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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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theilen, den verjährten Vorrechten und Einrichtungen, so daß der
ehemalige Bestand schon ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale
der Entscheidung legt. Nichts ist ihm im Allgemeinen verhaßter
als Neuerung, oder wie es Andere nennen, Fortschritt, und so
kommt es denn auch, daß jeder Verdacht der Hinneigung zu diesem,
schon für mehr als leichter Makel gilt, und daß häusig Leute im Con-
gresse sitzen, die mit den Interessen der Gegenwart wenig vertraut sind,
und ihre eigenen Gedanken weder in Rede noch Schrift mit ge¬
wünschter Klarheit auszusprechen vermögen. Sei es nun deßhalb,
oder weil selbst der alten Verfassung zufolge das vornehmste Recht
der tirolischen Stände in der Steuerbewilligung bestand, die Fra¬
gen, welche die Regierung ihnen zur Berathung vorlegt, erheben
sich nicht über die Schwebe der Localinterressen; auf diese in eng¬
ster Bedeutung beschränken sich auch fast ausschließlich ihre Bitten
und Wünsche, und die Debatten beruhen gewöhnlich nur auf dem
Conflicte der nördlichen mit der südlichen. Vielen gilt die Stand¬
schaft blos für ein kleines Emolument; die wenigsten vielleicht sind
von der Wichtigkeit eines Amtes durchdrungen, das zur Wahrung
und Aufrechthaltung unserer Stellung, den Provinzen des großen
Kaiserstaates gegenüber, berufen ist. Man wird begreifen, daß es
keines glänzenden Rednertalentes, ja keines andern als eines gemei¬
nen für Alle bedarf, um bei dieser Versammlung den Beifall einer
Maßregel zu gewinnen, wofür man ihr die Duldung zweier Jahr¬
hunderte als Bürgen zu stellen vermochte, wie nicht minder, daß
der Plan dazu nicht aus ihrem Schoße entsprang, da die Erinne¬
rung daran über zwei Menschenalter zurückführte.

Die Mine, welche die Capitulation einleiten sollte, wurde von
außen nach innen gegraben. Die Ligue, welche ihre Missionäre nach
Aufgang und Niedergang entsendet, und Bombay wie Nordame¬
rika unter einem Hirten sammeln will, hatte dieselbe Wohlthat
auch längst ihrem Nachbarlande zugedacht. Ihr Patriarch selbst be¬
mühte sich wiederholt zu freundlichem Besuch, und ließ so gut mög¬
lich zur allgemeinen Bewunderung laut werden, wie er nun sein
alchymistisches Laboratorium mit Geistern und Dämonen auch hier^
zu Lande aufgeschlagen. Ich gestehe offen, nicht zu wissen, ob und ^
wie tief sich seine Wünschelruthe auch zu den guten Prämonstra-
tensern von Wilten niederbog, und dazu beitrug, sie in ihrer Ob-


theilen, den verjährten Vorrechten und Einrichtungen, so daß der
ehemalige Bestand schon ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale
der Entscheidung legt. Nichts ist ihm im Allgemeinen verhaßter
als Neuerung, oder wie es Andere nennen, Fortschritt, und so
kommt es denn auch, daß jeder Verdacht der Hinneigung zu diesem,
schon für mehr als leichter Makel gilt, und daß häusig Leute im Con-
gresse sitzen, die mit den Interessen der Gegenwart wenig vertraut sind,
und ihre eigenen Gedanken weder in Rede noch Schrift mit ge¬
wünschter Klarheit auszusprechen vermögen. Sei es nun deßhalb,
oder weil selbst der alten Verfassung zufolge das vornehmste Recht
der tirolischen Stände in der Steuerbewilligung bestand, die Fra¬
gen, welche die Regierung ihnen zur Berathung vorlegt, erheben
sich nicht über die Schwebe der Localinterressen; auf diese in eng¬
ster Bedeutung beschränken sich auch fast ausschließlich ihre Bitten
und Wünsche, und die Debatten beruhen gewöhnlich nur auf dem
Conflicte der nördlichen mit der südlichen. Vielen gilt die Stand¬
schaft blos für ein kleines Emolument; die wenigsten vielleicht sind
von der Wichtigkeit eines Amtes durchdrungen, das zur Wahrung
und Aufrechthaltung unserer Stellung, den Provinzen des großen
Kaiserstaates gegenüber, berufen ist. Man wird begreifen, daß es
keines glänzenden Rednertalentes, ja keines andern als eines gemei¬
nen für Alle bedarf, um bei dieser Versammlung den Beifall einer
Maßregel zu gewinnen, wofür man ihr die Duldung zweier Jahr¬
hunderte als Bürgen zu stellen vermochte, wie nicht minder, daß
der Plan dazu nicht aus ihrem Schoße entsprang, da die Erinne¬
rung daran über zwei Menschenalter zurückführte.

Die Mine, welche die Capitulation einleiten sollte, wurde von
außen nach innen gegraben. Die Ligue, welche ihre Missionäre nach
Aufgang und Niedergang entsendet, und Bombay wie Nordame¬
rika unter einem Hirten sammeln will, hatte dieselbe Wohlthat
auch längst ihrem Nachbarlande zugedacht. Ihr Patriarch selbst be¬
mühte sich wiederholt zu freundlichem Besuch, und ließ so gut mög¬
lich zur allgemeinen Bewunderung laut werden, wie er nun sein
alchymistisches Laboratorium mit Geistern und Dämonen auch hier^
zu Lande aufgeschlagen. Ich gestehe offen, nicht zu wissen, ob und ^
wie tief sich seine Wünschelruthe auch zu den guten Prämonstra-
tensern von Wilten niederbog, und dazu beitrug, sie in ihrer Ob-


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[0368] theilen, den verjährten Vorrechten und Einrichtungen, so daß der ehemalige Bestand schon ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale der Entscheidung legt. Nichts ist ihm im Allgemeinen verhaßter als Neuerung, oder wie es Andere nennen, Fortschritt, und so kommt es denn auch, daß jeder Verdacht der Hinneigung zu diesem, schon für mehr als leichter Makel gilt, und daß häusig Leute im Con- gresse sitzen, die mit den Interessen der Gegenwart wenig vertraut sind, und ihre eigenen Gedanken weder in Rede noch Schrift mit ge¬ wünschter Klarheit auszusprechen vermögen. Sei es nun deßhalb, oder weil selbst der alten Verfassung zufolge das vornehmste Recht der tirolischen Stände in der Steuerbewilligung bestand, die Fra¬ gen, welche die Regierung ihnen zur Berathung vorlegt, erheben sich nicht über die Schwebe der Localinterressen; auf diese in eng¬ ster Bedeutung beschränken sich auch fast ausschließlich ihre Bitten und Wünsche, und die Debatten beruhen gewöhnlich nur auf dem Conflicte der nördlichen mit der südlichen. Vielen gilt die Stand¬ schaft blos für ein kleines Emolument; die wenigsten vielleicht sind von der Wichtigkeit eines Amtes durchdrungen, das zur Wahrung und Aufrechthaltung unserer Stellung, den Provinzen des großen Kaiserstaates gegenüber, berufen ist. Man wird begreifen, daß es keines glänzenden Rednertalentes, ja keines andern als eines gemei¬ nen für Alle bedarf, um bei dieser Versammlung den Beifall einer Maßregel zu gewinnen, wofür man ihr die Duldung zweier Jahr¬ hunderte als Bürgen zu stellen vermochte, wie nicht minder, daß der Plan dazu nicht aus ihrem Schoße entsprang, da die Erinne¬ rung daran über zwei Menschenalter zurückführte. Die Mine, welche die Capitulation einleiten sollte, wurde von außen nach innen gegraben. Die Ligue, welche ihre Missionäre nach Aufgang und Niedergang entsendet, und Bombay wie Nordame¬ rika unter einem Hirten sammeln will, hatte dieselbe Wohlthat auch längst ihrem Nachbarlande zugedacht. Ihr Patriarch selbst be¬ mühte sich wiederholt zu freundlichem Besuch, und ließ so gut mög¬ lich zur allgemeinen Bewunderung laut werden, wie er nun sein alchymistisches Laboratorium mit Geistern und Dämonen auch hier^ zu Lande aufgeschlagen. Ich gestehe offen, nicht zu wissen, ob und ^ wie tief sich seine Wünschelruthe auch zu den guten Prämonstra- tensern von Wilten niederbog, und dazu beitrug, sie in ihrer Ob-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/368>, abgerufen am 23.12.2024.