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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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1792 noch in den Gliedern lag und in den Köpfen spukte, witter¬
ten überall, und wär's bei einem Tumult in Nanking, französichc
Propaganda; hatte man doch lange Zeit, wie der Congreß von
Verona bewies, selbst den Glaubens- und Nationalkrieg der Grie¬
chen gegen die Türken, mit den revolutionären Bewegungen Frank¬
reichs in eine Linie stellen wollen. Auf diese Herrn konnte daher
nicht genug Rücksicht genommen werden, so lange man noch etwas
von ihnen hoffte.

Außerdem fragt sich, ob es, in einem so aufgeregten Zeitpunkt,
bei einer bloßen Reform geblieben wäre; ob man nicht in der That
die Verwirklichung der. fieberischer Visionen in Krasicki's "Ungött-
lichcr Komödie" zu erwarten gehabt hätte; ob man während des
Krieges gegen Außen die polnische Zwietracht, die beim geringsten
Neformversuch wach geworden wäre, hätte bändigen können. Wie
in den höhern, so gab es auch in den niedern Regionen gewisse
Köpfe, die sich den polnischen Aufstand, der ein purer Nationalkrieg
war, nicht ohne Wohlfahrtsausschuß und Guillotine denken konn¬
ten und die in allem Ernste dem Mangel dieser liebenswürdigen
Maschine allein den unglücklichen Ausgang der Bewegung zuschrie¬
ben. Die Guillotine hätte Polen nicht ein Bataillon mehr gelie¬
fert, und gegen wen sollte sie wüthen, da der Kampf durchaus
kein innerer war? Sollte sie um jeden Preis Aristokraten köpfen,
so war sie der beste Alliirte Rußlands, denn außer den Adeligen gab
es zur Zeit keinen fähigen Anführer. Und dennoch war eine kleine
Fraction blind genug, solches Affenspiel zu wünschen, wie wir spä¬
ter sehen werden.

Czartoryski hatte übrigens das Beispiel Kociuözko's für sich,
der, selbst demokratisch gesinnt, sechs und dreißig Jahre früher mit
denselben Schwierigkeiten kämpfte und ohne sich lang zu besinnen,
die Warschauer Septembriseurs aufknüpfen ließ.-i-) "Ich will," sagte
der Held, "daß sich Jeder schlage, ohne sich in Dinge zu mischen,
die er nicht versteht." Nun gab es aber in Warschau 1831, wie
1794, Müßiggänger, die, statt den Feind zu bekämpfen, innere Un¬
ruhen anzettelten. Cs handelte sich um eine rein militärische Frage.
Man war mit Chlopicki's Nachfolger, dem Generalissimus Skrzy-



*) Siehe die Memoiren von Michael Oginski.

1792 noch in den Gliedern lag und in den Köpfen spukte, witter¬
ten überall, und wär's bei einem Tumult in Nanking, französichc
Propaganda; hatte man doch lange Zeit, wie der Congreß von
Verona bewies, selbst den Glaubens- und Nationalkrieg der Grie¬
chen gegen die Türken, mit den revolutionären Bewegungen Frank¬
reichs in eine Linie stellen wollen. Auf diese Herrn konnte daher
nicht genug Rücksicht genommen werden, so lange man noch etwas
von ihnen hoffte.

Außerdem fragt sich, ob es, in einem so aufgeregten Zeitpunkt,
bei einer bloßen Reform geblieben wäre; ob man nicht in der That
die Verwirklichung der. fieberischer Visionen in Krasicki's „Ungött-
lichcr Komödie" zu erwarten gehabt hätte; ob man während des
Krieges gegen Außen die polnische Zwietracht, die beim geringsten
Neformversuch wach geworden wäre, hätte bändigen können. Wie
in den höhern, so gab es auch in den niedern Regionen gewisse
Köpfe, die sich den polnischen Aufstand, der ein purer Nationalkrieg
war, nicht ohne Wohlfahrtsausschuß und Guillotine denken konn¬
ten und die in allem Ernste dem Mangel dieser liebenswürdigen
Maschine allein den unglücklichen Ausgang der Bewegung zuschrie¬
ben. Die Guillotine hätte Polen nicht ein Bataillon mehr gelie¬
fert, und gegen wen sollte sie wüthen, da der Kampf durchaus
kein innerer war? Sollte sie um jeden Preis Aristokraten köpfen,
so war sie der beste Alliirte Rußlands, denn außer den Adeligen gab
es zur Zeit keinen fähigen Anführer. Und dennoch war eine kleine
Fraction blind genug, solches Affenspiel zu wünschen, wie wir spä¬
ter sehen werden.

Czartoryski hatte übrigens das Beispiel Kociuözko's für sich,
der, selbst demokratisch gesinnt, sechs und dreißig Jahre früher mit
denselben Schwierigkeiten kämpfte und ohne sich lang zu besinnen,
die Warschauer Septembriseurs aufknüpfen ließ.-i-) „Ich will," sagte
der Held, „daß sich Jeder schlage, ohne sich in Dinge zu mischen,
die er nicht versteht." Nun gab es aber in Warschau 1831, wie
1794, Müßiggänger, die, statt den Feind zu bekämpfen, innere Un¬
ruhen anzettelten. Cs handelte sich um eine rein militärische Frage.
Man war mit Chlopicki's Nachfolger, dem Generalissimus Skrzy-



*) Siehe die Memoiren von Michael Oginski.
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[0360] 1792 noch in den Gliedern lag und in den Köpfen spukte, witter¬ ten überall, und wär's bei einem Tumult in Nanking, französichc Propaganda; hatte man doch lange Zeit, wie der Congreß von Verona bewies, selbst den Glaubens- und Nationalkrieg der Grie¬ chen gegen die Türken, mit den revolutionären Bewegungen Frank¬ reichs in eine Linie stellen wollen. Auf diese Herrn konnte daher nicht genug Rücksicht genommen werden, so lange man noch etwas von ihnen hoffte. Außerdem fragt sich, ob es, in einem so aufgeregten Zeitpunkt, bei einer bloßen Reform geblieben wäre; ob man nicht in der That die Verwirklichung der. fieberischer Visionen in Krasicki's „Ungött- lichcr Komödie" zu erwarten gehabt hätte; ob man während des Krieges gegen Außen die polnische Zwietracht, die beim geringsten Neformversuch wach geworden wäre, hätte bändigen können. Wie in den höhern, so gab es auch in den niedern Regionen gewisse Köpfe, die sich den polnischen Aufstand, der ein purer Nationalkrieg war, nicht ohne Wohlfahrtsausschuß und Guillotine denken konn¬ ten und die in allem Ernste dem Mangel dieser liebenswürdigen Maschine allein den unglücklichen Ausgang der Bewegung zuschrie¬ ben. Die Guillotine hätte Polen nicht ein Bataillon mehr gelie¬ fert, und gegen wen sollte sie wüthen, da der Kampf durchaus kein innerer war? Sollte sie um jeden Preis Aristokraten köpfen, so war sie der beste Alliirte Rußlands, denn außer den Adeligen gab es zur Zeit keinen fähigen Anführer. Und dennoch war eine kleine Fraction blind genug, solches Affenspiel zu wünschen, wie wir spä¬ ter sehen werden. Czartoryski hatte übrigens das Beispiel Kociuözko's für sich, der, selbst demokratisch gesinnt, sechs und dreißig Jahre früher mit denselben Schwierigkeiten kämpfte und ohne sich lang zu besinnen, die Warschauer Septembriseurs aufknüpfen ließ.-i-) „Ich will," sagte der Held, „daß sich Jeder schlage, ohne sich in Dinge zu mischen, die er nicht versteht." Nun gab es aber in Warschau 1831, wie 1794, Müßiggänger, die, statt den Feind zu bekämpfen, innere Un¬ ruhen anzettelten. Cs handelte sich um eine rein militärische Frage. Man war mit Chlopicki's Nachfolger, dem Generalissimus Skrzy- *) Siehe die Memoiren von Michael Oginski.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/360>, abgerufen am 23.12.2024.