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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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verdammt sein, drei Mal des Tags die preußischen Landtagsabschiede
lesen zu müssen, wenn la) aus sämmtlichen Hin- und Herreden über
die Wahlcorrugionen, über die IZnt^lito nordi.it,?, selbst über die ame¬
rikanische Frage irgend einen originalen Zug, irgend eine schlagende
Idee herausgefunden habe.

An Anekdoten und komischen Situationen fehlt es freilich nicht.
So z. B. die Geschichte jenes Deputaten, der sich fürchtet, nicht
wieder gewählt zu werden und in sein Wahlbezirk sich begiebt, die ein¬
flußreichsten Wähler zusammenberuft, und in einer schmeichelhaften Rede
abbaute. Wie? Sie wollen uns verlassen, und warum? -- Ich fürchte
das Vertrauen meiner Wähler nicht mehr zu besitzen. Bah, wer
hat Ihnen das weis gemacht? -- Ich wette 3000 Franken, ich
falle bei den nächsten Wahlen durch. -- Topp, die Wette gilt,
schreien ihm fünf, zehn Stimmen entgegen. -- Ich halte sie gegen
alle zehn. -- Der gute Deputirte verlor 20000 Franken, aber --
er wurde gewählt!

Aber so foppt man ja die Kinder? Freilich, aber es giebt Zei¬
ten, wo es einträglich ist, sich foppen zu lassen. Oder ist z. B.
die Geschichte mit den stellvertretenden Stellvertretern eine geringere
Fopperei? Und doch behielt Herr Guizot sein strenges Hugenotten-
Gesicht in ernsten Falten. Wie Sie wissen, werden zur Zeit wich¬
tiger Kammerdebatten zur Verstärkung des Ministeriums die diplo¬
matischen Agenten, die einen Sitz in der Pairskammer haben, nach
Paris berufen. Diese erhalten nun auf ihren Posten einen interimi¬
stischen Stellvertreter. Mittlerweile aber braucht man auch einen ge¬
treuen Mann, um ihn irgendwo als Depu>irten wählen zu können,
der Stellvertreter wird also auch einberufen und erhält wieder einen
Stellvertreter. Nun aber erhält der eigentliche Gesandte seine hun¬
dert, zweimalhundert, viermalhundcrt Tausend Franken jährlichen
Gehalt fort, obgleich er, statt in Berlin, Wien, London zu sein, hier
im Palais Lurembourg gesandschastet. Der Stellvertreter aber bezieht
während seines Interims ein höheres Gehalt, und bekömmt nun
der Stellvertreter wieder einen Stellvertreter, so bleibt Ersterem die
Gehaltserhöhung und Letzterem wird sie darum nicht minder verliehen.
So z. B. während Herr Perrier, der wirkliche Geschäftsträger in
Hannover, gegenwärtig hier auf seinem Pairskammersitz sich befindet,
versieht in Hannover der Marquis von Lavalette seine Stelle als
i^eine. 8ni>uI6mo"t!M'v; nun aber soll dieser Marquis für die Depu-
tirtenstelle in Bcrgara als ministerieller Kandidat auftreten und es
wird wieder ihm ein Stellvertreter gesetzt. Der Paire de France Hr.
v. Bussicrs ist tkulim-v der Gesandtschaft in Dresden. Nun braucht
man aber seine Stimme hier, es wird ihm daher in der Person des
Herrn Eiragne ein Vicar, ein "iutoiimin^lip" gegeben. Allein die-


verdammt sein, drei Mal des Tags die preußischen Landtagsabschiede
lesen zu müssen, wenn la) aus sämmtlichen Hin- und Herreden über
die Wahlcorrugionen, über die IZnt^lito nordi.it,?, selbst über die ame¬
rikanische Frage irgend einen originalen Zug, irgend eine schlagende
Idee herausgefunden habe.

An Anekdoten und komischen Situationen fehlt es freilich nicht.
So z. B. die Geschichte jenes Deputaten, der sich fürchtet, nicht
wieder gewählt zu werden und in sein Wahlbezirk sich begiebt, die ein¬
flußreichsten Wähler zusammenberuft, und in einer schmeichelhaften Rede
abbaute. Wie? Sie wollen uns verlassen, und warum? — Ich fürchte
das Vertrauen meiner Wähler nicht mehr zu besitzen. Bah, wer
hat Ihnen das weis gemacht? — Ich wette 3000 Franken, ich
falle bei den nächsten Wahlen durch. — Topp, die Wette gilt,
schreien ihm fünf, zehn Stimmen entgegen. — Ich halte sie gegen
alle zehn. — Der gute Deputirte verlor 20000 Franken, aber —
er wurde gewählt!

Aber so foppt man ja die Kinder? Freilich, aber es giebt Zei¬
ten, wo es einträglich ist, sich foppen zu lassen. Oder ist z. B.
die Geschichte mit den stellvertretenden Stellvertretern eine geringere
Fopperei? Und doch behielt Herr Guizot sein strenges Hugenotten-
Gesicht in ernsten Falten. Wie Sie wissen, werden zur Zeit wich¬
tiger Kammerdebatten zur Verstärkung des Ministeriums die diplo¬
matischen Agenten, die einen Sitz in der Pairskammer haben, nach
Paris berufen. Diese erhalten nun auf ihren Posten einen interimi¬
stischen Stellvertreter. Mittlerweile aber braucht man auch einen ge¬
treuen Mann, um ihn irgendwo als Depu>irten wählen zu können,
der Stellvertreter wird also auch einberufen und erhält wieder einen
Stellvertreter. Nun aber erhält der eigentliche Gesandte seine hun¬
dert, zweimalhundert, viermalhundcrt Tausend Franken jährlichen
Gehalt fort, obgleich er, statt in Berlin, Wien, London zu sein, hier
im Palais Lurembourg gesandschastet. Der Stellvertreter aber bezieht
während seines Interims ein höheres Gehalt, und bekömmt nun
der Stellvertreter wieder einen Stellvertreter, so bleibt Ersterem die
Gehaltserhöhung und Letzterem wird sie darum nicht minder verliehen.
So z. B. während Herr Perrier, der wirkliche Geschäftsträger in
Hannover, gegenwärtig hier auf seinem Pairskammersitz sich befindet,
versieht in Hannover der Marquis von Lavalette seine Stelle als
i^eine. 8ni>uI6mo»t!M'v; nun aber soll dieser Marquis für die Depu-
tirtenstelle in Bcrgara als ministerieller Kandidat auftreten und es
wird wieder ihm ein Stellvertreter gesetzt. Der Paire de France Hr.
v. Bussicrs ist tkulim-v der Gesandtschaft in Dresden. Nun braucht
man aber seine Stimme hier, es wird ihm daher in der Person des
Herrn Eiragne ein Vicar, ein „iutoiimin^lip" gegeben. Allein die-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/278>, abgerufen am 23.12.2024.