Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.daß es in diesem Feldzuge nur mit schlecht angeführten Türken zu Rußland wollte also von keinem Vertrage hören, so gerechte Man hat Czartoryski ferner als das Haupt jener einseitigen daß es in diesem Feldzuge nur mit schlecht angeführten Türken zu Rußland wollte also von keinem Vertrage hören, so gerechte Man hat Czartoryski ferner als das Haupt jener einseitigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182168"/> <p xml:id="ID_801" prev="#ID_800"> daß es in diesem Feldzuge nur mit schlecht angeführten Türken zu<lb/> thun gehabt, und daß zahllose Polen unter russischen Fahnen mit¬<lb/> gefochten hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_802"> Rußland wollte also von keinem Vertrage hören, so gerechte<lb/> Beschwerden auch das Königreich Polen vorzubringen hatte; es<lb/> verlangte, was es nicht zu erhalten sicher war, blinde Unterwerfung<lb/> und ließ zugleich seine Armee marschiren. Diesen Umstand sollte<lb/> man bei der Beurtheilung der polnischen Sache nie aus den Au¬<lb/> gen lassen. Als man sich in Warschau demnach zur Fortsetzung<lb/> der Revolution gezwungen sah, gab Chlopicki seine Diktatur ab<lb/> und stellte sich als Soldat in die Reihen. Czartoryski, zum Prä¬<lb/> sidenten der Regierung erwählt, die aus fünf Mitgliedern bestand,<lb/> nahm diese gefährliche Stellung an und verbrannte wie The-<lb/> mistokles seine Schiffe hinter sich. Dieser Muth ist doppelt groß<lb/> zu nennen, wenn man weiß, daß die Organisation der Fünfmän¬<lb/> nerregierung, die alle Verantwortlichkeit trug, während die Oberlei¬<lb/> tung in den Händen des Generalissimus war, ihm selbst fehlerhaft<lb/> schien, und daß er im Grunde an dem Triumph Polens zweifelte.<lb/> Man hat ihm vorgeworfen, daß er die Kriegsoperationen zu hem¬<lb/> men und Muthlosigkeit zu verbreiten gesucht habe, während doch<lb/> alle sein Proklamationen und öffentlichen Handlungen das Gegen¬<lb/> theil beweisen. Und es wäre auch seltsam, daß ein Mann, der<lb/> Aechtung und Schaffott wagt, der seine ganze Eristenz auf den<lb/> Ausgang eines Kampfes auf Tod und Leben setzt, seine eigenen<lb/> Kämpfer zu schwächen suchen sollte. „Unser Schwert ist unsere<lb/> Hoffnung," sagte er am Tage vor der Schlacht. „Europa wird<lb/> sich erst nach dem Siege aussprechen." Die schöne Proklamation<lb/> des Fürsten Czartoryski vom 22. Mai 183! an die Völker Lithau¬<lb/> ens, Volhiniens, Podoliens und der Ukraine, athmet denselben<lb/> Geist.</p><lb/> <p xml:id="ID_803" next="#ID_804"> Man hat Czartoryski ferner als das Haupt jener einseitigen<lb/> bornirten Edelleute hinstellen wollen, welche den Aufstand als eine<lb/> pure Adelsaffaire ansahen und die Revolution als einen einfachen<lb/> Feldzug zwischen der polnischen Aristokratie und dem Czaren führen<lb/> gewollt- Man sagt, Polen hätte damals die Leibeigenen freigeben<lb/> und den Landsturm aufbieten sollen. Wir glauben nicht, daß<lb/> Czartoryski zu den verstockten und egoistischen Aristokraten gehörte,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0358]
daß es in diesem Feldzuge nur mit schlecht angeführten Türken zu
thun gehabt, und daß zahllose Polen unter russischen Fahnen mit¬
gefochten hatten.
Rußland wollte also von keinem Vertrage hören, so gerechte
Beschwerden auch das Königreich Polen vorzubringen hatte; es
verlangte, was es nicht zu erhalten sicher war, blinde Unterwerfung
und ließ zugleich seine Armee marschiren. Diesen Umstand sollte
man bei der Beurtheilung der polnischen Sache nie aus den Au¬
gen lassen. Als man sich in Warschau demnach zur Fortsetzung
der Revolution gezwungen sah, gab Chlopicki seine Diktatur ab
und stellte sich als Soldat in die Reihen. Czartoryski, zum Prä¬
sidenten der Regierung erwählt, die aus fünf Mitgliedern bestand,
nahm diese gefährliche Stellung an und verbrannte wie The-
mistokles seine Schiffe hinter sich. Dieser Muth ist doppelt groß
zu nennen, wenn man weiß, daß die Organisation der Fünfmän¬
nerregierung, die alle Verantwortlichkeit trug, während die Oberlei¬
tung in den Händen des Generalissimus war, ihm selbst fehlerhaft
schien, und daß er im Grunde an dem Triumph Polens zweifelte.
Man hat ihm vorgeworfen, daß er die Kriegsoperationen zu hem¬
men und Muthlosigkeit zu verbreiten gesucht habe, während doch
alle sein Proklamationen und öffentlichen Handlungen das Gegen¬
theil beweisen. Und es wäre auch seltsam, daß ein Mann, der
Aechtung und Schaffott wagt, der seine ganze Eristenz auf den
Ausgang eines Kampfes auf Tod und Leben setzt, seine eigenen
Kämpfer zu schwächen suchen sollte. „Unser Schwert ist unsere
Hoffnung," sagte er am Tage vor der Schlacht. „Europa wird
sich erst nach dem Siege aussprechen." Die schöne Proklamation
des Fürsten Czartoryski vom 22. Mai 183! an die Völker Lithau¬
ens, Volhiniens, Podoliens und der Ukraine, athmet denselben
Geist.
Man hat Czartoryski ferner als das Haupt jener einseitigen
bornirten Edelleute hinstellen wollen, welche den Aufstand als eine
pure Adelsaffaire ansahen und die Revolution als einen einfachen
Feldzug zwischen der polnischen Aristokratie und dem Czaren führen
gewollt- Man sagt, Polen hätte damals die Leibeigenen freigeben
und den Landsturm aufbieten sollen. Wir glauben nicht, daß
Czartoryski zu den verstockten und egoistischen Aristokraten gehörte,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |