Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Welt hinausschleuderst und als echtes Genie dein glühendes Herzblut Ja, theuerer Bruder Hekla, die Zeit der einzelnen Größen ist Deine Liebenswürdigkeit, daß du dich auf einen Posten gestellt, 42*
Welt hinausschleuderst und als echtes Genie dein glühendes Herzblut Ja, theuerer Bruder Hekla, die Zeit der einzelnen Größen ist Deine Liebenswürdigkeit, daß du dich auf einen Posten gestellt, 42*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182149"/> <p xml:id="ID_762" prev="#ID_761"> Welt hinausschleuderst und als echtes Genie dein glühendes Herzblut<lb/> >aus allen Adern strömen lassest, und die Nacht um dich erhellst,<lb/> es kümmert sich keine Seele um dich, selbst nicht unsere lieben An-<lb/> verwandten und Bettern, die gemüthlichen Feuerspeier in Deutsch¬<lb/> land. Achtzig Jahre hast du geschlummert; freilich eine kurze Frist<lb/> im Leben eines Vulcans, aber eine historische Periode für kleine<lb/> Menschen. Es hat sich viel geändert in dieser kurzen Aelt. Die<lb/> Deutschen bilden sich jetzt ein, praktisch geworden zu sein, und machen<lb/> ernste militärische Gesichter. Magst du noch so schön wüthen, es<lb/> rührt sie nicht mehr, wenn sie nicht den Nutzen davon sehen. Du<lb/> mußt ein Antiquitätencustos sein, wie der Vesuv, oder ein Eabincts-<lb/> stück, das man einem nordischen Barbaren als Rarität zeigt, wie<lb/> der Aetna, oder du mußt wie unser Bruder in Südamerika den<lb/> Leuten gebratene Fische ins Maul werfen, dann wirst du Glück ma¬<lb/> chen, und Gervinus wird dich loben. Den großen unberechenbaren<lb/> Nutzen, den du ihnen als ewige Fontanelle der alten Erde, als<lb/> erschütternder, aufrüttelnder Reiniger von Lust und Meere gewahrst,<lb/> den sehen sie nicht mehr, für diese Tiefen haben sie den Blick ver¬<lb/> loren. Nur Eines kann dich noch retten; wenn sie noch bemerken,<lb/> Haß du im Geyser breite Bettelsuppen kochst, so bekommst du noch<lb/> «in großes Publicum. Sie haben jetzt alles <in in'mmrure: einen<lb/> kleinen Napoleon, einen kleinen Luther, kleine Hütten, kleine Ncro-<lb/> nen, kleine Messalinen und Pompadoure, kleine Hansen, kleine<lb/> Flotten, kleine Revolutionen, kleine Martyrthümer, kleine Religionen,<lb/> kleine Reformationen, kleine Tugenden, kleine Laster. So haben sie<lb/> sich auch kleine feuerspeiende Berge zum Privatgebrauche beigelegt,<lb/> und fast jede kleine Provinzialstadr hat einen kleinen Communal-Krater.</p><lb/> <p xml:id="ID_763"> Ja, theuerer Bruder Hekla, die Zeit der einzelnen Größen ist<lb/> vorüber, und die Zeit der vielen Kleinen hat ihre Stelle eingenom¬<lb/> men. Dies Eine kann ich dir nur noch zum Troste sagen, wenn<lb/> du ausgebrannt und todt sein wirst, wird dein Portrait von irgend<lb/> Einem, der dich nie gesehen, sprechend ähnlich gemahlt in Europa<lb/> herumziehen und bewundert, ja vielleicht gar besungen werden;<lb/> gerade so wie dieß geschehen ist, als sich der Polnische Krater aus¬<lb/> getobt und zu Schlacken verkohlt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> Deine Liebenswürdigkeit, daß du dich auf einen Posten gestellt,<lb/> wo du keins der fünf Welttheile genirst, und allen zugleich nützest,<lb/> wird dir niemand danken. — Du mußt dich für eine Nationalität<lb/> erklären, und in nationalem Sinne toben, zerstören, verbrennen,<lb/> dann bist du ein Held, ein großer Mann, ein Gott. Mit dei¬<lb/> ner kosmopolitischen Weltansicht vom erhabenen Standpunkte der<lb/> Insel Thule bist du ein utopischer Träumer, oder ein Schwärmer<lb/> mit subversiven Tendenzen. I^i'^inne (^iristi mußt du weinen,<lb/> wie der Vesuv! Ohne letztere, obwohl sie stark mit römischen und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 42*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
Welt hinausschleuderst und als echtes Genie dein glühendes Herzblut
>aus allen Adern strömen lassest, und die Nacht um dich erhellst,
es kümmert sich keine Seele um dich, selbst nicht unsere lieben An-
verwandten und Bettern, die gemüthlichen Feuerspeier in Deutsch¬
land. Achtzig Jahre hast du geschlummert; freilich eine kurze Frist
im Leben eines Vulcans, aber eine historische Periode für kleine
Menschen. Es hat sich viel geändert in dieser kurzen Aelt. Die
Deutschen bilden sich jetzt ein, praktisch geworden zu sein, und machen
ernste militärische Gesichter. Magst du noch so schön wüthen, es
rührt sie nicht mehr, wenn sie nicht den Nutzen davon sehen. Du
mußt ein Antiquitätencustos sein, wie der Vesuv, oder ein Eabincts-
stück, das man einem nordischen Barbaren als Rarität zeigt, wie
der Aetna, oder du mußt wie unser Bruder in Südamerika den
Leuten gebratene Fische ins Maul werfen, dann wirst du Glück ma¬
chen, und Gervinus wird dich loben. Den großen unberechenbaren
Nutzen, den du ihnen als ewige Fontanelle der alten Erde, als
erschütternder, aufrüttelnder Reiniger von Lust und Meere gewahrst,
den sehen sie nicht mehr, für diese Tiefen haben sie den Blick ver¬
loren. Nur Eines kann dich noch retten; wenn sie noch bemerken,
Haß du im Geyser breite Bettelsuppen kochst, so bekommst du noch
«in großes Publicum. Sie haben jetzt alles <in in'mmrure: einen
kleinen Napoleon, einen kleinen Luther, kleine Hütten, kleine Ncro-
nen, kleine Messalinen und Pompadoure, kleine Hansen, kleine
Flotten, kleine Revolutionen, kleine Martyrthümer, kleine Religionen,
kleine Reformationen, kleine Tugenden, kleine Laster. So haben sie
sich auch kleine feuerspeiende Berge zum Privatgebrauche beigelegt,
und fast jede kleine Provinzialstadr hat einen kleinen Communal-Krater.
Ja, theuerer Bruder Hekla, die Zeit der einzelnen Größen ist
vorüber, und die Zeit der vielen Kleinen hat ihre Stelle eingenom¬
men. Dies Eine kann ich dir nur noch zum Troste sagen, wenn
du ausgebrannt und todt sein wirst, wird dein Portrait von irgend
Einem, der dich nie gesehen, sprechend ähnlich gemahlt in Europa
herumziehen und bewundert, ja vielleicht gar besungen werden;
gerade so wie dieß geschehen ist, als sich der Polnische Krater aus¬
getobt und zu Schlacken verkohlt hatte.
Deine Liebenswürdigkeit, daß du dich auf einen Posten gestellt,
wo du keins der fünf Welttheile genirst, und allen zugleich nützest,
wird dir niemand danken. — Du mußt dich für eine Nationalität
erklären, und in nationalem Sinne toben, zerstören, verbrennen,
dann bist du ein Held, ein großer Mann, ein Gott. Mit dei¬
ner kosmopolitischen Weltansicht vom erhabenen Standpunkte der
Insel Thule bist du ein utopischer Träumer, oder ein Schwärmer
mit subversiven Tendenzen. I^i'^inne (^iristi mußt du weinen,
wie der Vesuv! Ohne letztere, obwohl sie stark mit römischen und
42*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |