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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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den werden nämlich die Zugthiere mittelst eines sogenannten Joches
angeschirrt, das dem Ochsen entweder über den Kops oder über das
Genick gelegt wird. Abgesehen davon, daß die Zugkraft in dem Grade
vermindert wird, je spitziger der Winkel ist, unter dem die bewegende
Kraft zu wirken hat, folglich bei dieser Bespannungsweise ein bedeu¬
tender Theil der Kraft vergeudet und dem Thiere eine größere An¬
strengung zugemuthet wird, als die wegzuschaffende Last eigentlich er¬
fordern würde, ist auch noch der Umstand zu berücksichtigen, wie
widernatürlich und schmerzhaft dem Zugthiere die Nothwendigkeit sein
muß, eine Bürde, zu deren Bewegung seine gesammte Körperstärke
erforderlich ist, gerade mittelst eines Körpertheiles fortzubringen, der
nach der bekannten Organisation des thierischen Leibes, welche im
Wesentlichen ganz die des Menschen ist, der edelste und empfindsamste
Theil und der Sitz der wichtigsten Lebensorgane ist. Das stiere, her¬
vorgedrückte Auge, die Starrheit des Halses und noch viele andere
nicht sogleich ins Auge fallende äußerliche Erscheinungen an dem auf
diese Weise gemarterten Thiere beweisen bereits zur Gnüge, wie bar¬
barisch und zweckwidrig diese Beschickung des Zugviehes sei, für das
eben nur dieselbe Anspannungsweise paßt, wie sie bei den Pferden
allgemein angewandt wird, wobei zugleich die mit der auf den Ach¬
sen des Wagens koncentrirten Last parallel laufende Zugkraft un¬
geschwächt bleibt und in ihrer Totalitat wirken kann. Am meisten
muß es verdrießen, daß bei uns jeder Fortschritt wie auf das Com-
mandowort eintreten soll und selbst die beste Sache so lange verpönt
bleibt, bis man sich oben durch irgend einen Zufall von der Auträg-
lichkeit derselben hinlänglich überzeugt hat: die Vereine gegen Thier-
quälerei haben lange genug das Stichblatt des Witzes bilden müssen,
und die Censur ließ die ärgsten Verhöhnungen der in Deutschland
wirksamen Vereine dieser Gattung passiren; jetzt mit Einemmale will
man uns eine von der Humanität schon längst gebotene Sache, die
nur darum nicht zu Stande kam, weil das Polizciauge in ihr das
verhaßte Vcreinsprincip erblickte, wie eine Beglückung decretiren, um
sich vielleicht nachträglich das Verdienst des Instituts zu vindiciren.
Unsere Tugenden sind wenigstens unser Eigenthum und können weder
durch hohe Billigung erschaffen noch unterdrückt werden.

Bevor man indeß daran denkt, die armen Thiere nicht unnützer
Weise zu quälen, möchten wir doch, daß früher noch den Menschen
dieser Schutz zu Theil würde und in Zukunft der ruhige Bürger, in¬
dem er seinen Geschäften nachgeht und das Geld zu erschwingen sucht,
womit er seine Abgaben bezahlt, nicht den Flintenkugeln der Solda¬
teska ausgesetzt sei. Unter dem frühern commandirenden General, dem
jetzigen Feldmarschall Baron Wimpfen, erfreute sich die Hauptstadt
einer ungestörten Ruhe, ohne daß deshalb die Kugeln in den Gassen
herumflogen, allein jetzt hat sich die Ansicht festgestellt, daß nur die


den werden nämlich die Zugthiere mittelst eines sogenannten Joches
angeschirrt, das dem Ochsen entweder über den Kops oder über das
Genick gelegt wird. Abgesehen davon, daß die Zugkraft in dem Grade
vermindert wird, je spitziger der Winkel ist, unter dem die bewegende
Kraft zu wirken hat, folglich bei dieser Bespannungsweise ein bedeu¬
tender Theil der Kraft vergeudet und dem Thiere eine größere An¬
strengung zugemuthet wird, als die wegzuschaffende Last eigentlich er¬
fordern würde, ist auch noch der Umstand zu berücksichtigen, wie
widernatürlich und schmerzhaft dem Zugthiere die Nothwendigkeit sein
muß, eine Bürde, zu deren Bewegung seine gesammte Körperstärke
erforderlich ist, gerade mittelst eines Körpertheiles fortzubringen, der
nach der bekannten Organisation des thierischen Leibes, welche im
Wesentlichen ganz die des Menschen ist, der edelste und empfindsamste
Theil und der Sitz der wichtigsten Lebensorgane ist. Das stiere, her¬
vorgedrückte Auge, die Starrheit des Halses und noch viele andere
nicht sogleich ins Auge fallende äußerliche Erscheinungen an dem auf
diese Weise gemarterten Thiere beweisen bereits zur Gnüge, wie bar¬
barisch und zweckwidrig diese Beschickung des Zugviehes sei, für das
eben nur dieselbe Anspannungsweise paßt, wie sie bei den Pferden
allgemein angewandt wird, wobei zugleich die mit der auf den Ach¬
sen des Wagens koncentrirten Last parallel laufende Zugkraft un¬
geschwächt bleibt und in ihrer Totalitat wirken kann. Am meisten
muß es verdrießen, daß bei uns jeder Fortschritt wie auf das Com-
mandowort eintreten soll und selbst die beste Sache so lange verpönt
bleibt, bis man sich oben durch irgend einen Zufall von der Auträg-
lichkeit derselben hinlänglich überzeugt hat: die Vereine gegen Thier-
quälerei haben lange genug das Stichblatt des Witzes bilden müssen,
und die Censur ließ die ärgsten Verhöhnungen der in Deutschland
wirksamen Vereine dieser Gattung passiren; jetzt mit Einemmale will
man uns eine von der Humanität schon längst gebotene Sache, die
nur darum nicht zu Stande kam, weil das Polizciauge in ihr das
verhaßte Vcreinsprincip erblickte, wie eine Beglückung decretiren, um
sich vielleicht nachträglich das Verdienst des Instituts zu vindiciren.
Unsere Tugenden sind wenigstens unser Eigenthum und können weder
durch hohe Billigung erschaffen noch unterdrückt werden.

Bevor man indeß daran denkt, die armen Thiere nicht unnützer
Weise zu quälen, möchten wir doch, daß früher noch den Menschen
dieser Schutz zu Theil würde und in Zukunft der ruhige Bürger, in¬
dem er seinen Geschäften nachgeht und das Geld zu erschwingen sucht,
womit er seine Abgaben bezahlt, nicht den Flintenkugeln der Solda¬
teska ausgesetzt sei. Unter dem frühern commandirenden General, dem
jetzigen Feldmarschall Baron Wimpfen, erfreute sich die Hauptstadt
einer ungestörten Ruhe, ohne daß deshalb die Kugeln in den Gassen
herumflogen, allein jetzt hat sich die Ansicht festgestellt, daß nur die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/375>, abgerufen am 23.12.2024.