Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.darum. Aber zwanzig Deutsche machen schon eine Volksversamm¬ -- Gustav Kühne hat in der Augsb. Allgemeinen eine Reihe darum. Aber zwanzig Deutsche machen schon eine Volksversamm¬ — Gustav Kühne hat in der Augsb. Allgemeinen eine Reihe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182056"/> <p xml:id="ID_561" prev="#ID_560"> darum. Aber zwanzig Deutsche machen schon eine Volksversamm¬<lb/> lung; wenn zwanzig Deutsche zusammensitzen, da zittert die Erde<lb/> unter ihren Füßen, da kommt der Bundestag aus dem Gleichgewicht.<lb/> Ja, wir sind ein ungeheueres Volk! —</p><lb/> <p xml:id="ID_562" next="#ID_563"> — Gustav Kühne hat in der Augsb. Allgemeinen eine Reihe<lb/> interessanter Reiseskizzen: ,,Ueber Bremen und Hannover nach Ham¬<lb/> burg" mitgetheilt, worin unter Anderm nachgewiesen wird, wie Ham¬<lb/> burg, mit seinem blühenden Handel, seiner Seefahrt, seinem prakti¬<lb/> schen Sinn und seinem republikanischen Gemeingeist, seiner Bürger¬<lb/> freiheit und Selbstregierung sich stets vom Treiben im Binnenlande<lb/> fern gehalten, von den deutschen Interessen abgesondert, und<lb/> in politischer Hinsicht eigentlich nie zu Deutschland gehört habe und<lb/> auch jetzt noch nicht gehöre Man muß gestehen, es ist etwas Wah¬<lb/> res dran, und es thut Einem weh zu denken, daß wir als Deutsche<lb/> nicht einmal recht stolz sein dürfen auf die reiche, große liiuimioiiiil,<lb/> daß die Stadt, worin das Bürgerthum sich am selbständigsten und<lb/> blühendsten entfaltet hat, mehr eine fremde Colonie als ein deut¬<lb/> scher Staat sein soll, und nichts weniger als durch nationale Be¬<lb/> strebungen auf diese Höhe gelangt ist. Und wir dachten und sannen:<lb/> Sollte es im Herzen Hiunmnnik's keinen Winkel geben, in dem es<lb/> noch ganz national und entschieden deutsch ist? Giebt es, außer der<lb/> Judenfresserei, (ein anrüchiges Thema, von dem man nicht gerne<lb/> mehr spricht) giebt es kein zartes Band und keinen sympathetischen<lb/> Faden mehr, zwischen uns und Hamburg? Keine Wahlverwandt¬<lb/> schaft, keinen ähnlichen politischen Geschmack, an dem wir uns er¬<lb/> kennen? — Halt, es ist gefunden! Noch ist Hamburg für Deutsch¬<lb/> land nicht verloren! In Einem Punkt ist es sogar noch viel, viel<lb/> deutscher, als alle unsere festen Burgen; ur-, alt- und se o et deutsch,<lb/> so zu sagen. In Hamburg wird geprügelt! Mit Rührung und<lb/> Triumph haben wir diesen schönen Zug, unlängst in den Zeitungen<lb/> bestätigt gefunden. Und wie wird dort geprügelt! Ohne alle Sen¬<lb/> timentalität und Flachheit, systematisch, gründlich. Gesunde, gemüth¬<lb/> liche deutsche Hiebe; nicht zur Strafe, sondern zur Untersuchung;<lb/> wenn Einer z. B. so boshaft ist, daß er nicht gestehen will. Zwar<lb/> glauben wir nicht, daß Senatoren- und reiche Bürgerkinder über die<lb/> Bank gelegt werden, denn ein kleiner Unterschied der Stande muß<lb/> selbst in einem Freistaat herrschen; dafür werden die geringern Leute<lb/> desto patriarchalischer behandelt, und einem des Diebstahls verdächti¬<lb/> gen Hamburger ist bei der Polizeiuntersuchung jüngst so „eindringlich<lb/> zugeredet" worden, daß er erst -auf dem Krankenlager hörte, der-'<lb/> wahre Verbrecher habe sich indeß gefunden und seine Unschuld sei an¬<lb/> erkannt. O du liebes deutsches Bürgerthum! Mit deinen gemüth¬<lb/> lichen rothen Bausbacken und deinen gesunden Fäusten! An mehr<lb/> als einem Ort hat es sich aus alten Zeiten ein Stück Souverainitär<lb/> erhalten, und in Hamburg ist) es dadurch reich geworden. Sein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
darum. Aber zwanzig Deutsche machen schon eine Volksversamm¬
lung; wenn zwanzig Deutsche zusammensitzen, da zittert die Erde
unter ihren Füßen, da kommt der Bundestag aus dem Gleichgewicht.
Ja, wir sind ein ungeheueres Volk! —
— Gustav Kühne hat in der Augsb. Allgemeinen eine Reihe
interessanter Reiseskizzen: ,,Ueber Bremen und Hannover nach Ham¬
burg" mitgetheilt, worin unter Anderm nachgewiesen wird, wie Ham¬
burg, mit seinem blühenden Handel, seiner Seefahrt, seinem prakti¬
schen Sinn und seinem republikanischen Gemeingeist, seiner Bürger¬
freiheit und Selbstregierung sich stets vom Treiben im Binnenlande
fern gehalten, von den deutschen Interessen abgesondert, und
in politischer Hinsicht eigentlich nie zu Deutschland gehört habe und
auch jetzt noch nicht gehöre Man muß gestehen, es ist etwas Wah¬
res dran, und es thut Einem weh zu denken, daß wir als Deutsche
nicht einmal recht stolz sein dürfen auf die reiche, große liiuimioiiiil,
daß die Stadt, worin das Bürgerthum sich am selbständigsten und
blühendsten entfaltet hat, mehr eine fremde Colonie als ein deut¬
scher Staat sein soll, und nichts weniger als durch nationale Be¬
strebungen auf diese Höhe gelangt ist. Und wir dachten und sannen:
Sollte es im Herzen Hiunmnnik's keinen Winkel geben, in dem es
noch ganz national und entschieden deutsch ist? Giebt es, außer der
Judenfresserei, (ein anrüchiges Thema, von dem man nicht gerne
mehr spricht) giebt es kein zartes Band und keinen sympathetischen
Faden mehr, zwischen uns und Hamburg? Keine Wahlverwandt¬
schaft, keinen ähnlichen politischen Geschmack, an dem wir uns er¬
kennen? — Halt, es ist gefunden! Noch ist Hamburg für Deutsch¬
land nicht verloren! In Einem Punkt ist es sogar noch viel, viel
deutscher, als alle unsere festen Burgen; ur-, alt- und se o et deutsch,
so zu sagen. In Hamburg wird geprügelt! Mit Rührung und
Triumph haben wir diesen schönen Zug, unlängst in den Zeitungen
bestätigt gefunden. Und wie wird dort geprügelt! Ohne alle Sen¬
timentalität und Flachheit, systematisch, gründlich. Gesunde, gemüth¬
liche deutsche Hiebe; nicht zur Strafe, sondern zur Untersuchung;
wenn Einer z. B. so boshaft ist, daß er nicht gestehen will. Zwar
glauben wir nicht, daß Senatoren- und reiche Bürgerkinder über die
Bank gelegt werden, denn ein kleiner Unterschied der Stande muß
selbst in einem Freistaat herrschen; dafür werden die geringern Leute
desto patriarchalischer behandelt, und einem des Diebstahls verdächti¬
gen Hamburger ist bei der Polizeiuntersuchung jüngst so „eindringlich
zugeredet" worden, daß er erst -auf dem Krankenlager hörte, der-'
wahre Verbrecher habe sich indeß gefunden und seine Unschuld sei an¬
erkannt. O du liebes deutsches Bürgerthum! Mit deinen gemüth¬
lichen rothen Bausbacken und deinen gesunden Fäusten! An mehr
als einem Ort hat es sich aus alten Zeiten ein Stück Souverainitär
erhalten, und in Hamburg ist) es dadurch reich geworden. Sein
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