Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Auf einem andern Blatte zeigt uns Beck den armen Bauer, der Hätt' mir zur Hälfte dies Gute Siehst du die Schisse dort? Er zeigt uns den Leinweber, der sich bemüht für die Reichen, Auf einem andern Blatte zeigt uns Beck den armen Bauer, der Hätt' mir zur Hälfte dies Gute Siehst du die Schisse dort? Er zeigt uns den Leinweber, der sich bemüht für die Reichen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182077"/> <p xml:id="ID_590" prev="#ID_589"> Auf einem andern Blatte zeigt uns Beck den armen Bauer, der<lb/> gezüchtigt wird, weil er aus Hunger ein Reh geschossen, dessen<lb/> todtem Weibe sie den Kirchhof verschlossen haben, weil er das<lb/> Grab nicht bezahlen konnte, der nun endlich auswandert übers<lb/> Meer. „Nie ließ ich dich Bürden tragen," sagt er zu dem Pferde<lb/> das ihn zum Hafen führt, „die für dich zu schwer" u. s. w.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_67" type="poem"> <l> Hätt' mir zur Hälfte dies Gute<lb/> Siehst du die Schisse dort?<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_591"> Er zeigt uns den Leinweber, der sich bemüht für die Reichen,<lb/> und selber darbt, das von der Schwester Hochzeit her im Hause,<lb/> abergläubischen Brauch zufolge, versteckte alte hart gewordene Brot<lb/> hervorsuchen muß, um sich und den Seinigen den Hunger zu stil¬<lb/> len, und dabei vom alten Fugger erzählt, der auch nur ein Weber<lb/> gewesen und ein herrlicher Mann, ein Wohlthäter der Armen - -<lb/> „doch das ist lange her." Er zeigt uns die Amme, die mit ihrer Mutter--<lb/> miles der Reichen Kind ätzt, während ihr eigenes Kind ein Bauer-<lb/> weib „mit Schlägen und mit Wasser erzieht," und was sie zu guter<lb/> Letzt davon trägt, da ihr Dienst um ist — und ihr Kindchen todt<lb/> — das ist ein elend Geschenk, und — eine Kupplerin macht ihr<lb/> Anerbietungen. In immer neuen Bildern zeigt er uns die Armuth<lb/> als einen Fluch, den nichts von den Häuptern Derer nimmt die<lb/> damit beladen sind. Es giebt für den Armen nichts das ihn zu<lb/> laben, das ihn zu erquicken vermöchte. Selbst der Lenz, der Alles<lb/> beseliget, den Armen erfreut er nicht, der in den dumpfigen Gassen<lb/> um seil? elendes Brot kämpft, der nur an den Vögeln die im Käfig<lb/> ein Knabe vorbeiträgt und an den Blumen die ein Bettelkind<lb/> im Körbchen seil bietet, merkt, daß Frühling ist; nicht nur beseli¬<lb/> get der Lenz den Armen nicht, sein Weib klagt: ja wohl, Gott hat<lb/> ihn geschickt, den Lenz; was ist's für uns? dies, daß der Tag, den<lb/> wir in Qual verleben, nun immer länger und die Nacht, rin ihrem<lb/> Schlafe, des Armen einzigem Labsal, immer kürzer wird. — Ja,<lb/> endlich auch selbst die Religion! Da wird Alles umher auf einmal<lb/> fromm, und geistlich, Juden und Christel,, Protestanten und Katho¬<lb/> liken? und — wer weiß, es sitzt vielleicht in irgend einer fernen<lb/> Schenke</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
Auf einem andern Blatte zeigt uns Beck den armen Bauer, der
gezüchtigt wird, weil er aus Hunger ein Reh geschossen, dessen
todtem Weibe sie den Kirchhof verschlossen haben, weil er das
Grab nicht bezahlen konnte, der nun endlich auswandert übers
Meer. „Nie ließ ich dich Bürden tragen," sagt er zu dem Pferde
das ihn zum Hafen führt, „die für dich zu schwer" u. s. w.
Hätt' mir zur Hälfte dies Gute
Siehst du die Schisse dort?
Er zeigt uns den Leinweber, der sich bemüht für die Reichen,
und selber darbt, das von der Schwester Hochzeit her im Hause,
abergläubischen Brauch zufolge, versteckte alte hart gewordene Brot
hervorsuchen muß, um sich und den Seinigen den Hunger zu stil¬
len, und dabei vom alten Fugger erzählt, der auch nur ein Weber
gewesen und ein herrlicher Mann, ein Wohlthäter der Armen - -
„doch das ist lange her." Er zeigt uns die Amme, die mit ihrer Mutter--
miles der Reichen Kind ätzt, während ihr eigenes Kind ein Bauer-
weib „mit Schlägen und mit Wasser erzieht," und was sie zu guter
Letzt davon trägt, da ihr Dienst um ist — und ihr Kindchen todt
— das ist ein elend Geschenk, und — eine Kupplerin macht ihr
Anerbietungen. In immer neuen Bildern zeigt er uns die Armuth
als einen Fluch, den nichts von den Häuptern Derer nimmt die
damit beladen sind. Es giebt für den Armen nichts das ihn zu
laben, das ihn zu erquicken vermöchte. Selbst der Lenz, der Alles
beseliget, den Armen erfreut er nicht, der in den dumpfigen Gassen
um seil? elendes Brot kämpft, der nur an den Vögeln die im Käfig
ein Knabe vorbeiträgt und an den Blumen die ein Bettelkind
im Körbchen seil bietet, merkt, daß Frühling ist; nicht nur beseli¬
get der Lenz den Armen nicht, sein Weib klagt: ja wohl, Gott hat
ihn geschickt, den Lenz; was ist's für uns? dies, daß der Tag, den
wir in Qual verleben, nun immer länger und die Nacht, rin ihrem
Schlafe, des Armen einzigem Labsal, immer kürzer wird. — Ja,
endlich auch selbst die Religion! Da wird Alles umher auf einmal
fromm, und geistlich, Juden und Christel,, Protestanten und Katho¬
liken? und — wer weiß, es sitzt vielleicht in irgend einer fernen
Schenke
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