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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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anderes, als: "das Versprechen einer Landessynode der protestantisch-
preußischen Kirche; und -- diese ist der Weg zu einem neuen Leben
der Kirche, dieses aber führt den Sieg über alle glatten Schwätzer
und alle jesuitischen Ohrenbläser mit sich." -- Kaum waren die Land-
tagsabschiede erschienen, so zankte der Rheinische Beobachter mit der
liberalen Presse, daß sie keine ticfeingchende Kritik derselben liefere.
Als ob Se. Majestät der König die Landtagsabschiede erließe, damit
sie von der liberalen Presse kritisirt würden! Wenn die liberale Presse
Anlaß findet, sich über die Landtagsabschiede zu äußern -- obgleich
sie das auch eben so gut unterlassen kann, denn was ist dadurch zu
erreichen? -- nun wohl, dann möge der Herr Beobachter sie wider¬
legen! Aber wie darf er sie zu solchem Kritisiren herausfordern, sie
herausfordern, "die praktische Richtigkeit so vieler in Frage kommen¬
den (in Frage kommenden? Die Landtagsabschiede sind ja "Ab¬
schiede", Bescheide, Entscheidungen) Punkte zu prüf.n"? Aber es ist
nur zu natürlich, daß der Herr Beobachter auf diese Weise die libe¬
rale Presse stachelt: er lebt ja nur von ihr; aus der Fehde mit ihr
zieht er all seine Nahrung; alles, was er ist, das ist er durch sie,
theils indem er gegen sie geifert, theils indem er sie plündert: --
denn alles verdankt er ihr, nicht blos die Stichwörter, sondern selbst
die Wendungen, z. B. wenn er versichert: "Die Landtagsabschiede
machen in unserer Hauptstadt durch ihre einfache und versöhnliche
(versöhnliche?!) Sprache einen sehr guten Eindruck."

Die Leser der Grenzboten, die meine Weise schon kennen, werden
nicht glauben, daß ich den Rheinischen Beobachter als einen Gegner
betrachte, mit dem ich mich herumzuschlagen hätte. Nichts weniger;
er dient mir nur als Studium; ich nehme nur dann und wann Gele¬
genheit, neue Züge von ihm nachzutragen, um sein Porträt zu vervoll¬
ständigen. Von Anfang an habe ich die künstliche Schöpfung einer
-- wie man es nun nennen will -- "loyalen" oder regierungsgemä¬
ßen Presse (dergleichen, wie es scheint, auch in Sachsen jetzt versucht
wird), für einen seltsamen Mißgriff gehalten, und die Erfahrung,
welche uns die in diesem Sinne wirkenden preußischen Organe zu
machen geben, bestätigt meine Ansicht ganz vollkommen. Conservativ
nennen sich diese Organe mit Unrecht, denn sie zeigen, daß es ihnen
um die Conservirung von nichts Anderem, als der Unantastbarkeit
jedweder Regierungshandlung -- und sei es allenfalls auch nur die
mes Kanzlciboten -- zu thun ist; wenn die Regierung einmal revo-
lutionirte, so würde die Revolution selbst im Munde jener Blätter
conservativ sein. Aber lassen wir die Nicknamen der Parteien; um
diese ist es immer ein müßiger Streit.

Die Presse durch die Presse bekämpfen -- das ist eine Vorstel¬
lung, die sich leicht einschmeichelt. Es ist auch etwas daran, wenn
es sich um einzelne Maßnahmen, Entschlüsse, Gesetze und dergl. dem-


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anderes, als: „das Versprechen einer Landessynode der protestantisch-
preußischen Kirche; und — diese ist der Weg zu einem neuen Leben
der Kirche, dieses aber führt den Sieg über alle glatten Schwätzer
und alle jesuitischen Ohrenbläser mit sich." — Kaum waren die Land-
tagsabschiede erschienen, so zankte der Rheinische Beobachter mit der
liberalen Presse, daß sie keine ticfeingchende Kritik derselben liefere.
Als ob Se. Majestät der König die Landtagsabschiede erließe, damit
sie von der liberalen Presse kritisirt würden! Wenn die liberale Presse
Anlaß findet, sich über die Landtagsabschiede zu äußern — obgleich
sie das auch eben so gut unterlassen kann, denn was ist dadurch zu
erreichen? — nun wohl, dann möge der Herr Beobachter sie wider¬
legen! Aber wie darf er sie zu solchem Kritisiren herausfordern, sie
herausfordern, „die praktische Richtigkeit so vieler in Frage kommen¬
den (in Frage kommenden? Die Landtagsabschiede sind ja „Ab¬
schiede", Bescheide, Entscheidungen) Punkte zu prüf.n"? Aber es ist
nur zu natürlich, daß der Herr Beobachter auf diese Weise die libe¬
rale Presse stachelt: er lebt ja nur von ihr; aus der Fehde mit ihr
zieht er all seine Nahrung; alles, was er ist, das ist er durch sie,
theils indem er gegen sie geifert, theils indem er sie plündert: —
denn alles verdankt er ihr, nicht blos die Stichwörter, sondern selbst
die Wendungen, z. B. wenn er versichert: „Die Landtagsabschiede
machen in unserer Hauptstadt durch ihre einfache und versöhnliche
(versöhnliche?!) Sprache einen sehr guten Eindruck."

Die Leser der Grenzboten, die meine Weise schon kennen, werden
nicht glauben, daß ich den Rheinischen Beobachter als einen Gegner
betrachte, mit dem ich mich herumzuschlagen hätte. Nichts weniger;
er dient mir nur als Studium; ich nehme nur dann und wann Gele¬
genheit, neue Züge von ihm nachzutragen, um sein Porträt zu vervoll¬
ständigen. Von Anfang an habe ich die künstliche Schöpfung einer
— wie man es nun nennen will — „loyalen" oder regierungsgemä¬
ßen Presse (dergleichen, wie es scheint, auch in Sachsen jetzt versucht
wird), für einen seltsamen Mißgriff gehalten, und die Erfahrung,
welche uns die in diesem Sinne wirkenden preußischen Organe zu
machen geben, bestätigt meine Ansicht ganz vollkommen. Conservativ
nennen sich diese Organe mit Unrecht, denn sie zeigen, daß es ihnen
um die Conservirung von nichts Anderem, als der Unantastbarkeit
jedweder Regierungshandlung — und sei es allenfalls auch nur die
mes Kanzlciboten — zu thun ist; wenn die Regierung einmal revo-
lutionirte, so würde die Revolution selbst im Munde jener Blätter
conservativ sein. Aber lassen wir die Nicknamen der Parteien; um
diese ist es immer ein müßiger Streit.

Die Presse durch die Presse bekämpfen — das ist eine Vorstel¬
lung, die sich leicht einschmeichelt. Es ist auch etwas daran, wenn
es sich um einzelne Maßnahmen, Entschlüsse, Gesetze und dergl. dem-


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[0379] anderes, als: „das Versprechen einer Landessynode der protestantisch- preußischen Kirche; und — diese ist der Weg zu einem neuen Leben der Kirche, dieses aber führt den Sieg über alle glatten Schwätzer und alle jesuitischen Ohrenbläser mit sich." — Kaum waren die Land- tagsabschiede erschienen, so zankte der Rheinische Beobachter mit der liberalen Presse, daß sie keine ticfeingchende Kritik derselben liefere. Als ob Se. Majestät der König die Landtagsabschiede erließe, damit sie von der liberalen Presse kritisirt würden! Wenn die liberale Presse Anlaß findet, sich über die Landtagsabschiede zu äußern — obgleich sie das auch eben so gut unterlassen kann, denn was ist dadurch zu erreichen? — nun wohl, dann möge der Herr Beobachter sie wider¬ legen! Aber wie darf er sie zu solchem Kritisiren herausfordern, sie herausfordern, „die praktische Richtigkeit so vieler in Frage kommen¬ den (in Frage kommenden? Die Landtagsabschiede sind ja „Ab¬ schiede", Bescheide, Entscheidungen) Punkte zu prüf.n"? Aber es ist nur zu natürlich, daß der Herr Beobachter auf diese Weise die libe¬ rale Presse stachelt: er lebt ja nur von ihr; aus der Fehde mit ihr zieht er all seine Nahrung; alles, was er ist, das ist er durch sie, theils indem er gegen sie geifert, theils indem er sie plündert: — denn alles verdankt er ihr, nicht blos die Stichwörter, sondern selbst die Wendungen, z. B. wenn er versichert: „Die Landtagsabschiede machen in unserer Hauptstadt durch ihre einfache und versöhnliche (versöhnliche?!) Sprache einen sehr guten Eindruck." Die Leser der Grenzboten, die meine Weise schon kennen, werden nicht glauben, daß ich den Rheinischen Beobachter als einen Gegner betrachte, mit dem ich mich herumzuschlagen hätte. Nichts weniger; er dient mir nur als Studium; ich nehme nur dann und wann Gele¬ genheit, neue Züge von ihm nachzutragen, um sein Porträt zu vervoll¬ ständigen. Von Anfang an habe ich die künstliche Schöpfung einer — wie man es nun nennen will — „loyalen" oder regierungsgemä¬ ßen Presse (dergleichen, wie es scheint, auch in Sachsen jetzt versucht wird), für einen seltsamen Mißgriff gehalten, und die Erfahrung, welche uns die in diesem Sinne wirkenden preußischen Organe zu machen geben, bestätigt meine Ansicht ganz vollkommen. Conservativ nennen sich diese Organe mit Unrecht, denn sie zeigen, daß es ihnen um die Conservirung von nichts Anderem, als der Unantastbarkeit jedweder Regierungshandlung — und sei es allenfalls auch nur die mes Kanzlciboten — zu thun ist; wenn die Regierung einmal revo- lutionirte, so würde die Revolution selbst im Munde jener Blätter conservativ sein. Aber lassen wir die Nicknamen der Parteien; um diese ist es immer ein müßiger Streit. Die Presse durch die Presse bekämpfen — das ist eine Vorstel¬ lung, die sich leicht einschmeichelt. Es ist auch etwas daran, wenn es sich um einzelne Maßnahmen, Entschlüsse, Gesetze und dergl. dem- 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/379>, abgerufen am 23.12.2024.