Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen die Negierung, die ziemlich eigenmächtig diese Vertheilung so
angeordnet hatte. Ein so kräftig auftretender Landtag hat dem¬
nach, wie natürlich, eine ungewöhnliche Theilnahme im gebildeten Pub-
licum hier erregt. Schon am frühen Morgen, noch vordem Beginn
der Sitzung, sind die Zuschauer-Tribünen gefüllt, und es hält sehr
schwer, ja oft unmöglich, sich wenige Minuten später, den beschei¬
densten Platz daselbst zu verschaffen. Leider sind die Gallerien so
eng und in jeder Hinsicht, besonders durch die breiten abgesperrten,
in der Regel doch nur leer stehenden Räume für den Hochadel so
beschränkt, daß nur eine nicht sehr große Zahl von Zuhörern anderer
Stände Raum findet. Wahrend doch ordentlich darauf studirt wor¬
den ist, Gelegenheiten von nur einiger Scheinbarkeit zur Ausführung,
neuer Prachtbauten zu finden, hat man es nicht für gut gehalten
ein dem dringensten Bedürfniß entsprechendes Standchaus zu schaffen.
Von dringendem Bedürfniß kann man aber doch wohl mit vollem
Rechte reden, wenn bei einer Ständeversammlung des Königreichs
Baiern nicht mehr als etwa hundert nicht hoffähige Zuhörer Platz
zu finden vermögen.

Die hiesigen Volks- und politischen Zeitungen bringen die mis-
beliebigen Reden einzelner Abgeordneten gewöhnlich so verkürzt und
oft fo sinnlos entstellt, daß man kaum darin das, was man mit
eigenen Ohren gehört hat, wieder zu erkennen vermag. Die getreue-
sten und ausführlichsten Landtagsberichte bringt der in Nürnberg er¬
scheinende "Correspondent für Deutschland." Zwar nicht immer in
ihrem ganzen Zusammenhange, aber doch die wichtigsten Stellen kurz
angegeben und beleuchtet findet man in einzelnen Berichten über
den hiesigen Landtag theils aus Franken, theils aus München selbst
datirt, in dem Herold des Prof. Biedermann, welche Zeitschrift
auch hier in kleineren Kreisen die verdiente Beachtung zu finden
immer mehr anfängt.

Im sonstigen geselligen Leben Hieselbst hat der Carneval nun
seine lustige Herrschaft angetreten, und zählt wenig unzufriedene oder
säumige Diener; öffentliche wie Privatbälle, maskirte Akademien
und maskenlose Maskeraden drängen sich in bunter Abwechselung
und gewahren den an Geld und Zeit nicht Armen Beschäftigung
vollauf. Glänzende Karossen und bescheidene Fiaker rasseln des Abends
in allen Richtungen durch die schlecht beleuchteten Straßen, und füh¬
ren schön geschmückte Damen mit von Lust blitzenden Augen, in die
glänzend erleuchteten Festhalten. Dazwischen hungert und friert der
Arme bei der ungewöhnlichen Theurung aller Lebensmittel und der
mitunter eingetretenen scharfen Kälte. Während Hunderte an
einem einzigen Ballabcnd oft ganz nutzlos verschwendet werden,
hat-er nicht wenige Kreuzer, um sich und den hungernden Kin¬
dern Brod für den nächsten Tag zu kaufen. Dort blendender


36*

gegen die Negierung, die ziemlich eigenmächtig diese Vertheilung so
angeordnet hatte. Ein so kräftig auftretender Landtag hat dem¬
nach, wie natürlich, eine ungewöhnliche Theilnahme im gebildeten Pub-
licum hier erregt. Schon am frühen Morgen, noch vordem Beginn
der Sitzung, sind die Zuschauer-Tribünen gefüllt, und es hält sehr
schwer, ja oft unmöglich, sich wenige Minuten später, den beschei¬
densten Platz daselbst zu verschaffen. Leider sind die Gallerien so
eng und in jeder Hinsicht, besonders durch die breiten abgesperrten,
in der Regel doch nur leer stehenden Räume für den Hochadel so
beschränkt, daß nur eine nicht sehr große Zahl von Zuhörern anderer
Stände Raum findet. Wahrend doch ordentlich darauf studirt wor¬
den ist, Gelegenheiten von nur einiger Scheinbarkeit zur Ausführung,
neuer Prachtbauten zu finden, hat man es nicht für gut gehalten
ein dem dringensten Bedürfniß entsprechendes Standchaus zu schaffen.
Von dringendem Bedürfniß kann man aber doch wohl mit vollem
Rechte reden, wenn bei einer Ständeversammlung des Königreichs
Baiern nicht mehr als etwa hundert nicht hoffähige Zuhörer Platz
zu finden vermögen.

Die hiesigen Volks- und politischen Zeitungen bringen die mis-
beliebigen Reden einzelner Abgeordneten gewöhnlich so verkürzt und
oft fo sinnlos entstellt, daß man kaum darin das, was man mit
eigenen Ohren gehört hat, wieder zu erkennen vermag. Die getreue-
sten und ausführlichsten Landtagsberichte bringt der in Nürnberg er¬
scheinende „Correspondent für Deutschland." Zwar nicht immer in
ihrem ganzen Zusammenhange, aber doch die wichtigsten Stellen kurz
angegeben und beleuchtet findet man in einzelnen Berichten über
den hiesigen Landtag theils aus Franken, theils aus München selbst
datirt, in dem Herold des Prof. Biedermann, welche Zeitschrift
auch hier in kleineren Kreisen die verdiente Beachtung zu finden
immer mehr anfängt.

Im sonstigen geselligen Leben Hieselbst hat der Carneval nun
seine lustige Herrschaft angetreten, und zählt wenig unzufriedene oder
säumige Diener; öffentliche wie Privatbälle, maskirte Akademien
und maskenlose Maskeraden drängen sich in bunter Abwechselung
und gewahren den an Geld und Zeit nicht Armen Beschäftigung
vollauf. Glänzende Karossen und bescheidene Fiaker rasseln des Abends
in allen Richtungen durch die schlecht beleuchteten Straßen, und füh¬
ren schön geschmückte Damen mit von Lust blitzenden Augen, in die
glänzend erleuchteten Festhalten. Dazwischen hungert und friert der
Arme bei der ungewöhnlichen Theurung aller Lebensmittel und der
mitunter eingetretenen scharfen Kälte. Während Hunderte an
einem einzigen Ballabcnd oft ganz nutzlos verschwendet werden,
hat-er nicht wenige Kreuzer, um sich und den hungernden Kin¬
dern Brod für den nächsten Tag zu kaufen. Dort blendender


36*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182101"/>
            <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643"> gegen die Negierung, die ziemlich eigenmächtig diese Vertheilung so<lb/>
angeordnet hatte. Ein so kräftig auftretender Landtag hat dem¬<lb/>
nach, wie natürlich, eine ungewöhnliche Theilnahme im gebildeten Pub-<lb/>
licum hier erregt. Schon am frühen Morgen, noch vordem Beginn<lb/>
der Sitzung, sind die Zuschauer-Tribünen gefüllt, und es hält sehr<lb/>
schwer, ja oft unmöglich, sich wenige Minuten später, den beschei¬<lb/>
densten Platz daselbst zu verschaffen. Leider sind die Gallerien so<lb/>
eng und in jeder Hinsicht, besonders durch die breiten abgesperrten,<lb/>
in der Regel doch nur leer stehenden Räume für den Hochadel so<lb/>
beschränkt, daß nur eine nicht sehr große Zahl von Zuhörern anderer<lb/>
Stände Raum findet. Wahrend doch ordentlich darauf studirt wor¬<lb/>
den ist, Gelegenheiten von nur einiger Scheinbarkeit zur Ausführung,<lb/>
neuer Prachtbauten zu finden, hat man es nicht für gut gehalten<lb/>
ein dem dringensten Bedürfniß entsprechendes Standchaus zu schaffen.<lb/>
Von dringendem Bedürfniß kann man aber doch wohl mit vollem<lb/>
Rechte reden, wenn bei einer Ständeversammlung des Königreichs<lb/>
Baiern nicht mehr als etwa hundert nicht hoffähige Zuhörer Platz<lb/>
zu finden vermögen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_645"> Die hiesigen Volks- und politischen Zeitungen bringen die mis-<lb/>
beliebigen Reden einzelner Abgeordneten gewöhnlich so verkürzt und<lb/>
oft fo sinnlos entstellt, daß man kaum darin das, was man mit<lb/>
eigenen Ohren gehört hat, wieder zu erkennen vermag. Die getreue-<lb/>
sten und ausführlichsten Landtagsberichte bringt der in Nürnberg er¬<lb/>
scheinende &#x201E;Correspondent für Deutschland." Zwar nicht immer in<lb/>
ihrem ganzen Zusammenhange, aber doch die wichtigsten Stellen kurz<lb/>
angegeben und beleuchtet findet man in einzelnen Berichten über<lb/>
den hiesigen Landtag theils aus Franken, theils aus München selbst<lb/>
datirt, in dem Herold des Prof. Biedermann, welche Zeitschrift<lb/>
auch hier in kleineren Kreisen die verdiente Beachtung zu finden<lb/>
immer mehr anfängt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> Im sonstigen geselligen Leben Hieselbst hat der Carneval nun<lb/>
seine lustige Herrschaft angetreten, und zählt wenig unzufriedene oder<lb/>
säumige Diener; öffentliche wie Privatbälle, maskirte Akademien<lb/>
und maskenlose Maskeraden drängen sich in bunter Abwechselung<lb/>
und gewahren den an Geld und Zeit nicht Armen Beschäftigung<lb/>
vollauf. Glänzende Karossen und bescheidene Fiaker rasseln des Abends<lb/>
in allen Richtungen durch die schlecht beleuchteten Straßen, und füh¬<lb/>
ren schön geschmückte Damen mit von Lust blitzenden Augen, in die<lb/>
glänzend erleuchteten Festhalten. Dazwischen hungert und friert der<lb/>
Arme bei der ungewöhnlichen Theurung aller Lebensmittel und der<lb/>
mitunter eingetretenen scharfen Kälte. Während Hunderte an<lb/>
einem einzigen Ballabcnd oft ganz nutzlos verschwendet werden,<lb/>
hat-er nicht wenige Kreuzer, um sich und den hungernden Kin¬<lb/>
dern Brod für den nächsten Tag zu kaufen.  Dort blendender</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 36*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] gegen die Negierung, die ziemlich eigenmächtig diese Vertheilung so angeordnet hatte. Ein so kräftig auftretender Landtag hat dem¬ nach, wie natürlich, eine ungewöhnliche Theilnahme im gebildeten Pub- licum hier erregt. Schon am frühen Morgen, noch vordem Beginn der Sitzung, sind die Zuschauer-Tribünen gefüllt, und es hält sehr schwer, ja oft unmöglich, sich wenige Minuten später, den beschei¬ densten Platz daselbst zu verschaffen. Leider sind die Gallerien so eng und in jeder Hinsicht, besonders durch die breiten abgesperrten, in der Regel doch nur leer stehenden Räume für den Hochadel so beschränkt, daß nur eine nicht sehr große Zahl von Zuhörern anderer Stände Raum findet. Wahrend doch ordentlich darauf studirt wor¬ den ist, Gelegenheiten von nur einiger Scheinbarkeit zur Ausführung, neuer Prachtbauten zu finden, hat man es nicht für gut gehalten ein dem dringensten Bedürfniß entsprechendes Standchaus zu schaffen. Von dringendem Bedürfniß kann man aber doch wohl mit vollem Rechte reden, wenn bei einer Ständeversammlung des Königreichs Baiern nicht mehr als etwa hundert nicht hoffähige Zuhörer Platz zu finden vermögen. Die hiesigen Volks- und politischen Zeitungen bringen die mis- beliebigen Reden einzelner Abgeordneten gewöhnlich so verkürzt und oft fo sinnlos entstellt, daß man kaum darin das, was man mit eigenen Ohren gehört hat, wieder zu erkennen vermag. Die getreue- sten und ausführlichsten Landtagsberichte bringt der in Nürnberg er¬ scheinende „Correspondent für Deutschland." Zwar nicht immer in ihrem ganzen Zusammenhange, aber doch die wichtigsten Stellen kurz angegeben und beleuchtet findet man in einzelnen Berichten über den hiesigen Landtag theils aus Franken, theils aus München selbst datirt, in dem Herold des Prof. Biedermann, welche Zeitschrift auch hier in kleineren Kreisen die verdiente Beachtung zu finden immer mehr anfängt. Im sonstigen geselligen Leben Hieselbst hat der Carneval nun seine lustige Herrschaft angetreten, und zählt wenig unzufriedene oder säumige Diener; öffentliche wie Privatbälle, maskirte Akademien und maskenlose Maskeraden drängen sich in bunter Abwechselung und gewahren den an Geld und Zeit nicht Armen Beschäftigung vollauf. Glänzende Karossen und bescheidene Fiaker rasseln des Abends in allen Richtungen durch die schlecht beleuchteten Straßen, und füh¬ ren schön geschmückte Damen mit von Lust blitzenden Augen, in die glänzend erleuchteten Festhalten. Dazwischen hungert und friert der Arme bei der ungewöhnlichen Theurung aller Lebensmittel und der mitunter eingetretenen scharfen Kälte. Während Hunderte an einem einzigen Ballabcnd oft ganz nutzlos verschwendet werden, hat-er nicht wenige Kreuzer, um sich und den hungernden Kin¬ dern Brod für den nächsten Tag zu kaufen. Dort blendender 36*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/291>, abgerufen am 01.09.2024.