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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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beweisen. Einzelne Gedichte von ihm in Zeitschriften hie und da
verstreut, stellen seinen Namen in die Reihe der neuromantischen
Nheinlyrikcr, deren originellste und ausgeprägteste Gestalt die Freilig-
rathsche Muse ist. Wir haben jetzt eine Sammlung von Schückings
Gedichten vor uns liegen, und da in einer solchen stets mehr oder
weniger die ganze Persönlichkeit, die ganze Höhe oder Tiefe eines
Talents sich zu enthüllen pflegt, so kann man sich wohl schon ein
unumwundenes Urtheil über den Verf. erlauben.

Der Dichter ist wie in einem Zauberkreise von romantischen Tra¬
ditionen gefangen, den er nicht durchbrechen kann. Rings um die
"Klause" seiner Phantasie ragen verfallene Burghofe, unvollendete
Dome, mittelalterliche Abteien, verklärt vom blauen Duft der Erin¬
nerung, belebt von fabelhaften Helden, von Ritterfrauen mit dem
Edelfalken auf der Faust, von träumerischem Glocken- und Ocgelspiel.
Er schwelgt in dem romantischen Halbdunkel, welches die bunten
Bilder durch die Scheiben seiner Klause werfen, er träumt die Träume
der Tradition noch einmal und sinnt dem verhallenden und verhallten
Geläut aus alten Zeiten nach. Er hört auch von den Kämpfen der
modernen Welt, die außerhalb seines Kreises vorgehen, von dem "dop-
pelschneidigen Wort," von den Zeltlagern der Parteien, den Thaten
des "Gedankens" u. s. w., aber, wie Barbarossa darf er "nicht
hinab in die Lande gehen," wo die "Freiheitsfonne sprüht," wo sie
"vor festen Thürmen mit der Worte Hämmern liegen." Warum
darf er nicht? Wir glauben, der wahre Grund verräth sich darin,
daß der Verf. um das Poetische in den modernen Bewegungen zu
sehen, sich dieselben in die Farbe und das Gewand seiner traditio¬
nellen Traumwelt kleiden muß. Die Dinge müssen wunderbar aus¬
sehen, der Aeitruf muß klingen wie aus Ronceval, die Ieithelden
müssen keckbehelmte Rolande sein und ihr Schwert muß heißen Du-
rindane. Selbst das begeisterte Gedicht an einen Mann der Gegen¬
wart, an Daniel O'Connell, was feiert es an dieser Erscheinung als
groß und herrlich? Die romantische Färbung, die der Mann aus der
Ferne hat. "Durch die Nebelschichten seiner Berge" sieht ihn der
Dichter schreiten, einen "Riesen in der Zeit der Zwerge"; einen "Kö¬
nigshelden des längstverschollnen Schlags, wie ihn die Sagen seines
Volkes feiern"; er schlägt die "Harfe Irlands," daß "Donnegals Fel¬

sen 'elem."


-- Als Maul.l liegt um seine Brust geschlagen
Der Stolz Enns, der dunkelgrüne Sammt,
Den seine Haine, seine Thäler tragen. (!)

Endlich laßt sich O'Connell mit dem Daniel des alten Bundes
vergleichen, denn um ihn liegen --


"Englands zornge Löwen
Und kochen i-Luth, dass sie sich schmiegen müssend --

Das sind sehr schöne Bilder, aber sie sprechen nur zur Phantasie, nicht
auch in Herzen, nicht zur ganzen Seele, sie drücken nicht aus,


beweisen. Einzelne Gedichte von ihm in Zeitschriften hie und da
verstreut, stellen seinen Namen in die Reihe der neuromantischen
Nheinlyrikcr, deren originellste und ausgeprägteste Gestalt die Freilig-
rathsche Muse ist. Wir haben jetzt eine Sammlung von Schückings
Gedichten vor uns liegen, und da in einer solchen stets mehr oder
weniger die ganze Persönlichkeit, die ganze Höhe oder Tiefe eines
Talents sich zu enthüllen pflegt, so kann man sich wohl schon ein
unumwundenes Urtheil über den Verf. erlauben.

Der Dichter ist wie in einem Zauberkreise von romantischen Tra¬
ditionen gefangen, den er nicht durchbrechen kann. Rings um die
„Klause" seiner Phantasie ragen verfallene Burghofe, unvollendete
Dome, mittelalterliche Abteien, verklärt vom blauen Duft der Erin¬
nerung, belebt von fabelhaften Helden, von Ritterfrauen mit dem
Edelfalken auf der Faust, von träumerischem Glocken- und Ocgelspiel.
Er schwelgt in dem romantischen Halbdunkel, welches die bunten
Bilder durch die Scheiben seiner Klause werfen, er träumt die Träume
der Tradition noch einmal und sinnt dem verhallenden und verhallten
Geläut aus alten Zeiten nach. Er hört auch von den Kämpfen der
modernen Welt, die außerhalb seines Kreises vorgehen, von dem „dop-
pelschneidigen Wort," von den Zeltlagern der Parteien, den Thaten
des „Gedankens" u. s. w., aber, wie Barbarossa darf er „nicht
hinab in die Lande gehen," wo die „Freiheitsfonne sprüht," wo sie
„vor festen Thürmen mit der Worte Hämmern liegen." Warum
darf er nicht? Wir glauben, der wahre Grund verräth sich darin,
daß der Verf. um das Poetische in den modernen Bewegungen zu
sehen, sich dieselben in die Farbe und das Gewand seiner traditio¬
nellen Traumwelt kleiden muß. Die Dinge müssen wunderbar aus¬
sehen, der Aeitruf muß klingen wie aus Ronceval, die Ieithelden
müssen keckbehelmte Rolande sein und ihr Schwert muß heißen Du-
rindane. Selbst das begeisterte Gedicht an einen Mann der Gegen¬
wart, an Daniel O'Connell, was feiert es an dieser Erscheinung als
groß und herrlich? Die romantische Färbung, die der Mann aus der
Ferne hat. „Durch die Nebelschichten seiner Berge" sieht ihn der
Dichter schreiten, einen „Riesen in der Zeit der Zwerge"; einen „Kö¬
nigshelden des längstverschollnen Schlags, wie ihn die Sagen seines
Volkes feiern"; er schlägt die „Harfe Irlands," daß „Donnegals Fel¬

sen 'elem."


— Als Maul.l liegt um seine Brust geschlagen
Der Stolz Enns, der dunkelgrüne Sammt,
Den seine Haine, seine Thäler tragen. (!)

Endlich laßt sich O'Connell mit dem Daniel des alten Bundes
vergleichen, denn um ihn liegen —


„Englands zornge Löwen
Und kochen i-Luth, dass sie sich schmiegen müssend —

Das sind sehr schöne Bilder, aber sie sprechen nur zur Phantasie, nicht
auch in Herzen, nicht zur ganzen Seele, sie drücken nicht aus,


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[0388] beweisen. Einzelne Gedichte von ihm in Zeitschriften hie und da verstreut, stellen seinen Namen in die Reihe der neuromantischen Nheinlyrikcr, deren originellste und ausgeprägteste Gestalt die Freilig- rathsche Muse ist. Wir haben jetzt eine Sammlung von Schückings Gedichten vor uns liegen, und da in einer solchen stets mehr oder weniger die ganze Persönlichkeit, die ganze Höhe oder Tiefe eines Talents sich zu enthüllen pflegt, so kann man sich wohl schon ein unumwundenes Urtheil über den Verf. erlauben. Der Dichter ist wie in einem Zauberkreise von romantischen Tra¬ ditionen gefangen, den er nicht durchbrechen kann. Rings um die „Klause" seiner Phantasie ragen verfallene Burghofe, unvollendete Dome, mittelalterliche Abteien, verklärt vom blauen Duft der Erin¬ nerung, belebt von fabelhaften Helden, von Ritterfrauen mit dem Edelfalken auf der Faust, von träumerischem Glocken- und Ocgelspiel. Er schwelgt in dem romantischen Halbdunkel, welches die bunten Bilder durch die Scheiben seiner Klause werfen, er träumt die Träume der Tradition noch einmal und sinnt dem verhallenden und verhallten Geläut aus alten Zeiten nach. Er hört auch von den Kämpfen der modernen Welt, die außerhalb seines Kreises vorgehen, von dem „dop- pelschneidigen Wort," von den Zeltlagern der Parteien, den Thaten des „Gedankens" u. s. w., aber, wie Barbarossa darf er „nicht hinab in die Lande gehen," wo die „Freiheitsfonne sprüht," wo sie „vor festen Thürmen mit der Worte Hämmern liegen." Warum darf er nicht? Wir glauben, der wahre Grund verräth sich darin, daß der Verf. um das Poetische in den modernen Bewegungen zu sehen, sich dieselben in die Farbe und das Gewand seiner traditio¬ nellen Traumwelt kleiden muß. Die Dinge müssen wunderbar aus¬ sehen, der Aeitruf muß klingen wie aus Ronceval, die Ieithelden müssen keckbehelmte Rolande sein und ihr Schwert muß heißen Du- rindane. Selbst das begeisterte Gedicht an einen Mann der Gegen¬ wart, an Daniel O'Connell, was feiert es an dieser Erscheinung als groß und herrlich? Die romantische Färbung, die der Mann aus der Ferne hat. „Durch die Nebelschichten seiner Berge" sieht ihn der Dichter schreiten, einen „Riesen in der Zeit der Zwerge"; einen „Kö¬ nigshelden des längstverschollnen Schlags, wie ihn die Sagen seines Volkes feiern"; er schlägt die „Harfe Irlands," daß „Donnegals Fel¬ sen 'elem." — Als Maul.l liegt um seine Brust geschlagen Der Stolz Enns, der dunkelgrüne Sammt, Den seine Haine, seine Thäler tragen. (!) Endlich laßt sich O'Connell mit dem Daniel des alten Bundes vergleichen, denn um ihn liegen — „Englands zornge Löwen Und kochen i-Luth, dass sie sich schmiegen müssend — Das sind sehr schöne Bilder, aber sie sprechen nur zur Phantasie, nicht auch in Herzen, nicht zur ganzen Seele, sie drücken nicht aus,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/388>, abgerufen am 23.12.2024.