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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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zübrechen, was natürlich ihrem Zwecke vollkommen angemessen ist,
von Seite des unerfahrenen Publicums aber, das keine Ahnung hat
von der eigentlichen Bedeutung dieses sinnigen Kunststückes, ganzlich
mißverstanden wird, so daß sich jetzt die freilich ganz und gar lächer¬
liche Meinung gebildet hat, als hätten die Herren Ingenieurs, welche
den Bau führten, die Absicht gehabt, eine ordinäre fahrbare Brücke
herzustellen, wie sie jeder gewöhnliche Polierer auf dem Lande zu bauen
vermag, wahrend es ihnen darum zu thun war, die Residenz mit ei¬
ner Rarität zu zieren. Und in der That, die staunenswerthe Regel¬
mäßigkeit, mit welcher besagter Brückenbau in bestimmten Zeiträumen
zusammenknickt, streift an das Wunderbare und gibt der Vermuthung
Raum, als stehe diese kunstreiche Vorrichtung mit einem Uhrwerk in
Verbindung, welches den Zeitpunkt des Zusammcnbrechens regulirt.
Der Scharfsinn und Geschmack der Pontisications-Ingenieure ging
aber noch weiter und wußte die überraschende Senkung des Dam¬
mes noch mit anderen Annehmlichkeiten auf eine recht sinnige Weise
zu verschmelzen, wohin wir besonders gewisse erfrischende Wasser¬
spiele zahlen möchten, die sicher den Beifall aller Verständigen für sich
haben. Mit der Senkung des Dammes brechen nämlich die durch
denselben geführten gußeisernen Röhren der Wasserleitung geschickt
entzwei, und das ihnen entströmende Trinkwasser hat der praktische
Geist der Baumeister dazu benutzt, die herrlichsten Wasserkünste spie¬
len zu lassen, welche einen prächtigen Anblick gewahren. Weniger of¬
fenkundig scheint uns die künstlerische Intention in Bezug auf die
Gasluft, die aus den durch dieselbe Mechanik zertrümmerten Leitungs¬
röhren der Gasbeleuchtungsanstalt entweichen. Um aber ohne Blume
zu sprechen, so erwähne ich schließlich nur, daß die gänzliche Unbrauch-
barkeit des Brückendammes dadurch verschuldet zu sein scheint, daß
statt des erforderlichen und vielleicht auch in den Voranschlag gebrach¬
ten festen und trockenen Kieses der Schutt abgebrochener Häuser zur
Anschotterung verwendet ward, der zwar bedeutend wohlfeiler kommt,
aber den großen Nachtheil hat, in der Folge durch die eindringende
Nässe zersetzt zu werden, was dann eine Senkung nothwendig mit
sich bringt. Bei einer wohlfeilen Regierung fährt man zwar gut,
allein über eine wohlfeile Brücke desto schlechter.

Der Schutzverein für entlassene Sträflinge hat endlich einen
Schutzpatron gefunden; er, der die aus den Strafanstalten entlasse¬
nen Verbrecher in seine Obhut nimmt und einem besseren Lebenswan¬
del zuzuführen strebt, er, der sich zum Patron der Reue und der Ver¬
stoßenen aufgeworfen, hätte beinahe selbst keinen Patron gefunden. Es
ist seltsam, aber dennoch wahr; in anderen Ländern unterstützt und
fördert man auf alle mögliche Weise derlei Tendenzen, die dem Staate
seine Pflicht erleichtern und den oft durch unvollkommene Gesetze mo¬
ralisch erkrankten Theil der Bevölkerung wieder gesund zu machen


zübrechen, was natürlich ihrem Zwecke vollkommen angemessen ist,
von Seite des unerfahrenen Publicums aber, das keine Ahnung hat
von der eigentlichen Bedeutung dieses sinnigen Kunststückes, ganzlich
mißverstanden wird, so daß sich jetzt die freilich ganz und gar lächer¬
liche Meinung gebildet hat, als hätten die Herren Ingenieurs, welche
den Bau führten, die Absicht gehabt, eine ordinäre fahrbare Brücke
herzustellen, wie sie jeder gewöhnliche Polierer auf dem Lande zu bauen
vermag, wahrend es ihnen darum zu thun war, die Residenz mit ei¬
ner Rarität zu zieren. Und in der That, die staunenswerthe Regel¬
mäßigkeit, mit welcher besagter Brückenbau in bestimmten Zeiträumen
zusammenknickt, streift an das Wunderbare und gibt der Vermuthung
Raum, als stehe diese kunstreiche Vorrichtung mit einem Uhrwerk in
Verbindung, welches den Zeitpunkt des Zusammcnbrechens regulirt.
Der Scharfsinn und Geschmack der Pontisications-Ingenieure ging
aber noch weiter und wußte die überraschende Senkung des Dam¬
mes noch mit anderen Annehmlichkeiten auf eine recht sinnige Weise
zu verschmelzen, wohin wir besonders gewisse erfrischende Wasser¬
spiele zahlen möchten, die sicher den Beifall aller Verständigen für sich
haben. Mit der Senkung des Dammes brechen nämlich die durch
denselben geführten gußeisernen Röhren der Wasserleitung geschickt
entzwei, und das ihnen entströmende Trinkwasser hat der praktische
Geist der Baumeister dazu benutzt, die herrlichsten Wasserkünste spie¬
len zu lassen, welche einen prächtigen Anblick gewahren. Weniger of¬
fenkundig scheint uns die künstlerische Intention in Bezug auf die
Gasluft, die aus den durch dieselbe Mechanik zertrümmerten Leitungs¬
röhren der Gasbeleuchtungsanstalt entweichen. Um aber ohne Blume
zu sprechen, so erwähne ich schließlich nur, daß die gänzliche Unbrauch-
barkeit des Brückendammes dadurch verschuldet zu sein scheint, daß
statt des erforderlichen und vielleicht auch in den Voranschlag gebrach¬
ten festen und trockenen Kieses der Schutt abgebrochener Häuser zur
Anschotterung verwendet ward, der zwar bedeutend wohlfeiler kommt,
aber den großen Nachtheil hat, in der Folge durch die eindringende
Nässe zersetzt zu werden, was dann eine Senkung nothwendig mit
sich bringt. Bei einer wohlfeilen Regierung fährt man zwar gut,
allein über eine wohlfeile Brücke desto schlechter.

Der Schutzverein für entlassene Sträflinge hat endlich einen
Schutzpatron gefunden; er, der die aus den Strafanstalten entlasse¬
nen Verbrecher in seine Obhut nimmt und einem besseren Lebenswan¬
del zuzuführen strebt, er, der sich zum Patron der Reue und der Ver¬
stoßenen aufgeworfen, hätte beinahe selbst keinen Patron gefunden. Es
ist seltsam, aber dennoch wahr; in anderen Ländern unterstützt und
fördert man auf alle mögliche Weise derlei Tendenzen, die dem Staate
seine Pflicht erleichtern und den oft durch unvollkommene Gesetze mo¬
ralisch erkrankten Theil der Bevölkerung wieder gesund zu machen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/330>, abgerufen am 23.12.2024.