelte Cigarren!" hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/400>, abgerufen am 23.12.2024.