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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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reichischen Minister geschrieben. Aber was für ein Interesse sie ei¬
gentlich für das Haus Orleans haben, das weiß man nicht. Die
Papiere, welche die andern herzoglichen Häuser betreffen, haben eine
ganz verschiedene Bedeutung. Man behauptet, es sei darin von Be¬
sitzungen die Rede, auf welche jene herzoglichen Familien vergessene,
oder bisher unbekannte Rechte hatten geltend machen wollen. -- Diese
Documente nun, heißt es, die ursprünglich in den Handen eines wohl¬
bekannten österreichischen Ministers sich befunden, seien von ihm der
Sicherheit wegen, während der napoleonischen Invasion, einem Advo-
caten in Preßburg anvertraut worden. Als sie spater der Minister
zurückverlangte, habe der Advocat geläugnet, man weiß wieder nicht,
warum, das anvertraute Gut erhalten zu haben. Aber die Geschichte
ist noch nicht aus; jetzt kommen wir erst zum Außerordentlichsten.
Der junge Buky, aufgemuntert durch seine Entdeckungen, suchte von
Neuem nach und fand bald darauf Papiere von Wichtigkeit für das
Haus Oesterreich. Damit kam er vor zwei Monaten nach Wien
und hatte die Kühnheit, zum Lohn für seine Entdeckung, die Stelle
eines kaiserlichen - Kammerherrn zu verlangen. Diese Auszeichnung
wird aber nur Personen verliehen, welche beweisen können, daß sie
direct vom Himmel stammen und die sogenannte Ahnenprobe able¬
gen. Der junge Buky hatte keinen Stammbaum der Art, denn sein
Vater war ein bürgerlicher Advocat und seine Mutter eine Fleischers-
tochter.. Was mußten also die mysteriösen Papiere enthalten? Dies
ist ein Geheimniß, welches noch Niemand durchdrungen hat. Man
spricht nicht viel in Oesterreich und behalt seine Muthmaßungen für
sich, aber so viel ist gewiß, der junge unbekannte Advocat hat seinen
Zweck erreicht; er tragt die Uniform eines kaiserlichen Kammerherrn
und spielt mit den beiden goldenen Knöpfen, an denen sein Kammer¬
herrnschlüssel aufgehängt wird. Wie seltsam die Abenteuer des Herrn
Buky erscheinen mögen, und wie unbegreiflich sein Glück sein mag,
die Geschichte ist rroizdem wahr und authentisch."

So weit die Times, deren Correspondenz es durchaus auf den
armen Buky abgesehen hat, um ihn als einen dummen Pilz darzu¬
stellen. Unser obenerwähnter Correspondent aus Pesth meldete uns
damals: Wie man hört, hat die Thätigkeit dieses Advocaten in Auf¬
sindung und juristischer Ausbeutung alter Rechtsurkunden dem Hause
Orleans und dem mit ihm verschwägerten Fürstenhaus Coburg-Cohary in
Bezug auf mancherlei vortheilhafte Rechtsansprüche dieser Familie, großen
Nutzen verschafft. Die österreichische Regierung hat den jungen Ad¬
vocaten, der ein Edelmann ist, zum Kammerer und Legationsrath mit
der Bestimmung zur Gesandtschaft in Paris ernannt." Wir sind
neugierig, was diese räthselhafte Geschichte für eine Auflösung findet.




Verlas von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kurauda.
Druck von Friedrich Andrä.

reichischen Minister geschrieben. Aber was für ein Interesse sie ei¬
gentlich für das Haus Orleans haben, das weiß man nicht. Die
Papiere, welche die andern herzoglichen Häuser betreffen, haben eine
ganz verschiedene Bedeutung. Man behauptet, es sei darin von Be¬
sitzungen die Rede, auf welche jene herzoglichen Familien vergessene,
oder bisher unbekannte Rechte hatten geltend machen wollen. — Diese
Documente nun, heißt es, die ursprünglich in den Handen eines wohl¬
bekannten österreichischen Ministers sich befunden, seien von ihm der
Sicherheit wegen, während der napoleonischen Invasion, einem Advo-
caten in Preßburg anvertraut worden. Als sie spater der Minister
zurückverlangte, habe der Advocat geläugnet, man weiß wieder nicht,
warum, das anvertraute Gut erhalten zu haben. Aber die Geschichte
ist noch nicht aus; jetzt kommen wir erst zum Außerordentlichsten.
Der junge Buky, aufgemuntert durch seine Entdeckungen, suchte von
Neuem nach und fand bald darauf Papiere von Wichtigkeit für das
Haus Oesterreich. Damit kam er vor zwei Monaten nach Wien
und hatte die Kühnheit, zum Lohn für seine Entdeckung, die Stelle
eines kaiserlichen - Kammerherrn zu verlangen. Diese Auszeichnung
wird aber nur Personen verliehen, welche beweisen können, daß sie
direct vom Himmel stammen und die sogenannte Ahnenprobe able¬
gen. Der junge Buky hatte keinen Stammbaum der Art, denn sein
Vater war ein bürgerlicher Advocat und seine Mutter eine Fleischers-
tochter.. Was mußten also die mysteriösen Papiere enthalten? Dies
ist ein Geheimniß, welches noch Niemand durchdrungen hat. Man
spricht nicht viel in Oesterreich und behalt seine Muthmaßungen für
sich, aber so viel ist gewiß, der junge unbekannte Advocat hat seinen
Zweck erreicht; er tragt die Uniform eines kaiserlichen Kammerherrn
und spielt mit den beiden goldenen Knöpfen, an denen sein Kammer¬
herrnschlüssel aufgehängt wird. Wie seltsam die Abenteuer des Herrn
Buky erscheinen mögen, und wie unbegreiflich sein Glück sein mag,
die Geschichte ist rroizdem wahr und authentisch."

So weit die Times, deren Correspondenz es durchaus auf den
armen Buky abgesehen hat, um ihn als einen dummen Pilz darzu¬
stellen. Unser obenerwähnter Correspondent aus Pesth meldete uns
damals: Wie man hört, hat die Thätigkeit dieses Advocaten in Auf¬
sindung und juristischer Ausbeutung alter Rechtsurkunden dem Hause
Orleans und dem mit ihm verschwägerten Fürstenhaus Coburg-Cohary in
Bezug auf mancherlei vortheilhafte Rechtsansprüche dieser Familie, großen
Nutzen verschafft. Die österreichische Regierung hat den jungen Ad¬
vocaten, der ein Edelmann ist, zum Kammerer und Legationsrath mit
der Bestimmung zur Gesandtschaft in Paris ernannt." Wir sind
neugierig, was diese räthselhafte Geschichte für eine Auflösung findet.




Verlas von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kurauda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0296] reichischen Minister geschrieben. Aber was für ein Interesse sie ei¬ gentlich für das Haus Orleans haben, das weiß man nicht. Die Papiere, welche die andern herzoglichen Häuser betreffen, haben eine ganz verschiedene Bedeutung. Man behauptet, es sei darin von Be¬ sitzungen die Rede, auf welche jene herzoglichen Familien vergessene, oder bisher unbekannte Rechte hatten geltend machen wollen. — Diese Documente nun, heißt es, die ursprünglich in den Handen eines wohl¬ bekannten österreichischen Ministers sich befunden, seien von ihm der Sicherheit wegen, während der napoleonischen Invasion, einem Advo- caten in Preßburg anvertraut worden. Als sie spater der Minister zurückverlangte, habe der Advocat geläugnet, man weiß wieder nicht, warum, das anvertraute Gut erhalten zu haben. Aber die Geschichte ist noch nicht aus; jetzt kommen wir erst zum Außerordentlichsten. Der junge Buky, aufgemuntert durch seine Entdeckungen, suchte von Neuem nach und fand bald darauf Papiere von Wichtigkeit für das Haus Oesterreich. Damit kam er vor zwei Monaten nach Wien und hatte die Kühnheit, zum Lohn für seine Entdeckung, die Stelle eines kaiserlichen - Kammerherrn zu verlangen. Diese Auszeichnung wird aber nur Personen verliehen, welche beweisen können, daß sie direct vom Himmel stammen und die sogenannte Ahnenprobe able¬ gen. Der junge Buky hatte keinen Stammbaum der Art, denn sein Vater war ein bürgerlicher Advocat und seine Mutter eine Fleischers- tochter.. Was mußten also die mysteriösen Papiere enthalten? Dies ist ein Geheimniß, welches noch Niemand durchdrungen hat. Man spricht nicht viel in Oesterreich und behalt seine Muthmaßungen für sich, aber so viel ist gewiß, der junge unbekannte Advocat hat seinen Zweck erreicht; er tragt die Uniform eines kaiserlichen Kammerherrn und spielt mit den beiden goldenen Knöpfen, an denen sein Kammer¬ herrnschlüssel aufgehängt wird. Wie seltsam die Abenteuer des Herrn Buky erscheinen mögen, und wie unbegreiflich sein Glück sein mag, die Geschichte ist rroizdem wahr und authentisch." So weit die Times, deren Correspondenz es durchaus auf den armen Buky abgesehen hat, um ihn als einen dummen Pilz darzu¬ stellen. Unser obenerwähnter Correspondent aus Pesth meldete uns damals: Wie man hört, hat die Thätigkeit dieses Advocaten in Auf¬ sindung und juristischer Ausbeutung alter Rechtsurkunden dem Hause Orleans und dem mit ihm verschwägerten Fürstenhaus Coburg-Cohary in Bezug auf mancherlei vortheilhafte Rechtsansprüche dieser Familie, großen Nutzen verschafft. Die österreichische Regierung hat den jungen Ad¬ vocaten, der ein Edelmann ist, zum Kammerer und Legationsrath mit der Bestimmung zur Gesandtschaft in Paris ernannt." Wir sind neugierig, was diese räthselhafte Geschichte für eine Auflösung findet. Verlas von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kurauda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/296>, abgerufen am 01.09.2024.